Was ich vergessen habe

Wie mir nachher einfiel, habe ich bei meinem Jahresrückblick das Wichtigste vergessen. Was war das Wichtigste?

Das Wichtigste war, dass sie mich in der Gemeinschaft aufgrund des Vorhandenseins eines gewissen Geistes weggeschickt haben, der sich mit dem ihren nicht so recht vertrug, sprich nicht kompatibel war.

Deshalb war eine Begegnung mit einem Franziskanermönch auf dem Jakobsweg ganz wichtig für mich, der kam, als ich gerade in einer Pilgerherberge in Frankreich mithalf. Er war Beichtvater beim Vatikan. Nachdem ich ein wenig aus meinem Leben berichtet hatte, meinte er: „Das ist franziskanische Spiritualität. Sie haben eine franziskanische Spiritualität, die dem Heiligen Franziskus viel näher kommt, als das, was wir im Orden derzeit leben.“ Irgendwie hat mich das berührt.

Dann gab es noch so eine Begebenheit, die in einer baskischen Stadt stattfand, in der ich einen alten Pilgerfreund wiedertraf, der mich vor Jahren einmal für eine zeitlang bei sich aufgenommen hatte. Er führte mich zu einem Lokal, in dem man äußerst billig Essen konnte und so kam es, dass ich dort in der Straße saß, in der überall Plakate herumhingen, die auf die 400 Menschen hinwiesen, die derzeit im Gefängnis waren, weil sie für die eigene Kultur gekämpft hatten. Es wurde zu einer Amnestie für die Gefangenen aufgerufen. Es hingen zwei Transparente in der Straße und die Polizei kam, um sich die Sache anzuschauen. Ich zog es vor zu gehen und später wieder zu kommen. Es machte etwas, dort zu sitzen in dieser Atmospäre mitten im Herz des baskischen Widerstands. Es war ein sehr seltsames Gefühl. Die Basken in Frankreich hatten in dem Jahr die Waffen niedergelegt und sie den Franzosen übergeben. Die spanischen Basken hatten dies nicht getan und das Lokal, in dem wir waren hatte mal offen, mal zu wie mir mein Pilgerfreund erklärte. Und mir wurde auf einmal die ganze Dynamik klar, die hinter den verschiedenen Parteien steckte, den einen, die die anderen unterdrücken wollten und denjenigen, die sich dagegen zur Wehr setzten.

Dann war ich – Monate später – mit einer Freundin zu Besuch in einem kleinen Kloster. Es waren lauter farbige Schwestern da – und eine weiße, die natürlich total herausstach. Ein großer Teil der Schwestern kam aus Afrika, aber es war auch eine ganz liebe Brasilianerin dabei, mit der wir uns ganz nett unterhielten. Sie wollte meine Freundin überzeugen, doch zu ihnen ins Kloster zu kommen, denn sie war auf der Suche nach einem Kloster, in das sie eintreten könnte. Bevor wir gingen, sprachen wir dann noch eine ganze Weile mit der deutschen Schwester, einer Klarissin. Das Gespräch hat mich bleibend beeindruckt, denn sie erzählte uns von den ganzen vielen tollen Dingen, die sie alle erhalten hatte, obwohl sie doch als Klarissin in strengster Armut, also ohne jeglichen Besitz lebte. Sie erzählte mit derselben Begeisterung, mit der auch ich gerne berichte, wenn die Dinge zu mir kommen, die entweder ich selbst oder eine mir nahestehende Person gerade gebrauchen kann. Diese unglaubliche Freude über die auch noch so kleinen Dinge, die ohne Geld in unser Leben treten. Ich merkte durch Ihre Erzählungen, dass sie irgendwie denselben Geist zu haben schien wie ich. Auch das hat mich tief berührt. Interessanterweise hat das Gespräch mit ihr meine Freundin ein bisschen genervt, während es für mich die reinste Freude war.

Und dann kam Weihnachten. Traditionell feiere ich Weihnachten nicht, da sich an diesen Tagen die meisten Leute umbringen und da ist der beste Schutz, gar nicht zu feiern. Ich glaube auch nicht, dass Jesus an diesem Tag geboren ist. Aber ich hatte ein paar Tage zuvor einen Menschen kennen gelernt, der in meiner direkten Nachbarschaft wohnte und der mir auf den ersten Blick äußerst sympathisch gewesen war. Irgendwie verband uns etwas auf einer höheren Ebene, das ich am ehesten mit einem gemeinsamen Glauben umschreiben könnte. Er erzählte mir, dass er seit mehreren Jahren in einer franziskanischen Gemeinschaft  eine spirituelle Heimat gefunden hatte. Es war dann so, dass meine Gastgeberin über Weihnachten Besuch empfing und ich musste mir etwas anderes zum Wohnen suchen. Ich sprach ihn auf mein Problem an, obwohl ich ihn ja noch gar nicht lange kannte. Er überlegte nicht lange und bot mir an, über die Feiertage und auch darüber hinaus zu ihm zu kommen.

Und so begab es sich, dass  mich an Heilig Abend  ein wunderschönes Geschenk erwartete, das ich mir nie hätte erträumen lassen. Nicht in Form eines materiellen Etwas, sondern in Form eines Menschen, mit dem man sich versteht und an den man sich einmal anlehnen kann. Wie lange hatte ich das nicht mehr erlebt! Viele viele Jahre. Was für ein Weihnachtsgeschenk!

Und um hinüberzuleiten ins neue Jahr – was dann passierte war fast genauso spektakulär: ich merkte, ich will und kann nicht mehr so leben. Leben ohne irgendwo auf dieser Welt einen Raum für mich zu haben. Einen Raum, in dem ich mal ein paar Sachen von mir lassen kann und ein paar Wochen oder Monate später sind sie immer noch da. Denn meine Freundin bat mich auch, meine Sachen auf den Dachboden zu tun, was mir diesmal mehr wie üblich ausmachte und mich vollkommen destrukturierte. Es konnte alles so nicht mehr weitergehen.

So antwortete ich auf eine Anzeige und nahm einen Job für ein paar Stunden pro Woche als Putzfee an, damit nicht immer nur Geld rausgeht, sondern auch mal etwas reinkommt. Und dann suchte ich nach einer Wohnung. Ich meldete mich auf Anzeigen und bei der zweiten Wohnung, die ich mir anschaute hatte ich Glück: der Vermieter nahm mich! Das war das Geschenk zum sechsten Januar, der in Spanien ja wie Weihnachten gefeiert wird: ein Mietvertrag! Somit habe ich nach neuneinhalb Jahren meinen offiziellen Status der Wohnungslosigkeit beendet. So richtig kann ich das noch gar nicht glauben, denn es ist alles sehr fremd für mich nach so vielen Jahren des Herumziehens.  Ich wusste immer: das einzige, was mich stoppen kann zu Reisen ist die Liebe. Und nachdem ich sie hier gefunden hatte, an dem Ort, an dem ich am meisten Freunde in der Welt habe, habe ich nicht lange überlegt: wenn wieder eine Wohnung haben, dann hier. Den finanziellen Aspekt habe ich mal bewusst außen vor gelassen. Habe mir schlicht- und einfach gesagt: ich brauche eine Wohnung. Und zwei Tage später war die Wohnung da, eine schnuckelige kleine Ein-Zimmer-Wohnung mit Balkon und Blick auf verwunschene Bäume, die allerdings bald abgeholzt werden sollen, weil die ganzen Nachbarn gegen die hohen Waldbäume sind. Mal sehen, ob sich da was machen lässt.

So begann für mich ein neues Leben – ein Neuanfang. wie wunderbar! Dafür kann ich mich nur bedanken – bei Gott im Himmel, bei wem sonst?

Was war 2017?

Wonder Women

Die ersten drei Monate des Jahres war ich in Tschechien in der Gemeinschaft, in der ich seit Jahren versuchte, Aufnahme zu finden. Aber wie immer passierte eines Tages etwas, was mich total heraushaute. So landete ich wieder zurück in der Welt. Erstmal ging ich Freunde besuchen, um mich von dem Schock, es mir wieder einmal verpatzt zu haben, zu erholen.

Dann besuchte ich nach fünf Jahren auch wieder einmal meine Mutter. Es war diesmal sehr nett und ich durfte das Haus für eine Woche hüten, während sie nach Amerika reiste. In der Woche bekam es mir ganz gut, alleine zu sein und so rang ich mich durch, mir etwas zum Wohnen zu suchen. Ich sah mir zwei Möglichkeiten an. Das eine wäre eine Einliegerwohnung nicht weit von meiner ursprünglichen Heimat entfernt, das zweite war ein Zimmer in einer WG in der Stadt, in der meine damals 103 Jahre alte Großmutter lebte. Da der Vermieter der Einliegerwohnung mir absagte und die Vermieterin der WG mir zusagte, machte ich einen Mitvertrag mit ihr. Es war für mich ein äußerst seltsames Gefühl, einen Mietvertrag zu unterschreiben, nachdem ich jahrelang kostenlos eingeladen war. Es war dann auch alles irgendwie nicht so wie ich es gewohnt war. So durfte ich nicht zwei Tage vorher rein, weil sie noch saubermachen wollte, so dass ich mir wieder wie gehabt eine andere Lösung suchen musste. Und am Tag an dem ich einziehen sollte, war ich dann noch bei einem Freund. Am nächsten Tag, als ich zur WG hinfuhr, hatte ich in einer entfernten Stadt etwas zu erledigen. So hielt ich mich maximal eine halbe Stunde in meinem neuen Zimmer auf und fuhr dann in besagte Stadt, wo ich ein Dokument abholte. Doch während der Fahrt als auch in dem Moment, in dem ich das Dokument in die Hand bekam, fühlte ich einen großen Druck am rechten Auge. Etwas, was ich so nicht gekannt habe und was mir äußerste Sorgen bereitete. Ich musste an das Sprichwort, dass etwas ins Auge geht denken.

Ich wusste nicht mehr weiter. Ich ging zum Bahnhof in besagter Stadt und fragte mich, was tun. Mein Blick fiel auf ein T-Shirt mit der Aufschrift „London Paris New York“. Und neben mir standen auf dem Boden Worte auf französisch Ich überlegte nicht lange, sondern setzte mich in den nächsten Zug in Richtung Frankreich. Und ich hatte Glück, denn ich kam mit zwei Zügen und recht wenig Geld nach Paris. Von dort reiste ich weiter bis ins Baskenland wo ich den Jakobsweg startete, den ich drei Wochen lang ging (ich habe darüber berichtet).

Auf dem Weg zurück hätte ich in einen Bus nach Paris einsteigen können, aber es kam anders. Eine Frau wollte mich einladen, auf dem Ticket ihrer Tochter kostenlos mitzufahren, das sie schon bezahlt hatte, weil ihre Tochter nicht mitfahren konnte. Der Fahrer jedoch willigte nicht ein, sondern wollte von mir den normalen Preis fürs Mitfahren haben. Der Preis schreckte mich ab und so kam es, dass ich statt in mein angemietetes Zimmer wirklich einzog, herumzog wie gehabt.Ich entdeckte dann Orte, versuchte immer wieder mal trotz großem Verbot eine der Gemeinschaften in Frankreich oder Spanien zu besuchen, aber es gab kein Pardon: ich hatte ein Jahr Sperre zu überbrücken. Doch da ich irgendwie nicht verstanden hatte, was eigentlich passiert war, zog es mich dort wieder und wieder hin, um mir eine immer deutlichere Abfuhr erteilen zu lassen.

Sogar nach Tschechien fuhr ich wieder, diesmal mit dem Bus. Von meiner Mutter hatte ich Geld geschenkt bekommen und es diesmal auch angenommen. Danach führte mich mein Weg in die Schweiz, wo ich bei einem Menschen zu Besuch war, den ich aus dem Internet kannte und schon einmal besucht hatte. Er nahm mich ganz lieb auf. Als ich die Botschaft vom Tod meiner Großmutter empfangen hatte, versuchte ich noch am gleichen Tag zu meiner Mutter nach Deutschland zu fahren. Doch kaum war ich in den Zug in Deutschland eingestiegen, überkam mich ein Gefühl, als würde mir all meine Lebensfreude geraubt. Ich fühlte mich genau so wie in „Tim Taler und das gestohlene Lachen“ . Es war schrecklich. Kurz darauf bekam ich Atemnot und ein Gefühl der Enge um die Brust. Ich meinte, ich würde sterben. Da stieg ich lieber aus und fuhr zurück in die Schweiz.

Ich unternahm dann noch zwei weitere Versuche, nach Deutschland zu fahren, wurde jedoch jedes Mal gehindert. Einmal traf ich einen Menschen ohne Zuhause mit seinem Fahrrad auf dem Weg zur Grenze. Er habe dort an der Brücke übernachtet und wollte ursprünglich auch nach Deutschland, aber er hatte entschieden, es zu lassen. Denn seine Mutter hatte ihn angezeigt und wenn er nach Deutschland führe, würde er wahrscheinlich verhaftet. Er lebte viele Jahre lang in meiner Heimatstadt, wo er verheiratet gewesen war. Und auch sonst gab es viele Parallelen zu meinem Leben. Er wollte mich dann mitnehmen in seine Höhle, in der er gewöhnlich in einem Grenzort übernachtete. Doch ich wollte wenn, dann lieber zu dem Freund zurück, bei dem ich gerade gewesen war.

Bei einem dritten Versuch landete ich mit dem Bus immerhin in einer Grenzstadt in Deutschland. Dort traf ich auf dem Busbahnhof einen Afrikaner aus dem Kongo, der in Rom lebte und falsch ausgestiegen war, da er kein deutsch sprach. Als ich ihm die Stadt zeigen wollte, hing dort ein Plakat mit der Aufschrift „Nachts kommen die Mörder“. Es brachte mich dazu, mich mitsamt dem Menschen aus dem Kongo in der Schweiz in Sicherheit zu bringen, indem ich mit ihm in die nächste S-Bahn einstieg. Wir verbrachten die Nacht zusammen mit einem weiteren Gesellen, der seinen letzten Zug verpasst hatten vor dem Bahnhof und legten uns auf einem Betonblock. Am Morgen suchten wir eine Verbindung mit dem Bus nach Rom, aber ich konnte ihm irgendwann gar nicht mehr helfen. Es war alles zu kompliziert. Da setzten wir uns an ein paar Bänke im Bahnhof neben eine Frau, die wie er italienisch sprach und uns erzählte, sie führe mit dem nächsten Zug nach Mailand. Wunderbar, die Rettung! Er kaufte sich ein Ticket und ich begleitete ihn noch bis zum Zug.

Am Ende fuhr ich dann selbst wieder nach Frankreich, das ja lange genug meine Wahlheimat gewesen war. Ich besuchte die Dame, bei der ich mein Zeug vor mehr als drei Jahren untergestellt hatte, als ich meinen Wagen aufgab. Damals hatte ich angenommen, dass ich bei der Gemeinschaft bleiben würde, was dann doch nicht der Fall gewesen war. Sie hatte mittlerweile alles verschenkt bis auf meine selbstgeschriebenen Bücher, die immerhin mindestens eineinhalb Regalmeter füllten. Ich war nicht begeistert, hatte aber erwartet, dass gar nichts mehr da war. Also war ich dankbar wenigstens noch meine selbstgeschriebenen Bücher vorzufinden. Sie wollte eigentlich noch mit mir reden, aber mich zog es einfach wieder weg, zurück ins Baskenland. Diesmal langsam. Ich trampte ein wenig und lief dann fast täglich noch ein Stück des Jakobswegs entlang, den ich vor vielen Jahren mal mit dem Fahrrad gefahren war.

Die ganze Zeit lernte ich liebe nette Menschen kennen, die mich zu sich einluden, vor allem alleinstehende Frauen mit ihren Kindern, die sich von den Vätern getrennt hatten. Bei einer gab es einen Swimmingpool, in dem ich baden und ein Tipi, in dem ich übernachten durfte, bei den nächsten ein Meditationszentrum, in dem ich etwas mithelfen durfte, bei den dritten Esel und und und. Ich war glücklich. Und bei allen wurde ich ganz freundlich aufgenommen.

Eigentlich wollte ich die ganze Zeit nach Portugal, aber irgendwie kam es nie dazu, weil ich es nicht schaffte, mich aus dem Bannkreis der Gemeinschaft komplett zu entfernen. Und als ich mal in einem Bus saß, der eigentlich nach Portugal fuhr, stieg ich abrupt in der Stadt in Spanien aus, bis zu der ich auf dem Jakobsweg gelaufen war und sagte mir „ich kann nicht mehr!“. Ich wollte und konnte nicht mehr so herumreisen. Es ging nicht mehr.

Ich begab mich in einen Telefonladen wo ein Zettel mit dem Angebot eines Zimmers in einer WG hing. Ich rief an. Es war keine fünf Minuten entfernt. Ich nahm es. Und blieb zwei Wochen. Statt nur einer halben Stunden wie in meinem ersten Zimmer immerhin schon zwei Wochen. Das erste Zimmer in Deutschland hatte ich inzwischen schweren Herzens wegen Nichtbenutzung wieder gekündigt. Es war mein erster Versuch gewesen, wieder in Deutschland Fuß zu fassen. Aber an der doch recht teuren Miete für ein Zimmer, der Tatsache, dass ich dann krankenversicherungspflichtig geworden wäre und nochmal 175 Euro hätte zahlen müssen als Mensch ohne Einkommen, also fast 500 Euro, nur um legal in Deutschland zu sein, hatte mich abgeschreckt. Vor allem, weil ich gar nicht so genau wusste, ob ich das überhaupt wollte. Frankreich mit seiner kostenlosen Krankenversicherung für Menschen wie mich, war da einfach wesentlich attraktiver. Noch dazu, wenn mich keiner dazu zwingt, sie zu benutzen und ich auf der anderen Seite die Sicherheit habe, dass ich sie beantragen kann, wenn ich sie brauche. Das kommt meiner Lebenseinstellung einfach erheblich entgegen.

Es dauerte aber nicht lange an meinem neuen Lebensort, da bekam ich wieder einen Rappel und unternahm einen Versuch, nach Tschechien zu fahren. Ich kam in Frankreich bis zu einem Ort unweit der deutsch-schweizerischen Grenze. Ab da wollte ich nicht weiter. Auf dem Bahnhof lernte ich zwei nette Menschen kennen, von denen mich einer zu sich einlud. Er lebte von seiner Frau getrennt, bei der wir anlässlich eines Feiertages zum Essen gingen. Die Kinder waren auch da und wir hatten eine gute Zeit mit Stadtrundgang, Einladung zum Kaffee und allem drum und dran. Er half mir die nächsten Tage, an seinem Computer meine 4000 Fotos von meinem Tablet runterzuladen, die sich die letzten Jahre angesammelt hatten. Die Frucht davon war dann auf meinem Blog durch erstmalige Einträge mit Fotos zu bewundern. Ein großes Dankeschön an meinen Helfer!

Ich fuhr dann wieder zurück, um es später noch einmal mit einer Fahrt nach Tschechien zu versuchen, weil ich dort etwas zu erledigen hatte. Diesmal lud mich eine Frau zu sich ein, die neben mir im Bus saß. Von ihr lernte ich unglaublich viel. Ich erzählte ihr von meinen Ängsten und sie erzählte mir ihre Geschichte wie sie als Kind Angst vor Wasser bekommen hatte. Und dass sie ihr Leben dann damit zubrachte, diese Angst zu überwinden. Ihre Tochter studierte Meeresbiologie und gab ihr dazu allen Anlass.

„Ich habe mich ganz konkret mit meinen Ängsten konfrontiert, um sie dann zu überwinden. Ich habe einen Tauchkurs gemacht und jedes mal Blut und Wasser geschwitzt, wenn ich ins Wasser gehen sollte. Aber ich habe meine Ängste besiegt.“

Sie war auch in der Flüchtlingshilfe aktiv. Bot mir wie zwei andere Menschen in Frankreich an, mich bei ihr anzumelden. „Wir müssen unsere Feinde kennen, um uns zu wehren und um sie zu besiegen.“

Von ihr aus nahm ich einen Flieger nach Tschechien nachdem ich über zehn Jahre nicht mehr geflogen war. Die Busreisen machten mich einfach müde. Es war das reinste Abenteuer. In Tschechiens Hauptstadt lernte ich dann auch wieder Leute kennen, die mich zu sich einluden, aber erstmal war ich ein paar Tage im Hostel. Nach langer langer Zeit mal wieder. Dann fuhr ich nochmals bei der Gemeinschaft vorbei, wo ich wieder weggeschickt wurde, aber endlich endlich eine Erklärung bekam warum. Und das gab mir Frieden.

Einen Moment verbrachte ich in einem der Kurorte nicht weit von der Grenze entfernt. Ich sah dort Menschen als Ehepaare und in Familien um mich herum sitzen, stehen und laufen.Ich sah plötzlich, dass es eigentlich nicht normal war, alleine zu sein. Und dann in einem Schaufenster den Satz „it’s always better, when we’re together.“

Es war der 22. September. Am 23. September sollte ja wieder mal die Welt untergehen. Nicht dass ich wirklich daran geglaubt hätte, da für mich all diese Aussagen irgendwelcher Daten von Dämonen her stammen. Aber ich dachte bei mir „Wenn jetzt die Welt unter geht, wo möchte ich dann sein?“ Und ich wollte nicht mehr alleine an irgendeinem Ort der Welt sein. Ich wollte bei meinen Freunden sein. Ich wollte an dem Ort sein, wo ich die meisten Freunde hatte. Und so setzte ich mich in den nächsten Zug und fuhr dorthin.

Und wurde herzlich begrüßt, als ich gerade zum Konzert in den freien Raum kam, in dem ich in der Regel viele meiner Freunde treffe. Und bei meiner Freundin, bei der ich meistens bin. Und und und. Ich blieb. Ich blieb, auch wenn es schwer wurde. Auch wenn ich eigentlich wieder wegwollte, weil ich es so gewöhnt bin wegzugehen, wenn der Schmerz zu groß wird. Aber ich habe ja gesehen, dass es zu nichts führt im Endeffekt außer zu einer Reihe von unendlich großen Glücksmomenten.

Dann ging ich auf die Krankenkasse und hörte, dass sie dort 9000 Euro von mir wollen, falls ich mich wieder versichern „will“, weil ich die letzten Jahre nicht versichert war. Nachzahlung für vier Jahre, obwohl ich in Frankreich das Recht auf eine kostenlose Krankenversicherung hatte und dieses freiwillig nicht geltend gemacht habe.

Ich sage mal: wer mich unterstützen möchte, dass ich weiterhin als freier Mensch egal wo auf der Welt (und somit auch in Deutschland) leben kann, ist herzlich willkommen, mir eine Spende zukommen zu lassen. Soweit bin ich inzwischen gekommen. Ich mache ein wenig tabula rasa und sehe, das Leben so wie ich es führe ist auf Dauer nicht tragfähig. Es ist ein Zuschussbetrieb, den ich mir so in dieser Form ohne Einnahmen zu generieren nicht mehr so recht leisten kann, denn auch wenn ich mit möglichst wenig Geld gelebt habe, irgendwas gab ich doch aus. Und: ohne Wohnung zu leben ist auch nicht mehr mein Lebensziel oder Sinn und Zweck.

So habe ich die letzten Monate damit verbracht, mich über die örtlichen Hilfsorganisationen zu informieren, die einem zumindest theoretisch helfen wollen, ohne jedoch wirklich einen Schritt weitergekommen zu sein, da man bei ihnen ja nur von einer Stelle zur anderen geschickt wird. Und irgendwie will ich das ja auch nicht so recht.

Deswegen sage auch ich jetzt nach neun Jahren ohne Einkommen und finanzielle Unterstützung: Spenden sind schließ- und endlich auch bei mir willkommen. Schreibt mich dazu einfach an. Soweit einen Spendenbutton zu produzieren, bin ich noch nicht gekommen. Es sei Euch gedankt.

Und nun wünsche ich Euch allen ein gesegnetes, friedvolles Neues Jahr! Mögen all Eure Wünsche in Erfüllung gehen…

error

Hat Dir der Inhalt gefallen? Teile ihn gerne :)

RSS
Follow by Email
YouTube
Instagram
Telegram
WhatsApp