Immer noch im Hippieland

Hier ein schon älterer Eintrag, den ich irrtümlich auf einer falschen Seite veröffentlicht hatte.  Hier nachträglich ein paar Geschichten von Anfang des Jahres…

Einmal nahm mich beim Trampen ein Typ mit, den ich schon kannte und der noch einen weiteren Tramper inklusive Gepaeck aufgabelte.
«Ich komme gerade aus Mexiko zurueck. Es war phantastisch. Die Leute sind unglaublich gastfreundlich. Ich war die ganze Zeit eingeladen. Und die Maya sind noch dort. Sie sind lebendig! »
Er lud uns zu einem Kaffee ein.
«Und die Frauen und Kinder sind sehr schoen. Aber wegen der Armut heiraten sie zum Teil frueh. Es war wirklich alles phantastisch ausser den Einreiseformalitaeten. Und das einzig Negative an den Leuten ist, dass sie die amerikanischen Softdrinks in rauhen Mengen konsumieren. Aber das ist auch alles. »
Er hatte ein Taschenbuch auf den Tisch gelegt, dessen Autor und Titel ich mir nicht merken konnte; er empfahl jedoch unserem Chauffeur, es zu lesen.
« Es geht darin um Alchemie. Und um die Integration der weiblichen Anteile in uns Maennern und die der maennlichen Anteile in den Frauen. In den vielen tausend Jahren des Patriarchats haben die Maenner nicht nur die Frauen, sondern auch die weiblichen Anteile in sich selbst unterdrueckt. Das hat zu zerstoererischem Verhalten gefuehrt. In Zukunft werden mehr die Frauen das Sagen haben, einfach, weil uns Maennern eine gewisse Dimension fehlt, naemlich die, Kinder zu zeugen. Und da die Maenner das damals gesehen haben und sie nicht wussten, dass sie bei der Zeugung zur Haelfte beteiligt sind und nur die Frauen beobachteten, wie ihre Baeuche dicker wurden und Kinder zur Welt kamen, ohne die Maenner direkt zu brauchen, haben sie die Frauen unterdrueckt. Vorher gab es ein Matriarchat. Da wurden Goettinnen verehrt und die Frauen hatten das Sagen. »
Unser Chauffeur schaute, als haette er davon noch nie gehoert.
« Wir sind alle Schueler hier ,» schloss unser Reiseonkel bevor wir uns verabschiedeten.
Bei einem Rundgang traf ich Lisbeth, die mich zu den Bhajans mitgenommen hatte und lud sie zu mir in den Bus ein.
« Ich habe auch mal in einem Bus gelebt. Das war die gluecklichste Zeit meines Lebens », rief sie begeistert. Bei einer Tasse Tee erzaehlte sie eine Geschichte:
« Es waren Menschen in einem Boot unterwegs und ihnen ging das Wasser aus. Sie ueberlegten, was sie tun koennten. Sie beteten zusammen ueber dem Meerwasser, es moege zu Trinkwasser werden und es ist tatsaechlich Trinkwasser geworden. Sie haben es getrunken und ueberlebt. »

Als ich zu meiner Gastgeberin Carmen kam, erzaehlte sie mir die Neuigkeiten des Tages:
« Man hat pink Butterfly in einem der naechsten Doerfer gefunden. Sie hatte keine Hose an und wollte draussen in ihrem Schlafsack uebernachten. Jemand rief die Polizei an und sie wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Ich hatte mir ja echt Sorgen um sie gemacht, nachdem ich sie zu ihr bringen wollte und sie wollte nicht nach Hause gehen. Und dabei hat sie noch meinen Wohnungsschluessel. Jemand hat mir das erzaehlt, weil sie auf facebook einen suchten, der ihren Hund betreut. Und offensichtlich hat sich einer gefunden. »
In dem spirituellen Zentrum trafen die Leute sich oefter, um Hooponopono zu praktizieren.
« Die Methode kommt aus Hawai. Ein Psychiater hat sie als alte schamanische Heilmethode wiederentdeckt und in einem Krankenhaus auf seine Patienten angewandt, nicht, indem er die Leute damit behandelte, sondern indem er die Probleme der Patienten, die auch in ihm vorhanden waren, in sich selbst loeste. So hat er viele Patienten, die zum Teil als sehr schwere Faelle jahrelang in der Klinik waren und als unheilbar galten, geheilt. «
Es gab allerdings auch einen Kritiker unter den Teilnehmern, der meinte: « Hooponopono funktioniert nicht . Wenn jemand die Toilette dreckig hinterlaesst, funktioniert Hooponopono einfach nicht! »
Im spirituellen Zentrum hatten sie mir und Rose Anfang des Jahres angeboten, uns ein Zimmer zu teilen. Ich hatte eine zeitlang darueber nachgedacht und es mangels finanzieller Unterstuetzung nicht angenommen, aber schade fand ich es doch. So ging ich eines Tages zu ihnen und erlaeuterte meine Situation.
Sie wollten mich davon ueberzeugen, das Minimum zu beantragen, dann bekaeme ich die Miete komplett bezahlt, aber ich wusste nicht so recht.
« Freiheit zaehlt fuer mich mehr, als alles Geld der Welt . Und wenn man Geld bekommt, dann ist man nicht mehr frei. Ich habe lange gebraucht, um mich von allem zu befreien und weiss wie es sich anfuehlt, finanziell unterstuetzt zu werden. Es ist fuer mich weniger erstrebenswert. Ich habe im Jahre 2009 ein Jahr lang nahezu vollkommen ohne Geld gelebt und das war immer noch das gluecklichste Jahr meines Lebens.«
« Aber ist fuer dich Geld etwas Schmutziges? »
« Geld ist fuer mich der Widersacher Gottes. »
« Aber man kann mit Geld doch viel Gutes machen. Wenn wir mehr Geld haetten, wuerden wir noch mehr Dinge fuer andere tun. »
« Stimmt schon, das sehe ich auch bei dem, was Ihr tut, aber ich bin glaube ich derzeit nicht bereit, das Minimum zu beantragen und habe soweit ich informiert bin auch gar kein Recht darauf. Man muss fuenf Jahre in Frankreich gelebt haben, um ein Anrecht darauf zu haben oder man arbeitet fuenf Monate. »
« O.k., du kannst hier bleiben und im Schlafsaal schlafen, denn das Zimmer, das frei war ist jetzt besetzt. Und wenn du das Minimum nicht bekommst, dein eigenes Geld wollen wir nicht! »
Also durfte ich im Schlafsaal bleiben und ihnen das geben, was ich wollte.

Einmal traf ich Raphael, als ich in seinem Staedtchen war. Er erzaehlte mir von einem Fuenf-Tages-Trip, den er gerade hinter sich hatte.
« Wir waren in dem Ort, in dem meine Freundin frueher wohnte, um ein paar Sachen von ihr zu holen und in der Zeit hat sich ihr Ex-Freund umgebracht. »
« Weil sie nicht mehr mit ihm zusammen ist? »
« Nein, nicht deshalb. Er war wohl krank, Depressionen. Und das schon sehr lange. Wir haben bei seiner Ex-Frau gewohnt, die vollkommen aus dem Haeuschen war. Er hat sich unweit der Stadt erschossen. Und die Waffe hat er von dort geholt, wo meine Freundin vorher gewohnt hat. Und ich habe die Leiche auf ein Foto hin verifizeirt, das ich drei Stunden vorher gesehen habe. “
« Du hast die Leiche verifiziert, obwohl du ihn gar nie gesehen hast? »
« Ja, die Frauen waren beide zu schlecht beieinander, die haetten das nicht machen koennen. Und ich war zufaellig dort, um einen Abschiedsbrief abzugeben, den wir bei ihm in der Wohnung gefunden hatten. Da haben sie mich gefragt, ob ich das machen koennte, sonst haetten sie jemand von der Familie beauftragen muessen und es haette ewig lange gedauert. Da konnte ich nicht nein sagen. »

Bei einem Ausflug in die Stadt stiess ich auf eine aeltere Dame, die unzaehlige Tauben um sich herumschwirren hatte.
« Es ist verboten sie zu fuettern, aber ich tue es trotzdem. »
Sie hatte richtiges Vogelfutter in ihrer Tasche versteckt, nahm ein wenig davon in die Hand, auf der sich drei Tauben versammelten, um ihre Hand leerzufressen.
«Ich habe vor sechs Jahren meinen Mann verloren. Jetzt habe ich niemanden, der auf mich wartet. Nachher treffe ich meinen Sohn. Ich bin 82. Ich habe mir die Haare kurz geschnitten, deshalb habe ich eine Muetze auf; damit man es nicht sieht. Ich fuettere die Tauben, auch wenn manche Leute es nicht wollen. Sie haben schliesslich Hunger. Aber man kann mit Gefaengnis bestraft werden. »

Auf dem Rueckweg sah ich eine huebsche kleine weisse Ratte auf einer Wiese mir entgegen laufen. Sie kam gleich zu mir, als ich stehenblieb und schaute, ob sich mein Schuh essen laesst. Ein Mann kam in die Naehe.
« Gehoert die Ratte Ihnen? » fragte ich ihn.
« Nein, ich habe nur dort eine Katze gesehen und so befinde ich mich zwischen Katze und Ratte. Es ist aber bestimmt keine wilde Ratte. Die sind normal nicht weiss. »
« Genau. Ich glaube auch, dass es eine domestizierte Ratte ist. So weiss wie sie ist und weil sie gleich zu mir kam. »
Inzwischen entfernte sich die Ratte und er lief ihr hinterher. Und ich dumpsterte eine ganze Menge in den ganzen Supermaerkten, die ich kannte bevor ich in einem Sportstadion duschte, um mir die Haare zu waschen. Es gab dort sogar einen Foen!

Im spirituellen Zentrum kamen ab und an interessante Leute vorbei. Eine davon hatte gerade eine Weltreise hinter sich, hat zwanzig Jahre in England gelebt und fuhr ein italienisches Gefaehrt auf drei Raedern. Ein anderer war Sohn irakischer Eltern.
« Ich bin an einem Vortex geboren im Irak vor einer Hoehle. Mein Vater war politischer Fluechtling, da er links und gegen Saddam Hussein war. Er war in vielen europaeischen Laendern im Exil. Ich mache Yoga und habe uebersinnliche Faehigkeiten. Und hier spuere ich eine Praesenz, die nicht positiv ist. Ich traeumte die ganze Nacht von Reptoiden. Ich sah ihre Augen, die zu Schlitzen wurden. Die Reptoiden haben nur fuenf Chakren. Ihnen fehlt das Herz und das Stirnchakra. Sie haben auch kein hoeheres Selbst. Sie haben gegen Gott rebelliert. Deshalb hat man ihnen diese Chakren genommen. Und deshalb sind sie neidisch auf uns und wollen uns Boeses. Die Liebe haben wir ihnen voraus. »

Von Reptoiden und Annunaki hatte es noch ein anderer Hippielandbewohner, den ich auf dem Markt traf. Er wiederholte drei Mal mit ekelerregender Mine:
« Sie ernaehren sich von Menschenblut. » Und: « Die Queen ist noch nicht einmal die Schlimmste. Ihr Mann ist zehn Mal schlimmer. » Eine Englaenderin meinte daraufhin: „Pass auf, ueber was du hier auf dem Markt sprichst. Es gibt ganz viele Leute, die sich hier mit einem unterhalten und danach Bericht erstatten, sogenannte Informanten – und die nettesten sind die Schlimmsten.“

Danach traf ich Jocelyne, die ich schon ueber ein Jahr nicht mehr gesehen hatte.
« Wir schoen, dich zu sehen! » empfing sie mich. « Ich habe letzte Woche von dir getraeumt. Du bist zu mir gekommen »
Von ihr erfuhr ich, dass es einen Umsonstladen in dem Dorf gab, in dem sie jetzt wohnte.
« Ich fahre vielleicht morgen in meine Heimat. Ich habe dort ein Haus zu Mieten angeboten bekommen und ich wuerde gerne umziehen. »

Im spirituellen Zentrum wurde es mir zu bunt. Der Ex-Freund einer Bewohnerin war gekommen und sie stritten so lautstark, dass ich keine Ruhe mehr fand. Es war Zeit zu gehen. Ich schaute bei Raphael vorbei.
« Taeglich sterben zig Arten aus », meinte seine Freundin im Gespraech.
« Es ist die Liebe, die die Welt retten wird », schob Raphael hinterher.
„Ich wuerde meinen Campingbus gerne zu einem gemeinschaftlichen Bus machen“, fing ich an.
Sie war begeistert.
„Oh ja, ich wollte immer ein Wohnmobil haben.“
„Wir koennten so was wie einen Verein gruenden dafuer.“
Ich bot ihr am naechsten Tag an, meinen Bus zu benutzen, denn ich hatte gerade Lust, ohne ihn zu verreisen.
« Du kreierst die Teilung! » fuhr mich Raphael an. « Du willst uns auseinanderbringen!  Ich will, dass sie hier wohnt und nicht woanders.»
Es war wie ein Schlag ins Gesicht. Unter diesen Umstaenden wollte ich den Bus nun nicht mehr verleihen. Am Ende waere ich noch die Schuldige fuer die Trennung gewesen. Da fuhr ich lieber zu Jocelyne, wo sie nun schon von meinem Besuch getraeumt hatte. Sowieso hatte ich Sachen, die ich im Umsonstladen lassen wollte. Er war zwar normal nur Sonntags geoeffnet, aber die Betreiber des « nicht-kommerziellen Hauses » zeigten mir ihn trotzdem.
Jocelyne freute sich ueber mein Kommen.
« Ich wuerde gerne verreisen, um mir das Haus anzuschauen, das mir angeboten wurde. Seit sechs Monaten finde ich niemanden, der auf die ganzen Tiere aufpasst. Aber ich weiss nicht, wann ich zurueckkomme. Ich habe kein Geld fuer die Rueckfahrt. »
So blieb ich zum Haushueten trotz der Unklarheit wie lange es sein wuerde und sie fuhr am naechsten Tag weg. Inzwischen hatte sie sechs Katzen und einen Hund. Der andere war vor Kurzem im nahen Bach ertrunken.
Bevor Jocelyne ging, stellte sie mir noch ein nettes Paerchen aus dem Dorf vor und einen Tag nach ihrer Abreise traf ich eine Freundin von ihr, die sich in ihrer Abwesenheit um die Katzen gekuemmert haette, aber nicht um den Hund.
« Jocelyne hat angerufen. Der Typ, der ihr das Haus vermieten wollte, hat sie nicht abgeholt. Er will das Haus jetzt verkaufen. Sie ist ganz umsonst gefahren. Und ihre Mutter wurde operiert und ist gar nicht nett zu Jocelyne. »
Den naechsten Sonntag verbrachte ich am Gratisladen. Ich setzte mich raus in die Sonne und surfte mit meinem ipad im Internet. Aber es kam niemand, um den Laden zu besuchen.
Stattdessen kam am naechsten Tag ein Typ bei mir vorbei, vor dem man mich gewarnt hatte. Ich hatte ihn vor langer Zeit bei Jocelyne kennengelernt. Er lebte in einem Wohnwagen auf einem Grundstueck, auf dem noch andere Menschen wohnen, die ich fluechtig kannte. Von ihnen und anderen Leuten wusste ich, dass er sogar gegenueber Frauen gewalttaetig werden konnte. Er wollte duschen und als er die Badewanne sah, nahm er ein Bad.
« Hast du nicht ein Decke? Ich moechte mich ein wenig ausruhen. Ich fahre dann spaeter zu mir. Nur eins, zwei Stunden. »
Ich gab ihm eine Decke, aber er nahm sich drei und sogar meinen Schlafsack. Als ich ihm, als er aufwachte bedeutete, ich braeuchte meinen Schlafsack, warf er ihn mir auf den Boden. Ich wartete Stunden bis er wieder aufwachte, denn ich wollte ihn nicht bei mir uebernachten lassen und andererseits auch nicht wecken. Mir fehlte absolut das Vertrauen. Noch dazu hatte ich Kopfschmerzen wohl von den Zigaretten, die er geraucht hatte. Er machte ein kleines Theater, als ich ihn um zwei Uhr nachts bat zu gehen, wo er doch keine Heizung in seinem Schrottransporter hatte, aber danach hatte ich meine Ruhe. Mit ihm in der Wohnung haette ich die ganze Nacht kein Auge zugetan…

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