Hare Krishna

Liebe Freunde,

nach ewiglanger kreativer Pause habe ich mich dazu entschlossen, mal wieder nicht nur fuer mich allein oder die Schublade zu schreiben, sondern fuer Euch… So ganz wie frueher

Den gestrigen Tag verbrachte ich am See und wie immer dort tat ich nichts ausser Reden. Erst mit André, der wie so oft von der Alchemie erzaehlte, dann mit Leuten, mit denen ich schliesslich zu abend ass. Eine Frau war Deutsche.

“Ich bin in Frankreich aufgewachsen, habe dann 15 Jahre in Deutschland gelebt und bin jetzt wieder zurueckgekommen.”

“Dann leben Deine Eltern noch hier…”

“Nein, meine Mutter wohnt in Deutschland und mein Vater blieb hier, ist jedoch gestorben und so leben wir in dem Haus, das wir geerbt haben.”

Ihr Freund kam aus Nicaragua.

“In Nicaragua gibt es total verschiedene Welten.: die Welt der Indios, die ohne Geld leben und bei denen man mit Geld nichts machen kann; die Welt der spanischen Eroberer auf der einen Seite des Landes und die der englischen gewalttaetigen Eroberer auf der anderen Seite. Bei beiden stirbt man Hungers, wenn man kein Geld hat.

Ich war ein Strassenkind bis mich eine reiche spanische Familie adoptiert hat. Nicaragua blickt auf 500 Jahre Revolution und Buergerkrieg zurueck. Ich bin die letzte Generation der Rebellen. Die gefaehrlichsten Menschen in Nicaragua sind derzeit die Intellektuellen. Sie haben alles Wissen studiert und jeder hat sich jetzt eine eigene Welt zurechtgelegt.”

Er ging noch naeher darauf ein, aber sein Franzoesisch war nicht so gut, dass ich alles verstand, was er sagte.

Heute auf dem Markt schaute ich in ein Buch ueber die Wicca-Religion. Es war dort klar gesagt, dass sich die Anhaenger des Wicca-Kultes vom Teufel distanzieren, da dieser eine Erfindung der Christen sei, die ihren gehoernten Fruchtbarkeitsgott Pan zu ihrem Teufel gemacht haben.

Ich probierte an einem Stand mit Second-hand-Klamotten eine lilane Nepalihose mit tuerkisgruenem Rock darueber an, die mir die Besitzerin schenkte, weil der Reissverschluss kaputt war. Meine Freude war gross.

Dann traf ich Isolde, die mir einen gruenen Stein gab. Ein Typ mit sonnegebleichten Rastaloeckchen kam vorbei und lud uns zu einer Feier am naechsten Mittwochabend ein. Er gab Isolde einen Flyer mit dem Angebot eines Workshops in Teppichweben.

“Letztes Jahr habe ich zwei Tage an seinem Workshop teilgenommen und an jedem Tag einen Teppich gemacht. Er hat alle Farben an Stoffen. Er bekommt sie von einer Recyclingfabrik. Sie suchen ihm schon die entsprechenden Stoffe raus, die fuer ihn interessant sind. Er zeigt auch, wie man aus einem Fensterrahmen einen Webrahmen herstellen kann.”

Schliesslich lief mir François ueber den Weg, der mich nun zum zweiten Mal zum Bhajan-Singen zu sich einlud. Diesmal ging ich mit. Es waren noch ein paar Maenner und Frauen bei ihm versammelt, die mich freudig begruessten. Es tat gut, bei ihnen zu sein, auch wenn ich erstmal nicht mitsang. Ich dekorierte lieber die Kommode mit Krishnabildern mit dem Schmuck, der auf ihr rumlag bevor ich den Garten mit seinen Bananenstauden und sonstigen tropischen Pflanzen bestaunte.

Doch dann hoerte ich doch ein wenig den Teachings zu.

“Selbst der zutiefst Gefallene kann wieder zum Herrn zurueckkehren”, hiess es da. Klang gut.

Nachher fasste ich meinen Eindruck zusammen: “Alles, was du vorgelesen hast, scheint wahr zu sein. Ich glaube, Christus war auch eine Inkarnation von Krishna. Chris-tus, Krish-na…”

“ Christus und Krishna waren zusammen in einer Inkarnation.”

“Wie Jesus sagte: ‘Der Vater und ich sind eins’. Aber ich dachte immer, Brahma sei der Schoepfer und Krishna sei von ihm geschaffen worden.”

“Nein. Krishna ist der hoechste Gott. Brahma ist der Schoepfer unseres Universums, aber er wurde selbst erschaffen.”

“Und wir sind wie die Funken eines Feuers, die sich vom Feuer entfernen. Doch das Ziel unseres Daseins ist, wieder zurueck zum Feuer zu finden, zu unserem Ursprung – zu Gott,” warf ein anderer Devotee ein. “Und Krishna ist vor etwa 500 Jahren in Indien wieder auf die Erde gekommen und hat uns einen spirituellen Weg gezeigt, wie wir wieder zurueckfinden koennen: indem wir die tausend Namen Gottes rezitieren durch das singen des Mantras Hare Krishna, Hare Krishna, Krishna Krishna Hare Hare, Hare Rama, Hare Rama, Rama Rama, Hare Hare. Hast du schon die BhagavadGītā gelesen?“

„Ja, vor ein paar Jahren. Ich habe alles gelesen, aber nichts verstanden. Nur, dass man kaempfen muss.“

„Nein, das ist nicht richtig. Beim Bakhti-Yoga geht es darum, sich hinzugeben, um devotion. Bei anderen Wegen wie dem Hatha-Yoga geht es darum, sich selbst zu finden. Und du brauchst einen Meister. Swami Prabhupada ist einer. Er hat die vedischen Schriften fuer uns Westler ins Englische uebersetzt und die Bewegung des Krishna Bewusstseins gegruendet.“

Er zeigte mir dessen Foto aus dem Buch. Als wir assen erklaerte mir mein Nachbar:

“Wir haben fuenf Regeln: Wir essen kein Fleisch und keinen Fisch; wir nehmen keine berauschenden Drogen zu uns, auch keinen Tee oder Kaffee, wir praktizieren Sexualitaet nur innerhalb der Ehe, wir spielen keine Gluecksspiele und wir treiben keinen Wettkampfsport, weil es nicht unser Ziel ist, miteinander zu konkurrieren. Cannabis konsumieren wir nicht, weil es uns in einer noch groesseren Illusion leben laesst, in der wir eh schon sind.”

“Und wir kochen ohne Zwiebeln und Knoblauch”, schob François hinterher, “weil sie zu sehr anregen.”

Ich erwachte am naechsten Morgen mit einem unglaublich starken, nicht enden wollenden Juckreiz rund um den Bauch und an den Beinen. Zum Glueck sah ich Manuel in der Naehe und ging zu ihm, um ihm mein Leid zu klagen.

“Du, wir gehen gleich mal mit den Leuten reden, die hier wohnen. Ich raeume nur noch meine Sachen zurueck ins Auto.”

Die erste Person, die wir trafen und die er kannte meinte gleich: “Das habe ich auch und ganz viele Leute hier haben das. Das kommt, wenn man in derNatur ist. Es ist ein uebles Tier und heisst Augusta. Wenn man sich kratzt, dann geht es noch tiefer unter die Haut und breitet sich weiter aus. Es ist an allen Stellen, die warm sind: an den Ellenbogen, am Bauch, unter den Achseln… Aber es ist nicht schlimm. Nach ein paar Tagen hoert es auf. Man kann nur eine juckreizstillende Salbe benutzen und sich zur Vorbeugung mit Lavendeloel einreiben. Ich tue auch ein paar Tropfen davon ins Bett.”

Manuel ging mit mir zusammen in die Apotheke, um uns zu versichern und wir wurden besteatigt. Am Ende lud ich ihn zur Ratatouille ein, die ich noch vom Vortag uebrig hatte und er schenkte mir zwei Flaschen Olivenoel!

“Ich hoere, was die Leute mir sagen. Und du sagtest letzt, fast das einzige, was du zum Essen kaufst ist Oel…”

Ich nahm es gleich fuer den Salat, denn mein altes Oel war fast alle.

Am Abend entdeckte ich in der Gîte (eine franzoesische Art von Pension) die Dusche, von der mir jemand erzaehlt hatte und nutzte die Gelegenheit, da gerade keiner da war, meine Haare zu waschen. Bloss hatten sich drei alte Campingbusse auf das Grundstueck der Gîte gestellt und genau in dem Augenblick, in dem ich ging, kam einer mit einer Taschenlampe angelaufen. Mir sackte das Herz in die Hose und raschen Schrittes verliess ich das Terrain.

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