An einem Samstag ging ich auf den Flohmarkt und kam danach an einem Reformhaus vorbei, an dem ich zu einem kostenlosen Expresso eingeladen wurde. Hinter der Expressomaschine stand ein Italiener, der mich über die ganzen Besonderheiten seines Kaffees aufklärte.
„Die Mischung besteht aus sechs verschiedenen Kaffeesorten, alles Bio und handgeröstet. Auf Fairtrade haben wir verzichtet, weil so viele Sachen auf denen Fairtrade draufsteht gar nicht Fairtrade sind.“
Die Verkäuferin hinter der Kasse meldete sich zu Wort: „Ich war mal in Tansania und habe mitgekriegt wie das auf den Kaffeeplantagen funktioniert. Die Felder werden gespritzt mit Chemikalien, die hier schon lange verboten sind, aber produziert und nach Afrika verkauft werden. Ich kannte eine Frau, die auf einer Plantage arbeitete. Ihr Kind wurde von den Pestiziden krebskrank und sie brauchte teure Medikamente. Sie verdiente 200 Euro im Monat und die Medikamente für Ihr Kind kosteten 60 Euro. So läuft das. Und dann traf ich Wildhüter, die hatten früher immer zu essen. Doch dann fingen sie an, in Ostafrika Schnittblumen anzubauen für den Weltmarkt und jetzt ist es so, dass die Leute kein Wasser mehr haben und anfingen, zu hungern. Vorher kannten sie keinen Hunger.“
Vor der Stadtbücherei lernte ich einen Mann mit langen grauen Haaren kennen, die zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden waren.
„Ich wohne schon elf Jahre hier, aber habe viel Ärger mit meinem Vemieter und anderen Leuten. Ich hatte schon vier Gerichtsverfahren. Einmal musste ich 500 Euro zahlen und einmal 30 Sozialstunden ableisten.“
Als wir über die Katharer sprachen, entdeckten wir ein gemeinsames Interessensgebiet.
„Ich war letzt in der Unibibliotheken und da fielen mir die Inquisitionsakten gegen die Katharer in die Hände, in mehreren Bänden und auf Deutsch,“ ließ ich verlauten.
„Was, in der zentralen Unibibliothek? Da hatte ich ein einschneidendes Erlebnis. Ich hatte gerade ein Flugblatt kopieren wollen, da verlor ich das Bewusstsein und fand mich unten an der Treppe liegend vor, mit einem verletzten Finger. Das war mir alles äußerst peinlich. Und dann kam ich zu lauter sadistischen Ärzten. Und jetzt terrorisiert mich mein Vermieter. Gerade hat er mir in seinem Geschäft Hausverbot erteilt und wollte sogar die Polizei rufen. Dabei hat er seit zwei Jahren eine Baustelle vor meiner Wohnung, die gar nicht hätte sein brauchen. Und unter mir wohnt eine Frau, um mich zu kontrollieren. Öfters waren Sachen von mir weg. Irgendwelche Dossiers verschwunden. Sachen, die ich mir irgendwo rausgeschrieben habe. Und heute Morgen wachte ich auf und schlief wieder ein und danach stand der Wecker auf vier Uhr nachmittags.“
Ich lief dann mit ihm nachhause, wo es aussah, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Er toppte einfach alles. Er gab mir das Buch über den Heiligen Gral von Otto Rahn und ich las ihm daraus vor. Es war dort viel von Troubadouren die Rede. Dass sie auf die körperliche Liebe verzichten mussten. Man konnte damals nur entweder Minnesänger oder verheiratet sein.
„Der Verfassungsschutz ist hinter mir her. Hier wird alles abgehört.“
“ Kennst du Don Miguel Ruiz und seine vier toltekischen Versprechen? Eine davon besagt, nichts persönlich zu nehmen. Das kann dir vielleicht helfen.“
Er nahm nämlich alles persönlich. Er hatte ganz offensichtlich Paranoia. Und ich entschied, zu dem Freund zu fahren, den ich bei der Fahrraddemo kennengelernt hatte, wo ich freudig empfangen wurde und wir noch um halb drei nachts zusammen ein köstliches Gericht aßen. Am nächsten Tag gingen wir spazieren und sahen einen spektakulären Sonnenuntergang. Für mich war er auf Chemtrails zurückzuführen, aber für mein Gegenüber gab es keine Chemtrails.
“ Chemtrails sind für mich Verschwörungstheorie.“
„Für mich sind sie Verschwörungspaxis. Sie besprühen uns ganz gezielt mit lauter Giften wie Aluminium, Barium und Krankheitserregern wie man in Bodenproben festgestellt hat. Sag bloß nicht irgendwann, du hättest davon nichts gewusst.“
Am nächsten Morgen bekam mein neues Fahrrad einen kleinen Fahrradkorb am Lenker montiert, was mich äußerst freute. Willi war der letzte reguläre Bewohner eines Hauses, das saniert werden sollte. Die anderen Bewohner waren alles Bauarbeiter. Er zeigte mir eine volle Mülltonne, die eigentlich für Verpackungen gedacht war.
„Die Leute haben andere Sachen reingeschmissen und jetzt lehrt die Müllabfuhr die Tonne nicht mehr, sondern lässt sie verrotten. “
Ich schaute mir die Tonne an. Es stank bis zum Himmel nach Rattenpisse. Mit ein paar Handschuhen lehrte ich einen Teil des Unrats in die normale Tonne und regte mich darüber auf, dass sie den Arbeitern aus dem Ausland nicht erklären, wie sie den Müll zu entsorgen haben und ihnen eine Extralehrung zu teuer ist, aber ein Haus generalsanieren, zwei Häuser abreißen und Tausende Euro Abfindung zahlen, das können sie.