Mein früherer Freund hat Aswaganda als das Superpowermittel genommen. Wie ich mich recht erinnere ist es vor allem für Männer geeignet. Ich gebe es gerne weiter, weil ich dankbar bin, diesen Artikel hier gelesen zu haben. Es ist ein Heilmittel aus dem Ayurveda.
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Was ich vergessen habe
Wie mir nachher einfiel, habe ich bei meinem Jahresrückblick das Wichtigste vergessen. Was war das Wichtigste?
Das Wichtigste war, dass sie mich in der Gemeinschaft aufgrund des Vorhandenseins eines gewissen Geistes weggeschickt haben, der sich mit dem ihren nicht so recht vertrug, sprich nicht kompatibel war.
Deshalb war eine Begegnung mit einem Franziskanermönch auf dem Jakobsweg ganz wichtig für mich, der kam, als ich gerade in einer Pilgerherberge in Frankreich mithalf. Er war Beichtvater beim Vatikan. Nachdem ich ein wenig aus meinem Leben berichtet hatte, meinte er: „Das ist franziskanische Spiritualität. Sie haben eine franziskanische Spiritualität, die dem Heiligen Franziskus viel näher kommt, als das, was wir im Orden derzeit leben.“ Irgendwie hat mich das berührt.
Dann gab es noch so eine Begebenheit, die in einer baskischen Stadt stattfand, in der ich einen alten Pilgerfreund wiedertraf, der mich vor Jahren einmal für eine zeitlang bei sich aufgenommen hatte. Er führte mich zu einem Lokal, in dem man äußerst billig Essen konnte und so kam es, dass ich dort in der Straße saß, in der überall Plakate herumhingen, die auf die 400 Menschen hinwiesen, die derzeit im Gefängnis waren, weil sie für die eigene Kultur gekämpft hatten. Es wurde zu einer Amnestie für die Gefangenen aufgerufen. Es hingen zwei Transparente in der Straße und die Polizei kam, um sich die Sache anzuschauen. Ich zog es vor zu gehen und später wieder zu kommen. Es machte etwas, dort zu sitzen in dieser Atmospäre mitten im Herz des baskischen Widerstands. Es war ein sehr seltsames Gefühl. Die Basken in Frankreich hatten in dem Jahr die Waffen niedergelegt und sie den Franzosen übergeben. Die spanischen Basken hatten dies nicht getan und das Lokal, in dem wir waren hatte mal offen, mal zu wie mir mein Pilgerfreund erklärte. Und mir wurde auf einmal die ganze Dynamik klar, die hinter den verschiedenen Parteien steckte, den einen, die die anderen unterdrücken wollten und denjenigen, die sich dagegen zur Wehr setzten.
Dann war ich – Monate später – mit einer Freundin zu Besuch in einem kleinen Kloster. Es waren lauter farbige Schwestern da – und eine weiße, die natürlich total herausstach. Ein großer Teil der Schwestern kam aus Afrika, aber es war auch eine ganz liebe Brasilianerin dabei, mit der wir uns ganz nett unterhielten. Sie wollte meine Freundin überzeugen, doch zu ihnen ins Kloster zu kommen, denn sie war auf der Suche nach einem Kloster, in das sie eintreten könnte. Bevor wir gingen, sprachen wir dann noch eine ganze Weile mit der deutschen Schwester, einer Klarissin. Das Gespräch hat mich bleibend beeindruckt, denn sie erzählte uns von den ganzen vielen tollen Dingen, die sie alle erhalten hatte, obwohl sie doch als Klarissin in strengster Armut, also ohne jeglichen Besitz lebte. Sie erzählte mit derselben Begeisterung, mit der auch ich gerne berichte, wenn die Dinge zu mir kommen, die entweder ich selbst oder eine mir nahestehende Person gerade gebrauchen kann. Diese unglaubliche Freude über die auch noch so kleinen Dinge, die ohne Geld in unser Leben treten. Ich merkte durch Ihre Erzählungen, dass sie irgendwie denselben Geist zu haben schien wie ich. Auch das hat mich tief berührt. Interessanterweise hat das Gespräch mit ihr meine Freundin ein bisschen genervt, während es für mich die reinste Freude war.
Und dann kam Weihnachten. Traditionell feiere ich Weihnachten nicht, da sich an diesen Tagen die meisten Leute umbringen und da ist der beste Schutz, gar nicht zu feiern. Ich glaube auch nicht, dass Jesus an diesem Tag geboren ist. Aber ich hatte ein paar Tage zuvor einen Menschen kennen gelernt, der in meiner direkten Nachbarschaft wohnte und der mir auf den ersten Blick äußerst sympathisch gewesen war. Irgendwie verband uns etwas auf einer höheren Ebene, das ich am ehesten mit einem gemeinsamen Glauben umschreiben könnte. Er erzählte mir, dass er seit mehreren Jahren in einer franziskanischen Gemeinschaft eine spirituelle Heimat gefunden hatte. Es war dann so, dass meine Gastgeberin über Weihnachten Besuch empfing und ich musste mir etwas anderes zum Wohnen suchen. Ich sprach ihn auf mein Problem an, obwohl ich ihn ja noch gar nicht lange kannte. Er überlegte nicht lange und bot mir an, über die Feiertage und auch darüber hinaus zu ihm zu kommen.
Und so begab es sich, dass mich an Heilig Abend ein wunderschönes Geschenk erwartete, das ich mir nie hätte erträumen lassen. Nicht in Form eines materiellen Etwas, sondern in Form eines Menschen, mit dem man sich versteht und an den man sich einmal anlehnen kann. Wie lange hatte ich das nicht mehr erlebt! Viele viele Jahre. Was für ein Weihnachtsgeschenk!
Und um hinüberzuleiten ins neue Jahr – was dann passierte war fast genauso spektakulär: ich merkte, ich will und kann nicht mehr so leben. Leben ohne irgendwo auf dieser Welt einen Raum für mich zu haben. Einen Raum, in dem ich mal ein paar Sachen von mir lassen kann und ein paar Wochen oder Monate später sind sie immer noch da. Denn meine Freundin bat mich auch, meine Sachen auf den Dachboden zu tun, was mir diesmal mehr wie üblich ausmachte und mich vollkommen destrukturierte. Es konnte alles so nicht mehr weitergehen.
So antwortete ich auf eine Anzeige und nahm einen Job für ein paar Stunden pro Woche als Putzfee an, damit nicht immer nur Geld rausgeht, sondern auch mal etwas reinkommt. Und dann suchte ich nach einer Wohnung. Ich meldete mich auf Anzeigen und bei der zweiten Wohnung, die ich mir anschaute hatte ich Glück: der Vermieter nahm mich! Das war das Geschenk zum sechsten Januar, der in Spanien ja wie Weihnachten gefeiert wird: ein Mietvertrag! Somit habe ich nach neuneinhalb Jahren meinen offiziellen Status der Wohnungslosigkeit beendet. So richtig kann ich das noch gar nicht glauben, denn es ist alles sehr fremd für mich nach so vielen Jahren des Herumziehens. Ich wusste immer: das einzige, was mich stoppen kann zu Reisen ist die Liebe. Und nachdem ich sie hier gefunden hatte, an dem Ort, an dem ich am meisten Freunde in der Welt habe, habe ich nicht lange überlegt: wenn wieder eine Wohnung haben, dann hier. Den finanziellen Aspekt habe ich mal bewusst außen vor gelassen. Habe mir schlicht- und einfach gesagt: ich brauche eine Wohnung. Und zwei Tage später war die Wohnung da, eine schnuckelige kleine Ein-Zimmer-Wohnung mit Balkon und Blick auf verwunschene Bäume, die allerdings bald abgeholzt werden sollen, weil die ganzen Nachbarn gegen die hohen Waldbäume sind. Mal sehen, ob sich da was machen lässt.
So begann für mich ein neues Leben – ein Neuanfang. wie wunderbar! Dafür kann ich mich nur bedanken – bei Gott im Himmel, bei wem sonst?
Was war 2017?
Die ersten drei Monate des Jahres war ich in Tschechien in der Gemeinschaft, in der ich seit Jahren versuchte, Aufnahme zu finden. Aber wie immer passierte eines Tages etwas, was mich total heraushaute. So landete ich wieder zurück in der Welt. Erstmal ging ich Freunde besuchen, um mich von dem Schock, es mir wieder einmal verpatzt zu haben, zu erholen.
Dann besuchte ich nach fünf Jahren auch wieder einmal meine Mutter. Es war diesmal sehr nett und ich durfte das Haus für eine Woche hüten, während sie nach Amerika reiste. In der Woche bekam es mir ganz gut, alleine zu sein und so rang ich mich durch, mir etwas zum Wohnen zu suchen. Ich sah mir zwei Möglichkeiten an. Das eine wäre eine Einliegerwohnung nicht weit von meiner ursprünglichen Heimat entfernt, das zweite war ein Zimmer in einer WG in der Stadt, in der meine damals 103 Jahre alte Großmutter lebte. Da der Vermieter der Einliegerwohnung mir absagte und die Vermieterin der WG mir zusagte, machte ich einen Mitvertrag mit ihr. Es war für mich ein äußerst seltsames Gefühl, einen Mietvertrag zu unterschreiben, nachdem ich jahrelang kostenlos eingeladen war. Es war dann auch alles irgendwie nicht so wie ich es gewohnt war. So durfte ich nicht zwei Tage vorher rein, weil sie noch saubermachen wollte, so dass ich mir wieder wie gehabt eine andere Lösung suchen musste. Und am Tag an dem ich einziehen sollte, war ich dann noch bei einem Freund. Am nächsten Tag, als ich zur WG hinfuhr, hatte ich in einer entfernten Stadt etwas zu erledigen. So hielt ich mich maximal eine halbe Stunde in meinem neuen Zimmer auf und fuhr dann in besagte Stadt, wo ich ein Dokument abholte. Doch während der Fahrt als auch in dem Moment, in dem ich das Dokument in die Hand bekam, fühlte ich einen großen Druck am rechten Auge. Etwas, was ich so nicht gekannt habe und was mir äußerste Sorgen bereitete. Ich musste an das Sprichwort, dass etwas ins Auge geht denken.
Ich wusste nicht mehr weiter. Ich ging zum Bahnhof in besagter Stadt und fragte mich, was tun. Mein Blick fiel auf ein T-Shirt mit der Aufschrift „London Paris New York“. Und neben mir standen auf dem Boden Worte auf französisch Ich überlegte nicht lange, sondern setzte mich in den nächsten Zug in Richtung Frankreich. Und ich hatte Glück, denn ich kam mit zwei Zügen und recht wenig Geld nach Paris. Von dort reiste ich weiter bis ins Baskenland wo ich den Jakobsweg startete, den ich drei Wochen lang ging (ich habe darüber berichtet).
Auf dem Weg zurück hätte ich in einen Bus nach Paris einsteigen können, aber es kam anders. Eine Frau wollte mich einladen, auf dem Ticket ihrer Tochter kostenlos mitzufahren, das sie schon bezahlt hatte, weil ihre Tochter nicht mitfahren konnte. Der Fahrer jedoch willigte nicht ein, sondern wollte von mir den normalen Preis fürs Mitfahren haben. Der Preis schreckte mich ab und so kam es, dass ich statt in mein angemietetes Zimmer wirklich einzog, herumzog wie gehabt.Ich entdeckte dann Orte, versuchte immer wieder mal trotz großem Verbot eine der Gemeinschaften in Frankreich oder Spanien zu besuchen, aber es gab kein Pardon: ich hatte ein Jahr Sperre zu überbrücken. Doch da ich irgendwie nicht verstanden hatte, was eigentlich passiert war, zog es mich dort wieder und wieder hin, um mir eine immer deutlichere Abfuhr erteilen zu lassen.
Sogar nach Tschechien fuhr ich wieder, diesmal mit dem Bus. Von meiner Mutter hatte ich Geld geschenkt bekommen und es diesmal auch angenommen. Danach führte mich mein Weg in die Schweiz, wo ich bei einem Menschen zu Besuch war, den ich aus dem Internet kannte und schon einmal besucht hatte. Er nahm mich ganz lieb auf. Als ich die Botschaft vom Tod meiner Großmutter empfangen hatte, versuchte ich noch am gleichen Tag zu meiner Mutter nach Deutschland zu fahren. Doch kaum war ich in den Zug in Deutschland eingestiegen, überkam mich ein Gefühl, als würde mir all meine Lebensfreude geraubt. Ich fühlte mich genau so wie in „Tim Taler und das gestohlene Lachen“ . Es war schrecklich. Kurz darauf bekam ich Atemnot und ein Gefühl der Enge um die Brust. Ich meinte, ich würde sterben. Da stieg ich lieber aus und fuhr zurück in die Schweiz.
Ich unternahm dann noch zwei weitere Versuche, nach Deutschland zu fahren, wurde jedoch jedes Mal gehindert. Einmal traf ich einen Menschen ohne Zuhause mit seinem Fahrrad auf dem Weg zur Grenze. Er habe dort an der Brücke übernachtet und wollte ursprünglich auch nach Deutschland, aber er hatte entschieden, es zu lassen. Denn seine Mutter hatte ihn angezeigt und wenn er nach Deutschland führe, würde er wahrscheinlich verhaftet. Er lebte viele Jahre lang in meiner Heimatstadt, wo er verheiratet gewesen war. Und auch sonst gab es viele Parallelen zu meinem Leben. Er wollte mich dann mitnehmen in seine Höhle, in der er gewöhnlich in einem Grenzort übernachtete. Doch ich wollte wenn, dann lieber zu dem Freund zurück, bei dem ich gerade gewesen war.
Bei einem dritten Versuch landete ich mit dem Bus immerhin in einer Grenzstadt in Deutschland. Dort traf ich auf dem Busbahnhof einen Afrikaner aus dem Kongo, der in Rom lebte und falsch ausgestiegen war, da er kein deutsch sprach. Als ich ihm die Stadt zeigen wollte, hing dort ein Plakat mit der Aufschrift „Nachts kommen die Mörder“. Es brachte mich dazu, mich mitsamt dem Menschen aus dem Kongo in der Schweiz in Sicherheit zu bringen, indem ich mit ihm in die nächste S-Bahn einstieg. Wir verbrachten die Nacht zusammen mit einem weiteren Gesellen, der seinen letzten Zug verpasst hatten vor dem Bahnhof und legten uns auf einem Betonblock. Am Morgen suchten wir eine Verbindung mit dem Bus nach Rom, aber ich konnte ihm irgendwann gar nicht mehr helfen. Es war alles zu kompliziert. Da setzten wir uns an ein paar Bänke im Bahnhof neben eine Frau, die wie er italienisch sprach und uns erzählte, sie führe mit dem nächsten Zug nach Mailand. Wunderbar, die Rettung! Er kaufte sich ein Ticket und ich begleitete ihn noch bis zum Zug.
Am Ende fuhr ich dann selbst wieder nach Frankreich, das ja lange genug meine Wahlheimat gewesen war. Ich besuchte die Dame, bei der ich mein Zeug vor mehr als drei Jahren untergestellt hatte, als ich meinen Wagen aufgab. Damals hatte ich angenommen, dass ich bei der Gemeinschaft bleiben würde, was dann doch nicht der Fall gewesen war. Sie hatte mittlerweile alles verschenkt bis auf meine selbstgeschriebenen Bücher, die immerhin mindestens eineinhalb Regalmeter füllten. Ich war nicht begeistert, hatte aber erwartet, dass gar nichts mehr da war. Also war ich dankbar wenigstens noch meine selbstgeschriebenen Bücher vorzufinden. Sie wollte eigentlich noch mit mir reden, aber mich zog es einfach wieder weg, zurück ins Baskenland. Diesmal langsam. Ich trampte ein wenig und lief dann fast täglich noch ein Stück des Jakobswegs entlang, den ich vor vielen Jahren mal mit dem Fahrrad gefahren war.
Die ganze Zeit lernte ich liebe nette Menschen kennen, die mich zu sich einluden, vor allem alleinstehende Frauen mit ihren Kindern, die sich von den Vätern getrennt hatten. Bei einer gab es einen Swimmingpool, in dem ich baden und ein Tipi, in dem ich übernachten durfte, bei den nächsten ein Meditationszentrum, in dem ich etwas mithelfen durfte, bei den dritten Esel und und und. Ich war glücklich. Und bei allen wurde ich ganz freundlich aufgenommen.
Eigentlich wollte ich die ganze Zeit nach Portugal, aber irgendwie kam es nie dazu, weil ich es nicht schaffte, mich aus dem Bannkreis der Gemeinschaft komplett zu entfernen. Und als ich mal in einem Bus saß, der eigentlich nach Portugal fuhr, stieg ich abrupt in der Stadt in Spanien aus, bis zu der ich auf dem Jakobsweg gelaufen war und sagte mir „ich kann nicht mehr!“. Ich wollte und konnte nicht mehr so herumreisen. Es ging nicht mehr.
Ich begab mich in einen Telefonladen wo ein Zettel mit dem Angebot eines Zimmers in einer WG hing. Ich rief an. Es war keine fünf Minuten entfernt. Ich nahm es. Und blieb zwei Wochen. Statt nur einer halben Stunden wie in meinem ersten Zimmer immerhin schon zwei Wochen. Das erste Zimmer in Deutschland hatte ich inzwischen schweren Herzens wegen Nichtbenutzung wieder gekündigt. Es war mein erster Versuch gewesen, wieder in Deutschland Fuß zu fassen. Aber an der doch recht teuren Miete für ein Zimmer, der Tatsache, dass ich dann krankenversicherungspflichtig geworden wäre und nochmal 175 Euro hätte zahlen müssen als Mensch ohne Einkommen, also fast 500 Euro, nur um legal in Deutschland zu sein, hatte mich abgeschreckt. Vor allem, weil ich gar nicht so genau wusste, ob ich das überhaupt wollte. Frankreich mit seiner kostenlosen Krankenversicherung für Menschen wie mich, war da einfach wesentlich attraktiver. Noch dazu, wenn mich keiner dazu zwingt, sie zu benutzen und ich auf der anderen Seite die Sicherheit habe, dass ich sie beantragen kann, wenn ich sie brauche. Das kommt meiner Lebenseinstellung einfach erheblich entgegen.
Es dauerte aber nicht lange an meinem neuen Lebensort, da bekam ich wieder einen Rappel und unternahm einen Versuch, nach Tschechien zu fahren. Ich kam in Frankreich bis zu einem Ort unweit der deutsch-schweizerischen Grenze. Ab da wollte ich nicht weiter. Auf dem Bahnhof lernte ich zwei nette Menschen kennen, von denen mich einer zu sich einlud. Er lebte von seiner Frau getrennt, bei der wir anlässlich eines Feiertages zum Essen gingen. Die Kinder waren auch da und wir hatten eine gute Zeit mit Stadtrundgang, Einladung zum Kaffee und allem drum und dran. Er half mir die nächsten Tage, an seinem Computer meine 4000 Fotos von meinem Tablet runterzuladen, die sich die letzten Jahre angesammelt hatten. Die Frucht davon war dann auf meinem Blog durch erstmalige Einträge mit Fotos zu bewundern. Ein großes Dankeschön an meinen Helfer!
Ich fuhr dann wieder zurück, um es später noch einmal mit einer Fahrt nach Tschechien zu versuchen, weil ich dort etwas zu erledigen hatte. Diesmal lud mich eine Frau zu sich ein, die neben mir im Bus saß. Von ihr lernte ich unglaublich viel. Ich erzählte ihr von meinen Ängsten und sie erzählte mir ihre Geschichte wie sie als Kind Angst vor Wasser bekommen hatte. Und dass sie ihr Leben dann damit zubrachte, diese Angst zu überwinden. Ihre Tochter studierte Meeresbiologie und gab ihr dazu allen Anlass.
„Ich habe mich ganz konkret mit meinen Ängsten konfrontiert, um sie dann zu überwinden. Ich habe einen Tauchkurs gemacht und jedes mal Blut und Wasser geschwitzt, wenn ich ins Wasser gehen sollte. Aber ich habe meine Ängste besiegt.“
Sie war auch in der Flüchtlingshilfe aktiv. Bot mir wie zwei andere Menschen in Frankreich an, mich bei ihr anzumelden. „Wir müssen unsere Feinde kennen, um uns zu wehren und um sie zu besiegen.“
Von ihr aus nahm ich einen Flieger nach Tschechien nachdem ich über zehn Jahre nicht mehr geflogen war. Die Busreisen machten mich einfach müde. Es war das reinste Abenteuer. In Tschechiens Hauptstadt lernte ich dann auch wieder Leute kennen, die mich zu sich einluden, aber erstmal war ich ein paar Tage im Hostel. Nach langer langer Zeit mal wieder. Dann fuhr ich nochmals bei der Gemeinschaft vorbei, wo ich wieder weggeschickt wurde, aber endlich endlich eine Erklärung bekam warum. Und das gab mir Frieden.
Einen Moment verbrachte ich in einem der Kurorte nicht weit von der Grenze entfernt. Ich sah dort Menschen als Ehepaare und in Familien um mich herum sitzen, stehen und laufen.Ich sah plötzlich, dass es eigentlich nicht normal war, alleine zu sein. Und dann in einem Schaufenster den Satz „it’s always better, when we’re together.“
Es war der 22. September. Am 23. September sollte ja wieder mal die Welt untergehen. Nicht dass ich wirklich daran geglaubt hätte, da für mich all diese Aussagen irgendwelcher Daten von Dämonen her stammen. Aber ich dachte bei mir „Wenn jetzt die Welt unter geht, wo möchte ich dann sein?“ Und ich wollte nicht mehr alleine an irgendeinem Ort der Welt sein. Ich wollte bei meinen Freunden sein. Ich wollte an dem Ort sein, wo ich die meisten Freunde hatte. Und so setzte ich mich in den nächsten Zug und fuhr dorthin.
Und wurde herzlich begrüßt, als ich gerade zum Konzert in den freien Raum kam, in dem ich in der Regel viele meiner Freunde treffe. Und bei meiner Freundin, bei der ich meistens bin. Und und und. Ich blieb. Ich blieb, auch wenn es schwer wurde. Auch wenn ich eigentlich wieder wegwollte, weil ich es so gewöhnt bin wegzugehen, wenn der Schmerz zu groß wird. Aber ich habe ja gesehen, dass es zu nichts führt im Endeffekt außer zu einer Reihe von unendlich großen Glücksmomenten.
Dann ging ich auf die Krankenkasse und hörte, dass sie dort 9000 Euro von mir wollen, falls ich mich wieder versichern „will“, weil ich die letzten Jahre nicht versichert war. Nachzahlung für vier Jahre, obwohl ich in Frankreich das Recht auf eine kostenlose Krankenversicherung hatte und dieses freiwillig nicht geltend gemacht habe.
Ich sage mal: wer mich unterstützen möchte, dass ich weiterhin als freier Mensch egal wo auf der Welt (und somit auch in Deutschland) leben kann, ist herzlich willkommen, mir eine Spende zukommen zu lassen. Soweit bin ich inzwischen gekommen. Ich mache ein wenig tabula rasa und sehe, das Leben so wie ich es führe ist auf Dauer nicht tragfähig. Es ist ein Zuschussbetrieb, den ich mir so in dieser Form ohne Einnahmen zu generieren nicht mehr so recht leisten kann, denn auch wenn ich mit möglichst wenig Geld gelebt habe, irgendwas gab ich doch aus. Und: ohne Wohnung zu leben ist auch nicht mehr mein Lebensziel oder Sinn und Zweck.
So habe ich die letzten Monate damit verbracht, mich über die örtlichen Hilfsorganisationen zu informieren, die einem zumindest theoretisch helfen wollen, ohne jedoch wirklich einen Schritt weitergekommen zu sein, da man bei ihnen ja nur von einer Stelle zur anderen geschickt wird. Und irgendwie will ich das ja auch nicht so recht.
Deswegen sage auch ich jetzt nach neun Jahren ohne Einkommen und finanzielle Unterstützung: Spenden sind schließ- und endlich auch bei mir willkommen. Schreibt mich dazu einfach an. Soweit einen Spendenbutton zu produzieren, bin ich noch nicht gekommen. Es sei Euch gedankt.
Und nun wünsche ich Euch allen ein gesegnetes, friedvolles Neues Jahr! Mögen all Eure Wünsche in Erfüllung gehen…
Noch mehr zu Robert Franz
Da mein erster Beitrag über Robert Franz zu den am meisten angeklickten Beiträge der letzten Zeit gehört, möchte ich hier einen Folgebeitrag posten. Ich war nämlich vor einiger Zeit auf einer Veranstaltung mit Robert Franz, wo er in seinem etwa eineinhalbstündigen Vortrag mit seinem lila Lockenschopf und passendem violetten Langarm-T-Shirt barfuß sein Publikum begeisterte. Zunächst einmal war das Ganze auf Spendenbasis, was ich als äußerst sympathisch empfand. Es fand in einem Lokal statt, in dem man etwas zu abend Essen und etwas Trinken konnte. Die 200 Plätze waren schon im voraus ausgebucht und viele Menschen kamen von weiter her, um ihn live zu erleben.
Robert Franz möchte die Menschen wieder zur Natur zurückführen. Er geht davon aus, dass viele, wenn nicht die meisten gesundheitlichen Probleme Mangelerkrankungen sind. So sind für ihn auch Arthrose, Schlaganfall, Depressionen, Hauterkrankungen und Schilddrüsenunterfunktion auf Sonnenmangel zurückzuführen. Die Sonne aktiviere unser ganzes System. Sie bringe gesunde Haut und Knochen als auch einen gesunden Darm. Er empfiehlt daher, Vitamin D 3 zu sich zu nehmen.
Interessanterweise war am selben Morgen, an dem ich zum vortrag ging eine Bekannte von mir zu Besuch, die mir erzählte, dass er normalerseise empfielt, die ersten zehn Tage 40.000 Einheiten D 3 seines Produkts zu sich zu nehmen, was 40 Tropfen entspricht und danach 10 Tropfen täglich. Nimmt man dazu das Vitamin K 2 (fünf bis zehn Tropfen), kann das Kalzium in die Knochen aufgenommen werden wie sie mir erklärte. Magnesium ist darüberhinaus ebenfalls sehr zu empfehlen. Aber zurück zur Veranstaltung.
„Bei Depressionen sind Sie nach einer Woche in der Sonne gesund.“ So empfiehlt Robert, bei Depressionen am besten in die Karibik zu fliegen.
80% der Deutschen hätten einen Vitamin B 12-Mangel. Dieser könne ihm nach auch zu Schizophrenie, Depressionen, Gleichgewichtsstörungen und Demenz führen. Führe man sich Vitamin B 12 zu, nähme auch die Reizbarkeit ab.
Bei Schmerzen empfhielt er Schwefel; sein Produkt MSM bei Arthrose und Gelenkschmerzen, da es knorpelaufbauend und schmerzlindernd wirkt.
„Jeder ist selbst für seine Gesundheit zuständig“, sagt er und weist damit auf die Selbstveranwortung jedes einzelnen hin. „Lebt den jetzigen Moment. Jeder Moment ist wichtig.“
Psychopharmaka solle man langsam absetzen. Immer etwas weniger nehmen.
Auch Vitamin C sei gut zu nehmen, Q 10 drei Mal pro Monat und OPC (Traubenkernextrakt) wirke antioxidativ und entzündungshemmend und sei für Leber und Nieren gut.
„Sobald wir unsere Gesundheit im Griff haben, haben wir unser Leben im Griff“ ist seine abschließende Botschaft – bevor er dazu übergeht, jede einzelne Frage aus dem Publikum zu beantworten.
Zu den Produkten gibt es Faltblätter und Bücher sowohl von robert Franz persönlich als auch von anderen Autoren, die seine Theorien zum Teil bestätigen. Mehr Infos unter www.dogenesis.de, www.robert-franz-gesundheit.tv und www.alpenparlament.tv.
Natürlich sind Nahrungsergänzungsmittel kein Ersatz für eine ausgewogene Ernährung und sie ersetzen auch nicht den Besuch eines Arztes. Und Heilaussagen werden grundsätzlich auch keine gemacht.
Meinen ersten Artikel über Robert Franz findet Ihr hier.
Was können wir zur Abfallvermeidung tun?
Zur Europäischen Woche der Abfallmeidung, die vom 18. – 26. November 2017 stattfand haben wir, eine Gruppe von Menschen uns nach einer Veranstaltung zum Thema Gedanken gemacht, was wir insbesondere gegen Plastikmüll tun können.
Hier ist das Resultat:
auf höherer Ebene
- ein Pfandsystem einführen, das den gesamten Plastikmüll dem Recycling zuführt, ähnlich dem für Flaschen derzeit
- einen Kilopreis einführen, zu dem Plastik zurückgenommen wird, ähnlich wie es früher bei Papier war und es heute bei Metall noch ist
- Plastik wirklich recyceln, denn der Plastikmüll im gelben Sack scheint zum Teil derzeit in den Müllverbrennungsanlagen verfeuert zu werden
jeder einzelne kann zum Beispiel
- weniger konsumieren/kaufen
- Stofftüten statt Plastiktüten verwenden
- Glasbehälter statt Plastikbehälter benutzen, wie auch Glasflaschen statt Plastikflaschen
- im Unverpackt-Laden einkaufen
- erst aufbrauchen, was man daheim hat
- angebrochene Sachen auch zum Gefrieren in Steingut oder Gläsern statt in Plastikbehältern aufbewahren
Die Liste ist nicht vollständig und kann von Euch ergänzt werden, indem Ihr in Euren Kommentaren Ideen einbringt, die ich dann hinzufüge 🙂
Mein Grundeinkommen
Für alle, die von einem Grundeinkommen träumen, gibt es jetzt wieder die Möglichkeit, sich für das nächste Gewinnspiel anzumelden und zwar auf www.mein-grundeinkommen.de. Dort werden am 29. November 2018 die nächsten Grundeinkommen verlost. Die Sache funktioniert so, dass per Crowdfunding Geld für Bedingungslose Grundeinkommen gesammelt wird und immer wenn 12.000 € zusammen sind, werden sie an einem besonderen Tag an verschiedene Personen verlost. Man kann also auch spenden, wenn man Geld übrig hat, um damit für andere ein Grundeinkommen zu generieren. In fünf Tagen wird man im Zweier-Team ausgelost. Also das als Einladung für alle, die einmal all das machen möchten, was ihnen auf dem Herzen ist ohne dabei an Geld für ihr Auskommen denken zu müssen. Ich selbst mache mit und habe auch zehn Freun*innen zum Mitmachen eingeladen.
Über Heidemarie Schwermer – ein kleiner persönlicher Nachruf
Als ich gerade eben nachschauen wollte, bei welchem Verlag Heidemarie Schwermer eigentlich ihre Bücher über ihr geldloses Leben veröffentlicht hat, erreichte mich doch sehr überraschend die Nachricht von ihrem Ableben am 23. März letzten Jahres nach einer Krankheit. Erstaunlicherweise habe ich nichts davon mitbekommen. Aber ich möchte die Gelegenheit nutzen wenigstens das meiner Umwelt mitzuteilen, was mich mit ihr verbunden hat.
Zunächst einmal hat sie mich sehr beeinflußt dadurch, dass sie ohne Geld gelebt hat, denn ich hatte ihr erstes Buch „Das Sterntaler-Experiment: Mein Leben ohne Geld“ gelesen, weil ich selbst den Traum hatte, ohne Geld zu leben und sie war quasi so eine Art Vorbild für mich. Das Buch gefiel mir gut, wenn auch ich mir gewünscht hätte, mehr aus ihrem praktischen Leben ohne Geld zu erfahren. Nach dem Motto „Wie sieht das tägliche Leben aus, wenn man so lebt?“
Einmal habe ich Heidemarie in Freiburg bei einer Veranstaltung vom dortigen Tauschring live erlebt und auch das hat mich gestärkt in meinem Wunsch, einmal wenigstens eine zeitlang ohne Geld zu leben. Und es hat mir Mut gemacht und die Hoffnung wie fast schon die Gewissheit gegeben, dass auch mir dies eines Tages gelingen wird. Und es ist mir gelungen. Es ist einfach passiert. Es hat sich einfach verwirklicht so etwa fünf Jahre nachdem ich wirklich den großen Traum hatte, ohne Geld zu leben. Das war 2009. Das heisst, schon zwei Monate vorher begann ich, nichts mehr an Lebensmitteln zu kaufen, weil ich am Voreigehen an einem Laden feststellte, dass die Mülltonnen der Supermärkte voll sind und genug darin ist, um mich davon zu ernähren. Im Grunde hatte ich schon früher angefangen zu containern, aber mehr aus Spaß, nicht aus der Notwendigkeit heraus, denn ich bekam damals noch Geld. Als ich dann jedoch aus Deutschland weggegangen war und absehbar war, dass ich ab Januar 2009 kein Geld mehr bekommen würde, musste ich mir etwas anderes ausdenken. Und ich brauchte gar nicht groß zu denken, es passierte einfach alles so, dass ich erfuhr wo es kostenlos etwas zu essen gab (entweder bei Vereinen, die in Frankreich Menschen ohne Zuhause etwas zu essen geben, durch containern beim Supermarkt, Bäckereien etc. oder durch Auflesen von liegengelassenem Obst und Gemüse auf dem Markt). Und dass ich Klamotten fand und auch einen Schlafplatz, wenn ich danach suchte.
Da ich nicht all mein Geld verschenkt hatte wie Heidemarie das getan hat, war meine Erfahrung eine andere, aber in vielem war es gleich: die große Freude darüber, ohne Geld zu leben, ja, ein unbeschreiblich großes Glücksgefühl, das einem dabei überkommt, dass man/frau einfach jedem wünscht, das möge allen Menschen zuteil werden. Ich kann ruhigen Gewissens und ohne den geringsten Zweifel bis heute sagen: es gibt kein größeres dauerhaftes Glücksgefühl, das ich in meinem Leben kennengelernt habe als das, ohne Geld zu leben. Das Glück ist einfach unbeschreiblich und zwar aus einem ganz einfachen Grund: es ist jeden Tag Weihnachten! Denn alles, was wir zum Leben brauchen bekommen wir – sozusagen aus dem nichts heraus – geschenkt. Es kommt einfach. Ist einfach plötzlich da. Ein Geschenk. Und das jeden Tag, den ganzen Tag lang kommt irgendetwas, das wir brauchen durch Gottes Fügung so sage ich einmal in unser Leben, zumindest wenn wir an ihn glauben. Das ist meine Erfahrung. Natürlich werden wir manchmal Schritte in die eine oder andere Richtung unternehmen wo wir wissen, dass dort etwas zu bekommen ist und wir werden uns gewisserweise um uns Kümmern und auch ein Stück weit für uns sorgen. Aber da ist eindeutig auch eine andere Macht und Kraft, die für uns sorgt, wenn wir ihr vertrauen. Mein Vagabundenblog, der damals bei myspace entstanden ist und den ich bis heute bei wordpress, wenn die letzten Jahre auch nur noch sporadisch fortführe zeugt davon, ja ist ein Zeugnis dafür, dass es einen Schöpfer gibt, der für uns sorgt. Dass es einen Schöpfer gibt, der uns liebt und uns versorgt, wenn wir in seiner Vorhersehung und im Glauben an ihn leben.
Das zweite Buch von Heidemarie Schwermer „Das Sterntalerexperiment II: Mein Weg nach innen“ habe ich mangels Zeit damals nicht ganz gelesen, als es mir jemand geliehen hat und es hat mich auch nicht so sehr beeindruckt wie das erste. Nachdem ich aus meinen Blogeinträgen aus der Zeit, in der ich das Jahr ohne Geld lebte dann ein e-book gemacht hatte, nahm ich Kontakt mit Heidemarie auf, denn ich hätte mich sehr gefreut, wenn sie mir ein Vorwort geschrieben hätte. Leider lehnte sie es ab, mein E-book auch nur zu lesen, weil sie nicht so viel am Computer arbeiten würde, was ich wirklich schade fand, denn für mich war sie so eine Art von Kollegin. Nicht nur, dass ich ein Jahr lang ohne Geld gelebt hatte wie sie es schon seit vielen Jahren tat, sondern auch, weil ich darüber geschrieben hatte und so war sie für mich eine Art Schriftstellerkollegin und ich dachte, wir müssten uns doch gegenseitig unterstützen, aber sie sah das scheinbar anders. Ich fand das äußerst schade, denn ich schätzte sie sehr und so fristete mein e-book, dem ich den Titel „Vom Leben ohne Geld: Der Vagabundenblog“ gab und das ich dann bei scribd.com veröffentlichte – wahrscheinlich zu recht – bis dato ein Undercover-Dasein. Aber: Heidemarie Schwermer hat mich mit ihrer Lebensweise bleibend beeindruckt und inspiriert, es ihr – wenn auch nur für einen begrenzten Zeitpunkt – gleichzutun. Ohne sie wäre die geldlose Welt eine andere. Und jetzt fehlt nur noch eins: eine Zukunft des Planeten ohne Geld, damit alle Menschen in den Genuss kommen und dieses große Glück dauerhaft kennenlernen dürfen. Das würde ich der Erde und all seinen Bewohnern in naher Zukunft wünschen. Und Heidemarie Schwermer hat uns allen den Weg dahin geebnet, das Vertrauen zu haben, dass solch ein Leben möglich ist. Nicht nur für sie und ein paar wenige andere Leute allein, sondern für alle Menschen. Auf französisch würde ich sie „la grande dame de la vie sans argent“ nennen, zu deutsch (es etwas weniger poetisch) „die große Dame des Lebens ohne Geld“.
You’ll never walk alone
Auf dem Weg stand in einem Tunnel „You’ll never Walk alone“. Es regnete dann stark am nächsten Morgen, so dass ich erstmal langsam machte. Ein Kanadier kam als Letzter aus der Tür der Herberge und meinte, er wolle erst einmal einen Kaffee trinken gehen. Ich begleitete ihn und half ihm mit ein paar Plastiktüten aus, denn er hatte nicht einmal einen Regenschutz für seinen Rucksack. Er war gerade einmal vier Tage unterwegs und hatte nicht mehr sehr viel Geld.
„In Kanada habe ich alles verbockt. Ich habe das Gefühl, mein Leben ist zuende.“
„Dann ist der Jakobsweg genau das Richtige. Der kann Leben retten. Das war bei mir auch so.“ Es ging ihm dann besser und er lief dankbar weiter, während ich noch sitzen blieb und überlegte, was tun. Es kam dann ein Finne vorbei und erzählte, dass von drei Uhr nachmittags bis zum Abend das Wetter besser sein soll. Er würde auch noch warten. Ich erzählte ihm von der nächsten Herberge in etwa acht Kilometern Entfernung und er mir von der Bibliothek. So ging ich dorthin und entdeckte ein äußerst interessantes Buch über die verschiedenen griechischen Göttinnen, von dem ich ein paar Seiten las. Demnach trägt jede Frau eine oder mehrere Göttinnen in sich…
Ich unterhielt mich am Abend in der nächsten Pilgerherberge in einem Kloster nach dem gemeinsamen Abendessen noch ziemlich lange mit einer stark behinderten Frau, die auf dem Rückweg nach Frankreich war. Sie war von ihr Zuhause in der Mitte von Frankreich bis Santiago gelaufen und zurück. Sie erzählte mir, dass sie Schwierigkeiten mit der Art der Deutschen hätte. „Ich will nicht, dass man mir sagt, was ich machen soll,“ meinte sie.
Ich blieb mit ihr am nächsten Morgen noch in der Herberge und wir machten alles sauber. Danach erzählte ich ihr, dass ich den Eindruck hatte, dass manches Geld, das ich geschenkt bekam, mir immer wieder Unheil brachte.
„Du kannst dich entscheiden, nicht mehr daran zu glauben. Auch das, was wir glauben, können wir aufgeben. Denn was wir glauben, prägt unsere Realität. Du kannst dich jetzt entscheiden, an das Positive anstatt an das Negative zu glauben. Ich lasse manchmal Geld, das meine Mutter mir schenkt, einfach irgendwo liegen. Oder ich wasche es mit Spülmittel. Man muss nur aufpassen, dass es nicht wegweht beim Trocknen. Das Geld kommt ja vom Staat und ist dreckig. Man muss es erstmal säubern. Die Leute wollen manchmal einen Zaun um einen bauen. Es geht aber darum, ihn aufzulösen.“
Interessanterweise hatte ich genau dieses Bild in einem Traum, den ich in der Nacht hatte, nämlich, dass bestimmte Menschen eine Mauer um mich bauen wollten. Ich konnte gar nicht gut schlafen. Nicht nur wegen des intensiven Gesprächs mit ihr, sondern auch wegen des Lichtes, das den Notausgang markierte. Ihre letzten Worte bevor wir uns trennte waren:
„Es geht auch darum, dass wir in unsere Kraft kommen. Dass unser Stern in uns zum Leuchten kommt. Darum geht es.“
Ich lief dann bis zur Herberge, von der sie mir erzählt hatte. Sie war erst seit einem Monat geöffnet und von alternativ aussehenden Menschen geführt. Wir waren nur zu dritt: eine Französin im Rentenalter, eine Baskin, die an einer weiterführenden Schule arbeitete und ich. Die Baskin lud mich zum Abendessen ein und wir hatten eine nette Runde zusammen.
Als ich am nächsten Tag loslief, lief gerade ein Pärchen vorüber, dann traf ich auf zwei junge Lettländerinnen. In Gernika blieb ich in der Jugendherberge, was ich ursprünglich gar nicht beabsichtigt hatte, aber so konnte ich erkunden, um was es bei dem berühmten gleichnamigen Gemälde von Picasso ging. Ich fragte kurzerhand im Touristoffice, was es damit auf sich hatte und die Dame erzählte mir, dass damals Franco Hitler und Mussolini eingeladen hatte, um ihm im Bürgerkrieg beim Kampf gegen die Republikaner zu helfen. In Gernika wurden sozusagen seit Jahrhunderten die Gesetze fürs Baskenland gemacht und es war damit Symbol für die Demokratie, das Hitler damals vernichtet hatte.
„Die Deutschen haben damals schon von einem weiteren Krieg gesprochen und haben ihre Waffen und ihr Kriegsmaterial sozusagen ausprobiert. Heute ist der Tag der Museen, da sind alle Museen kostenlos und das Baskenmuseum hat bis zwölf Uhr nachts geöffnet.“ Ich zog los und schaute mir zwei von den drei empfohlenen Plätzen an. Das Parlamentsgebäude mit der berühmten 2015 neu gepflanzten Eiche und das Baskenmuseum. In ihm traf ich drei Brasilianerinnen, denen ich vom Jakobsweg und von meinem Leben erzählte und auch, an was ich heute gedacht hatte: „Mich haben als Kind schon die Straßenkinder in der Welt angesprochen, die ich in einem Buch sah, das meine Eltern hatten. Ich hatte schon als Kind ein Herz für sie. Als ich nach Brasilien ging, da habe ich mich immer gewundert, dass die Brasilianer zum Großteil arm sind, aber dennoch glücklich, während wir Deutschen alles haben, was man sich nur vorstellen kann und nicht glücklich sind. Ich habe sozusagen das eine gegen das andere getauscht und bin nun glücklich ohne viel zu haben.“ Sie gaben mir zum Abschied alle ihre Telefonnummern und e-Mails und luden mich zu sich ein, falls ich mal wieder nach Brasilien komme. Eine von ihnen wohnte in Bilbao, war aber erst wieder ab Mittwoch dort zu erreichen. Als ich zurück in die Herberge kam, wurde ich von Franzosen zum Abendessen eingeladen. Es wurde ein netter Abend.
Am Morgen wachte ich auf mit den Worten „passez fuego or run“ – „Brenne alles ab oder renne“. Ich stand auf, frühstückte rasch und verschwand. Nach circa fünf Kilometern kam eine Privatherberge mit einem zweiten Frühstück, wo viele wie auch ich Halt machten. Eine Deutsche saß bei mir am Tisch und regte sich auf, dass der Platz nicht in ihrem Reiseführer stand, obwohl er doch nur ein Jahr alt war.
Ich traf dann wieder die Franzosen vom vorherigen Abend und eine davon setzte sich in den Bus, der gerade an der Haltestelle stand, da ihr Fuß sie zu sehr schmerzte. Sie würde dann nach Hause fahren.
Im nächsten Ort saßen die beiden Franzosen vor der Herberge, die mich gestern zum Essen eingeladen hatten. Die Unterkünfte einen Ort weiter wären voll und so blieben sie hier. Ich wollte sowieso bleiben, hatte mir die Pilgerin im Kloster letzthin von dieser Herberge erzählt. Ich redete viel mit den Leuten, vor allem auch lange mit dem Hospitaleiro. Bei einem Gang durch den Ort containerte ich Brot und Obst. Es lief mir unter anderem „be you“ über den Weg.
„No excuse“ kam mir auf einem Pulli entgegen, dann stand „Black Magic “ vor mir am Bahnübergang, an dem gerade die Schranken runtergingen, als ich ankam.
Was mir sonst noch über den Weg lief war: „Dime que si“ – „sag ja“, „be a voice not an echo“- „sei eine Stimme und kein Echo“, „shoes speak louder than words“ – „Schuhe sprechen lauter wie Worte“, „live free, die young“ – „lebe frei, sterbe jung“, „desobedece“ – „sei ungehorsam“, „stay original and true“ – „bleibe originell und wahr“, „Peace“ – „Frieden“, „work on it“ – „arbeite daran“.
Dann sah ich ein ganz finsteres und furchteinflößendes Plakat.
Ich sprach, als ich mich einen Moment auf einer Bank ausruhte, mit einem Achtzigjährigen, der mir erzählte, dass er nicht gläubig sei. „Mein Vater war sehr katholisch gewesen und ihn hatten sie zur Zeit Frankos eingezogen und als Soldat im Bürgerkrieg eingesetzt. Meine Mutter war nicht religiös und ich bin es auch nicht. Hast du Angst, in die Hölle zu kommen?“ fragte er und danach „Bist du gläubig?““Eigentlich schon“. Er sprach weiter: “ Es gibt so viele Götter.“ Er zählte einige auf. Als ich ihm sagte, ich wisse jetzt gerade gar nicht genau, was tun, da sagte er: „Du bist im Zweifel! Das ist ganz schlecht. Das ist der Teufel, der einen im Zweifel sein lässt.“
Ich schloss mich zwei jungen Engländern an, um weiter zu gehen. So in der Nähe einer Großstadt war mir das sicherer, zumal ich am Vortag einmal alleine im Wald war und drei männliche Fahrradfahrer gekommen waren. Es war nichts passiert, aber mir war doch etwas unheimlich gewesen. Außerdem lagen überall in den Pilgerherbergen Flyer herum, was man tun solle im Falle eines Problems…
In Bilbao angekommen, gab es Plakate mit „El rey solo“ – „Der König allein“ und überall an den Laternenmasten prangte „El circo de los Horrores“ – „Der Horrorzirkus“, außerdem „don’t run, fly“ – „renne nicht, fliege“und „öffne dich der Welt“.
Im Hostal hatte ich schlecht geschlafen. Ich merkte, der Jakobsweg war für mich hier zuende. Um sechs Uhr morgens machte ich mich fertig und ging. Stieg in den Bus zum Bahnhof. Löste schnell ein Ticket und sprang in den nächsten Zug, der fünf Minuten später abfuhr. Dann fuhr ich zum Teil durch die Orte, durch die ich gelaufen bin. Ich sah Menschen mit schwarzen T-Shirts und Feuer darauf.
Weitere Worte des Tages:
„De vuelta en tu casa“ – „Zurück in deinem Zuhause“, „compatible“ – „kompatibel“, „Move on“ – „geh weiter“, „madness“ – „Wahnsinn“, „small steps“ – „kleine Schritte“, „apaga la luz y Enceinde tu Ahorra“ – „mach das Licht aus und entzünde deines jetzt“, ein T-Shirt mit einem Dinosaurier und den Worten „all my friends are dead“ – „alle meine Freunde sind tot“, „dernières opportunités“ – „letzte Gelegenheiten“, „Agissez sans attendre“ – „Handeln Sie ohne zu warten“.
Auf dem Pilgerweg
Ich saß dann lange am Strand und schrieb bis die Sonne unterging. „OBEY“ stand in großen Lettern auf einem T-Shirt, als ich am Morgen durch die Straßen l
ief. Dann: „THINK BIG – chaque pas conte“ – „DENKE GROSS – jeder Schritt zählt“. Als ich bei der Kirche vorbeschaute war gerade die Rede davon, dass Jesus niemanden bedrohen würde.
Auf einem kleinen Fotomarkt traf ich einen Photographen und Jakobspilger, der ausgerechnet aus dem Ort neben meiner geliebten Gemeinschaft kam.
Er erzählte mir, dass er schon als Kind zusammen mit seinem Vater zur Gemeinschaft gegangen wäre, um Brot zu kaufen. „Viele kommen dorthin, aber nur wenige bleiben. Bei uns im Ort gibt es einige Leute, die eine Zeit lang in dort waren und jetzt außerhalb wohnen. Sie sagen das nicht, aber es ist wahr, dass viele gehen. Und was machst du jetzt?“
„Ich weiß auch nicht. Ich fühle mich verloren. Ich habe meine Zukunft da reinprojiziert und jetzt ist alles geplatzt.“
Da ich wirklich nicht wusste, was tun, ging ich zu der Stelle, an der ich sah, dass eine kleine Wohnung zu vermieten war und nebenan Zimmer. Die Frau im Restaurant daneben bot mir an, die Vermieterin anzurufen und fluchs hatte ich ein Zimmer mit Bad, das ich billiger bekam wie normal. Es waren noch zwei kanadische Paare da, mit denen ich mich am abend angeregt unterhielt. Und sass dann im Garten, las im GEO-Heft und schrieb.
„Activez votre force intérieur“ – „Aktiviert Eure innere Kraft“ stand auf einem Plakat. „Losermachine“ stand auf dem Pulli des Verkäufers neben mir. Genauso kam ich mir auch vor. Aber ich hatte irgendwo gelesen, dass es im Silicon Valley geradezu eine Kultur des Verlierens gab, denn nur, wer verloren hätte würde irgendwann einmal gewinnen.
Das Leben half mir wieder, um über meine Verluste hinwegzukommen. Ausserdem lief mir noch „Keep your love“ und „Envia de Ganghar“ – „Lust zu Gewinnen“ über den Weg.
Es war gerade Markt und ich sammelte ein wenig Obst und zwei Brote auf und kam mit zwei Leuten ins Gespräch. Die Frau erzählte, dass ihre Eltern politisch Verfolgte in Spanien waren und sie dann nach Frankreich gekommen sind. „Ich selbst habe beide Staatsbürgerschaften.“
Als ich von der Gemeinschaft erzählte, wurde sie total neugierig. „Ich bin katholisch erzogen und mit allem, was nach Sekten aussieht, bin ich vorsichtig.“ Der Mann ließ verlauten, dass er vor zweiundzwanzig Jahren bei ihnen gewesen ist und sie ihn rausgeschmissen hätten. Wir stellten fest, dass wir drei etwas gemeinsam hatten und das war, die Wahrheit zu sagen. „Manchmal darf man nicht die Wahrheit sagen“, meinten sie beide einhellig.
„Meine Schwester bleibt bei ihrem Mann, nur damit sie ein Dach über dem Kopf, zu Essen und Kleidung hat. Das wäre nichts für mich. Ich bin da anders. Ich habe mich von meinem Mann getrennt, aber ich habe vier wunderbare Kinder, die jetzt alle Anfang bis Mitte zwanzig sind.“
Sie fuhr mich dann noch zum billigen Kleiderladen, der jedoch an dem Tag ausnahmsweise geschlossen hatte und danach ließ ich mich zu einer günstigen Herberge bringen, wo ich eigentlich nur fragen wollte wie es wäre mit einer Übernachtung, aber erst hieß es, sie wären komplett ausgebucht und eine Minute später gab er mir doch ein guenstiges Zimmer. Er käme am nächsten Morgen zum Abrechnen.
„Es ist doch normal, dass man an seinem Leben hängt,“ las ich auf einem Video in der Bücherei, in der ich mich jedoch nicht lange aufhielt, weil sie fuer meinen Geschmack zu klein war. „Enjoy the Summer“ hieß es.
Am Abend traf ich nochmal den Mann, mit dem ich mich am Marktplatz unterhalten hatte und die Dritte im Bunde kam auch gerade mit dem Auto vorbei und hielt an. Sie wurde aber gleich von jemandem angerufen und unterhielt sich kaum noch mit uns. Und er wiederholte immer wieder das Gleiche: „Das Geld hat die Menschen verdorben.Das Geld hat die menschen verdorben. Das Geld hat die Welt zerstört. Das Geld hat die Welt zerstört.“ Er hatte recht. Wir liefen zusammen zum Hafen.
„Hier am Hafen kann man zuschauen wie die Fischer ihre Boote ausladen. Das kann man sonst nur in Spanien oder viel weiter noerdlich von hier sehen. In Spanien bekommen die Leute fürs Fischen viel mehr finanzielle Hilfe als in Frankreich.“
Wir liefen zusammen zum Ausladedock, aber es war leider gerade kein Fischerboot da.
In den Kirchen, in denen ich war, stand an den Stellen, an denen man die Kerzen aufstellt das Gebet „Herr, vergib mir meinen Stolz, meinen Egoismus und jegliche Unreinheit.“ Stolz und Egoismus, zwei wichtige Stolpersteine auf dem Weg…
In der Pilgerherberge war ein bärtiger Spanier, der ein T-Shirt mit der interessanten Aufschrift „Töte lieber die Dinge, von denen du abhängig bist bevor sie dich töten“ trug. Ich sprach ihn darauf an.
„Das ist ein Spruch von Arnold Ehret, einem deutschen Naturheiler, mit dem ich mich geheilt habe. Ich habe 42 Kilo mehr gehabt wie heute und Tabletten gegen alles genommen, den ganzen Tag nur gesessen bei der Arbeit und mich ganz schlecht ernährt. Und jetzt ernähre ich mich gesund mit viel Obst und Gemüse und nehme keine einzige Tablette mehr.“ Er zeigte mir Fotos von sich von früher und heute. Er war ein ganz anderer Mensch. Und so begeistert von der Methode von Arnold Ehret und anderen deutschen Naturheilkundlern, die vor allem ueber Fasten, Desintoxikation und eine gesunde Ernährung die Leute heilen, dass er vor Begeisterung und Enthusiasmus nur so sprühte. Ich hatte von dem 1922 verstorbenen Arnold Ehret noch nie gehört. Beim Frühstück unterhielten sich ein paar Deutsche über ganz spezielle Pilger: „Es gibt Pilger, die sehr schnell laufen, um vor sich selbst wegzurennen“.
„Gib immer das Beste von Dir und das Beste wird zu dir kommen “ war auf dem Display einer Häuserwand zu lesen. Auf einem Bus war eine Königin mit einem Totenkopf abgebildet. Hinter sich hatte sie ein Schwert, mit dem ein Herz durchbohrt war.
„Es gibt magische Könige. Und Königinnen?“war die Frage auf einer Tasche einer jungen Frau. Da die Geschäfte noch geschlossen waren, setzte ich mich in ein Café. „… to start again“. Dann kaufte ich mit dem Geld, das mir meine Mutter geschenkt hatte groß ein: einen neuen Rucksack, einen Schlafsack, eine Unterlegmatte… Doch als ich herauskam, setzte ich mich auf die Bank und dachte, lieber wäre ich bei der Gemeinschaft. Und plötzlich sah ich ein Auto von ihnen ganz langsam in der Nähe vorbei fahren, aber ich schaute weg und versteckte mich hinter meinem Hut. Dann kamen sie zurück und fuhren ganz langsam. Ich schaute nur zu und schaffte es nicht, zu reagieren. Ich war wie paraysiert. Dann war ich todtraurig darüber und wartete, aber sie kamen nicht wieder. Da wusste ich, dass ich einen weiteren riesigen Fehler gemacht habe. Statt ihnen zu winken hatte ich mich versteckt. Und das, genau nachdem ich Geld von meiner Mutter für eine neue Ausrüstung ausgegeben hatte!
Entsprechend negativ verlief der restliche Tag.
Mir kam ein Auto mit Totenköpfen entgegen, ich fand den Weg nicht und als ich in einen Laden ging, um einige meiner Papiere zu scannen, da fehlte mir richtig der Kopf, mich darum zu kümmern. Noch dazu erzählte der Betreiber des Ladens von jemandem, der wenn er anhielte, sterben müsse. Ich glaubte, das das auch auf mich zutraf. Und wo vorher ständig LOVE auf den T-Shirts stand, las ich jetzt ein MOVE. Und „go further“. So ging ich aus der Stadt heraus. Schon bald nachdem ich die Stadt hinter mir gelassen hatte, hielt ein Auto neben mir an und die Leute fragten mich wo ich übernachten würde.
„Fragen sie doch bei dem Haus da unten, denn danach kommt nichts mehr“, schlugen sie vor. So tat ich das dann auch. Und siehe da, nach einiger Zeit, die der Kfzmechaniker sich mit mir unterhalten hatten, lud er mich ein, in seinem Büro zu übernachten.
Dann kam seine halb vietnamesisch-halb baskische Tochter zu mir, um mit mir Englisch zu lernen. Schließlich luden sie mich zum vietnamesischen Abendessen ein. Es gab gefüllte Teigtaschen. Sie wurden nach und nach am Tisch zubereitet und sehr lecker. Noch dazu hatte ich noch nie vietnamesisch gegessen.
Ich wachte um drei Uhr auf und konnte nicht mehr schlafen. Zum Glück schaute ich ins Internet und da stand „Hinfallen, Aufstehen, Weitermachen“, denn ich war wirklich total unglücklich über den Lauf der Dinge. „Die Hoffnung stirbt zuletzt „, hatte der Ladenbesitzer, bei dem ich Papiere einscannen wollte noch gesagt. Am Morgen hörte ich jemanden „alles wird gut“ sagen und ich hatte jetzt zum wiederholten Male festgestellt, dass genau wenn das jemand sagt, die Katastrophe nicht weit entfernt ist.
Ich lief dann durch die Hügellandschaft und entdeckte ganz zufällig einen Cromlech, an dem ich längere Zeit verweilte.
Ich lief bis zu einem grösseren Ort, aber statt weiter auf dem Jakobsweg entlangzulaufen nahm ich den Fahrradweg, der zu einem Ort mit Pilgerherberge führte.
Das wäre alles ok gewesen, hätte ich nicht den falschen Hügel erklommen. Ein paar Männer auf einer Bank fragten, wo ich hinwolle und sie empfahlen mir, einen Bus zu nehmen. Schließlich fuhr mich einer von Beiden mit dem Auto zur Pilgerherberge. Ich bekam einen Platz im Keller, da schon alle Plätze belegt waren und konnte die neue Unterlegmatte einweihen. Der Hospitaleiro war von mir total begeistert. „Du bist glücklich“. „Stimmt, aber nur weil ich bei der Gemeinschaft war, die hier oben auf dem Hügel ist.“ „Aber du bist gut angezogen.“ „Meine Mutter hat mir Geld gegeben und das T-Shirt habe ich eben für einen Euro in einem Second Hand Laden gekauft.“
„Wo ist denn ein Second Hand Laden? Ich wohne hier und habe noch nie einen gesehen.“ Ich erklärte ihm, wo der Laden war und er meinte wir müssten jetzt ins Bett.
Aus Frankreich hatte ich ein Papier von einem Verein Terre solidaire (solidarische Erde) mitgenommen, auf dem stand, wie man ein verantwortungsvoller Bürger werden kann: Zuhören, Verstehen, Hoffen, Glauben, Getrauen, Handeln, Feiern. Klingt doch ganz einfach, oder?
In der nächsten Stadt traf ich einen Chilenen. Er fragte nach Heilung. Ich gab und erzählte ihm etwas von Bruno Gröning und diverses andere wie basische Ernährung, Bewegung und Glauben an Gott, was er gar nicht so gerne hören wollte. Er zeigte mir einen Rahmen mit buntem Sand, der sich bewegte, wenn man ihn schüttelte. Er hatte ihn gefertigt, um ihn zu verkaufen. „Das habe ich vor dreißig Jahren auch schon gemacht. Ich wollte es verkaufen. Ich brauche Geld, um mir etwas zu Essen zu kaufen.“ Ich erzählte ihm von einer günstigeren Variante, um an Essen zu kommen, dem Containern. Er meinte, er wäre ein ehrlicher Mensch. Aber er hatte Tränen in den Augen, als er von seinen Kindern erzählte, die er gerne sehen würde und nicht kann, weil das Ticket, um nach Chile zu fliegen zu teuer ist.
Als ich an dem Platz ankam, wo ein eifriger Jakobspilger Wasser aufgestellt hat und auf den ich mich schon freute, da ich ihn schon kannte, hielt ich an und fragte den Pilger nach einer Karte. Er empfahl mir den Weg von Sevilla aus, die Via de la Plata, aber im Oktober. Sonst wäre es zu heiß.
Als ich zurück an die Wasserstelle ging, war dort ein Deutscher, wie an seinem T-Shirt zu erkennen war, das auf einen speziellen Lauf aufmerksam machte, den er selbst mitgemacht hatte. Wir liefen zusammen weiter und tauschten uns über alle möglichen Sachen aus. Er war Veganer, war schon viel mit dem Fahrrad unterwegs gewesen und jetzt zum ersten Mal von zu Hause aus auf den Jakobsweg gegangen. Am 1. April war er losgezogen und nur einen kleinen Teil getrampt. Er schlief fast immer im Zelt.
Wir liefen etwa 27 km zusammen und schliefen auf einem Grundstück mit Obstbäumen neben einem Hühnerstall. Ich baute mein Lager neben seinem Zelt auf und profitierte von seinen Zeltstangen, an denen ich meinen Regenumhang zu einem Zelt umbaute. Ich schlief auch wirklich gut.
Wir hielten bei einem Wohnmobil mit Hamburger Kennzeichen an, der mit seinem frisch ausgebauten Wagen auf einem Platz stand.
Er war ein Familienmensch, der seinen Job als Operationsassistent in einem Krankenhaus drei Jahre nach seiner Ausbildung hingeschmissen hatte und jetzt erstmal nach Portugal fuhr. Wir unterhielten uns über alles mögliche. Peter erzählte aus seinem Leben als Veganer, das er seit zwei Jahren war. Zum Abschluss meinte Henning: „Ich weiß noch nicht, wie lange ich es ohne meine Familie aushalte. Für mich ist es wichtig, da zu sein, wenn mich die Leute brauchen. Entscheidend ist auch, die Leute nicht zu belehren.“
Und ich erzählte Peter fast mein gesamtes Leben innerhalb kürzester Zeit. Er war ein guter und geduldiger Zuhörer. Und er hatte mir auch eine Geschichte von einem Mann in seiner Heimatstadt zu erzählen, den er einmal kennengelernt hatte.
„Als ich ihn zum ersten Mal sah, machte er den Eindruck, als wäre er ein Penner, dabei war er durch eine Erbschaft reich geworden. Ich hatte ihm damals viel geholfen, war mit ihm überallhin gegangen, zum Notar und zum Rechtsanwalt. Ich war wie ein Sohn für ihn gewesen. Er hat sogar ein Testament gemacht, in dem ich alles erben soll, da er ja keine Kinder hat. Doch plötzlich hat er Angst bekommen wegen seinem Bruder, mit dem er irgendwie zerstritten war. Und er hatte das Gefühl, dass dieser ihn über den Tisch ziehen wollte. Deshalb nahm er sich einen Rechtsanwalt, um sein Erbe zu erhalten. Aber irgendwann tauchte er bei mir auf, weil er Angst hatte, in der teuren Eigentumswohnung seiner Mutter zu schlafen. Ich habe ihn noch ein paar Tage beherbergt, aber dann wurde es mir zu viel. Er war auf einmal verschwunden und wollte aber, dass ich mich jeden Tag bei ihm melde. Aber irgendwann habe ich ihn nicht mehr erreicht und auch nichts mehr von ihm gehört. Bei dem ganzen Zeug habe ich gemerkt wie schwierig es ist, in manchen Fällen an sein Erbe ranzukommen. Ohne Rechtsanwalt ist das kaum möglich.“
Wir wollten dann nach etwa 25 km auf einem Berg schlafen, wo es eine Überdachung an einer Hermitage gab, die mir Schutz hätte geben können im Falle, dass es regnet. Es kam aber alles anders. Erst kam ein Mann mit einem Hund vorbei, der zu schauen schien, was hier so vor sich geht. Und danach kam ein Typ mit Karacho mit einem schwarzen Wagen angeschossen und hielt unweit von mir an. Mir war sofort Angst und Bange. Dann drehte er nochmal ganz aggressiv eine Runde auf dem Platz, auf dem ich auf einer Bank saß. Schließlich stieg er aus und machte Photos von seinem Auto bevor er sich hinstellte und eine Zigarette rauchte. Ich hatte die ganze Zeit dermassen Angst, dass ich zum Zelt ging und meinen Mitpilger bat, umzuziehen, obwohl er schon „im Bett“ lag. Er packte alles zusammen und wir liefen kurz vor Einbruch der Dunkelheit weiter. Zum Glück war nur ein Stück weiter eine Herberge und wir durften auf dem Grundstück gegenüber Zelten.
„Das war die Polizei in Zivil“, klärte uns die Frau in der Herberge auf. „In Spanien ist wild campen verboten. Die machen Fotos, um Strafzettel zu verteilen. Aber bei mir seid Ihr beschützt.“
Wir waren glücklich, diese Möglichkeit gefunden zu haben und ich fühlte mich wirklich beschützt. Ich baute mir wieder ein Zelt hinter seinem, indem ich von seiner Zeltstange profitierte. Diesmal wurde es schon besser als beim ersten Mal und ich schlief auch super.
Wir wanderten am naechsten Tag wieder die meiste Zeit zusammen, aber auch mal alleine für eine zeitlang. In einem Ort setzten wir uns in ein Café. Ein Mann auf der Straße zeigte uns die Herberge auf Spendenbasis und einen Supermarkt, wo wir uns eindeckten. Als wir weitergingen, merkte ich, dass es für mich nicht stimmte, weiterzulaufen. Es fing auch leicht an, zu regnen. Er wollte noch acht Kilometer weitergehen bis zu einem Kloster. So verabschiedete ich mich und ging in die Herberge.
Ich wachte auf mit dem Gedanken, mit deutschen Männern deshalb oft Schwierigkeiten zu haben, weil sie einen einfach übergehen. Einen nicht fragen, ob etwas ok für einen ist. Weil sie sich oftmals nicht in einen einfühlen, sprich nicht einfühlsam sind. Weil sie einen dazu zwingen wollen, etwas zu tun, was man nicht will. Was zwar auch bei Menschen in anderen Ländern passieren kann, aber doch weitaus seltener der Fall ist. Ich merkte umgekehrt also, wie wichtig es ist, andere Menschen zu fragen, ob etwas ok für sie ist – anstatt sie zu übergehen.
Born to be free
Ich verbrachte einen Nachmittag im Jugendinfozentrum, wo ich ins Internet gehen konnte und mit einer Mitarbeiterin sprach, die gehbehindert war und den Jakobsweg mit einem Pferd gemacht hat. Es muss allerdings sehr beschwerlich gewesen sein, nach dem, was sie so berichtete. Dann nahm ich den Bus und fuhr zwei Orte weiter. Beim Herumstreifen sah ich eine sympathische Frau an einem Fenster stehen, das ich eigentlich fotografieren wollte und wir begannen, uns zu unterhalten. Sie kam herunter und führte mich durch Gassen, die ich noch nicht kannte und zeigte mir den Botanischen Garten, den ich bisher auch noch nicht entdeckt hatte, obwohl ich schon ein paar Mal für einige Tage in der Stadt gewesen war. Nur zum Übernachten wusste sie keine Lösung.
„Wir selbst leben zu sechst auf fünfzig Quadratmetern. Das ist das einzige, was etwas stört, aber ich bin so dankbar, dass wir seit einem Jahr hier wohnen.“
Ich fragte dann verschiedene Personen, ob sie wüssten wo ich übernachten könnte und schließlich sagten mir ein paar junge Leute, ich solle beim Inder fragen. Und siehe da, ich wurde von den Indern, die einen Schnellimbiss hatten eingeladen, in dem Apartment obendrüber zu übernachten, in dem einer der Beiden wohnte. Ich hatte ein ganzes Zimmer für mich und war glücklich.
Am nächsten Morgen zog ich mit Sack und Pack los und ging in den Botanischen Garten, wo ich ins Gespräch mit einem älteren Pärchen kam, denen ich begeistert von meinem Leben erzählte, worüber sie sich sehr freuten. Dann fand ich in einem Gebäude einen Flyer, in dem jemand von seinem total veränderten Leben durch Jesus Christus erzählte und ich wollte mal zu der Gemeinde gehen, auf der im Flyer hingewiesen wurde. Dabei kam ich in einer sehr interessanten Straße vorbei, in der es ein paar schöne alternative Läden gab.
Ich sprach spontan einen Typen an, der mit seinem Laptop in einem Straßencafé saß. Er arbeitete für einen Verein, der in Schulen Wissen über Bienen an die SchülerInnen verbreitete. Er lud mich zu einem Kaffee ein.
„Wir sind alle auf dem Weg“ sagte er, nachdem ich ihn vom Jakobsweg erzählt hatte, den er auch mal ein Stück weit in Frankreich gegangen war und zwar von Le Puy bis Conques. „Ich habe damals gezeltet. Und hatte sogar einen Kocher dabei, um mir etwas Warmes zu kochen.“
Danach kam ich an einem Second Hand Laden vorbei und kaufte mir einen Bikini, um an den Strand und ins Meer gehen zu können. Die Frau erzählte mir ebenfalls ganz begeistert von der Region, in der sie schon fünfzehn Jahre wohnte. Auf dem Land wären die Leute sehr verschlossen. Man bräuchte viele Jahre, damit sie sich öffneten. „Wenn sie sehen, dass man sein Haus baut und sich über Jahre hin korrekt verhält, dann akzeptieren sie einen irgendwann mal.“
Ich überlegte, wo ich übernachten könne und fragte mal bei der Pilgerherberge nach, obwohl ich ja schon aufgehört hatte zu Pilgern. Ich durfte bleiben, musste meinen Rucksack jedoch im Eingangsbereich stehen lassen wegen der Gefahr von Bettwanzen. Es war noch ein Australier zu Gast.
Er erzählte uns beim Abendessen, er wäre zwei Mal verheiratet gewesen.
„Ich habe nie in meinem Leben etwas bereut. Als ich aufgehört habe, bei der Navy zu arbeiten, habe ich meine erste Frau kennen gelernt und Kinder bekommen.“
Später unterhielt ich mich noch mit einer Kalligraphin, die neben weiteren Menschen einen Stand mit ihrer Kunst im Kreuzgang der Kathedrale hatte.
„Wenn etwas nicht geklappt hat in meinem Leben, dann war es nicht das Richtige oder es war nicht der richtige Zeitpunkt. Das ist doch klar. Du bist einfach ein freier Mensch. Das Ziel deines Lebens ist es, frei zu sein. Wenn dir jemand die Freiheit nehmen will, geht das für dich nicht. Man kann einen freien Vogel nicht in einen Käfig sperren. Und es gibt Käfige aus Gold, die auf Vögel warten, um sie in sie reinzustecken.“
Wir unterhielten uns über den Tod. „Der Tod ist nur eine Passage“, meinte sie. „Wir machen alle Fehler. Aber Gott ist barmherzig“.
Am nächsten Tag war mein Geburtstag. Unsere Gastgeberin fuhr mit dem Australier und mir zum Strand, um im Meer zu baden. Es war herrlichstes Wetter. Danach fuhren wir zum Leuchtturm, um die herrliche Aussicht zu genießen und anschließend zum Hafen, um dort in einem der kleinen Restaurants einen Kaffee zu trinken. Anschließend gingen wir noch zum besten Eismann der Welt ein Eis essen bevor ich am Abend zum Essen eingeladen wurde. Es war insgesamt ein wundervoller Tag, über den ich selhr glücklich war. Beim Abendessen waren neue Pilger dabei und die Franzosen waren wie immer sehr begeistert, wenn ich von meinem Leben und meiner doch etwas außergewöhnlichen Lebensweise erzählte. Immer wenn ich gerade dabei war, mir zu überlegen, ob ich daran nicht etwas ändern wollte, da meinten sie, das wäre doch so toll, was ich da für eine Art zu Leben gefunden hätte und das sollte ich doch auf jeden Fall weitermachen! Es war ein älterer Herr aus Paris dabei, der mich zu sich einlud, falls ich mal in der Gegend sei und auch wenn ich etwas bräuchte zum Überwintern. Er war ein Polizist und so wie ich es verstanden hatte bei der Truppe, die bei Demonstrationen im Einsatz waren. Aber das Schöne am Jakobsweg ist ja, dass ganz egal ist, was jeder macht. Alle sind darauf gleich. Hier der Australier mit meiner überaus freundlichen Gastgeberin:
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Worte, die zu mir kamen:
„Reste libre“ – „Bleibe frei“, „indesise“ – „unentschlossen“,
„Vivez votre passion“ – „Leben Sie Ihre Leidenschaft“, „On ne laisse pas un bébé a un coin“ – „Man lässt kein Baby in einer Ecke“, „go where you have never been“ – „Geh wo Du noch niemals warst“, „gloire à nos illustres pionniers „- „Glorie unseren illustren Pionnieren“, „vaincu parfois – soumis jamais“ – „manchmal geschlagen, niemals untergeben“, „for life – Honor and glory“ – „Für das Leben – Ehre und Glorie“, „Stay here and keep cool“ – „bleibe hier und sei cool“, „Break the rules now“- „Breche jetzt die Regeln“, „Heartbreaker“- „Herzensbrecher“, „rules are made to be broken“ – „Regeln sind dazu gemacht, um gebrochen zu werden“, „don’t worry“ – „keine Sorge“, „stranger, be the unexpected“ – „Fremder, sei der Unerwartete“, „Warning! free Soul!“ – „Warnung! Freie Seele“, „Just Do it“ – „Tu es einfach“, „Do Love“- „Liebe“.
Am nächsten Tag zog es mich wieder nach Spanien. Ich ging am abend zur Jugendherberge, wo mich ein Mann mit großem Lächeln empfing. Er hätte keinen Platz, aber ich könne in die andere Herberge gehen, die am anderen Ende der Stadt ist. „Ich selbst laufe in einer Stunde runter. Dann können wir zusammen gehen. Es gibt vielleicht sogar einen Bus, der noch zur Herberge fährt“, sagte er.
Ich schrieb ein wenig bis wir zusammen losgingen. Und erzählte ihm von der Gemeinschaft in der Nähe.
„Ich war nur mal kurz für zehn Minuten in der Gemeinschaft, um ein Brot zu kaufen. Ich könnte das nicht, meine Freiheit total aufgeben. Ich bin da wie du“, meinte er. „Morgen früh stehe ich um fünf Uhr auf. Ich habe nämlich noch einen anderen Job. Aber komm morgen Abend nochmal vorbei, dann können wir weiter miteinander reden. Ich kann dich leider nicht zu mir einladen, denn bei mir ist ein riesiges Chaos.“
„Cuidate – estas donde estas“- „Pass auf dich auf – egal wo du bist“ stand auf dem Getränkeautomaten in der Universität, in der ich mir am nächsten Morgen erstmal ein paar Kaffees leistete. Weitere Worte des Tages: „Run Hard, Win BIG“, „Chance to Change“, „Love is a battle „, „Too much luggage“, „inspiring „, „Lost without you“, „Lost“, „please wait here – whatever you think, think the opposite“, „make your Dreams happen“, „don’t care“, „imagine another reality“, „keepers of the faith“, „a different story“, „destiny“, „obey“, „thoughts“, „run“.
An der Strandpromenade sprach ich mit einer Dame, die auf einer Bank saß und gerade dabei war, ihre Kleider zu nähen. Sie hatte nur ihren schwarzen BH an und einen Rock und meinte gleich, ihr Kopf wäre nicht ganz in Ordnung. „Ich habe fünfzehn Kilo abgenommen die letzte Zeit. Jetzt sind meine Kleider zu groß. Ich nähe sie enger.“ Wir unterhielten uns eine ganze Weile. Sie hätte mich gerne zu sich eingeladen, aber sie bekam Besuch von ihrer Enkelin und ihrer Tochter. Ich lief nachdem ich ich von ihr verabschiedet hatte die Strandpromenade entlang und sah diverse Straßenkünstler auf dem Weg.
An der Altstadt angekommen sah ich jemand mit einem T-Shirt und den Worten: “ the big waves try to knock you down „. Kurz danach fühlte ich einen Stich im Herzen. Ich wusste nicht, was tun. Sah Leute, die auf der Straße leben. Dann lächelte mich plötzlich jemand an und sagte : „Hallo!“ Er kannte mich von der Gemeinschaft, in der er letztes Jahr zur gleichen Zeit wie ich zu Besuch gewesen war. Ich erzählte ein bisschen aus meinem Leben und er aus seinem, dann lud mich seine Freundin ein, bei ihnen zu übernachten. Wir kauften noch ein, aber als wir in den Bus stiegen, um zu ihr zu fahren, hatte ich das komische Gefühl, als ob irgendwas nicht stimmen würde. Als wir angekommen waren, machte Sam uns etwas zu Essen und sie fragte mich nach meinem Campingbus, von dem ich ihr erzählt hatte. Ich erinnerte mich an die Situation, die ganz ähnlich war wie jetzt. Ich war damals nämlich, nachdem ich meinen Bus weggegeben hatte zur Gemeinschaft zurück gefahren, obwohl ich ganz deutlich das Gefühl hatte, dass es nicht das richtige gewesen war. Jetzt war es genauso. Ich war mit den Beiden mitgegangen, obwohl ich den Eindruck hatte, dass es nicht das richtige gewesen war.
Wir sprachen viel vom ‚in Löcher fallen‘, weil auch ich wieder in eines gefallen war. Sam zitierte das buddhistische Sprichwort „Du siehst ein Loch in der Straße und fällst hinein und brauchst Ewigkeiten, um wieder hinaus zu kommen….“. Ich weiß nicht, wer meiner werten LeserInnen den Spruch kennt. Ich habe ihn im Internet gesucht, um ihn hier wiederzugeben, aber leider nicht gefunden. Aber es geht darum, dass man immer wieder in die selben Löcher fällt bis man eines Tages eine andere Straße nimmt. Wir sprachen auch vom ‚Sich Verloren-Fühlen‘.
„Wir müssen uns verlieren, um uns zu finden“, meinte meine Gastgeberin. Und:
„Es ist wichtig, die Dinge zu würdigen, die wir haben“. „Interessant, das war auch immer meine Botschaft in den letzten Jahren gewesen, die ich den Leuten vermitteln wollte,“ gab ich zurück.
Es waren auch wieder Botschaften da, dass sich alles zum Besseren wenden kann. „Create your own reality “ zum Beispiel.
Am nächsten Tag gab es einen Kleidertauschmarkt in einem Park in der Nähe, in dem es auch eine Bibliothek zum Thema Umwelt gab. Auf dem Weg dorthin fand ich eine ganze Reihe von Klamotten, die sie netterweise annahmen. Man bekam Gutscheine für die abgegebenen Kleider, für die man sich andere Sachen mitnehmen konnte. Ich suchte mir einiges aus.
„Wer reanimiert Cathy?“ lautete eine Frage im Internet, in dem ich ein wenig surfte, als wir wieder zurückkamen. Und so fühlte ich mich auch. Dass ich eine Reanimation bräuchte.
Ich legte mich hin bis Moni zu mir bedeutete, dass sie mich gerne sprechen würde. „Mir wäre es lieber, wenn Du jetzt in eine Herberge gehst, bevor es mir zu viel wird. Wenn Du allerdings absolut nichts findest, kannst Du wiederkommen.“
So ging ich los. Statt nach Frankreich zurückzufahren, ging ich in Richtung der Jugendherberge, die ganz in der Nähe war. Auf dem Weg stand „cero dinero“ – „null Geld“ und „compatible contigo“ – „kompatibel mit dir“. Ich stand unschlüssig an der Straße, die zur Herberge führte. Da hielt ein Mann an. Er sagte: „Ich beobachte Dich jetzt schon seit zwei Tagen. Wo willst du hin?“
Ich erklärte ihm ein bisschen meine Situation und er fuhr mich den Berg hinauf zur Herberge. Und traf dort auf Deutsche aus dem Osten, mit denen ich erst einmal redete. In meinem Zimmer war ebenfalls ein älteres deutsches Paar, mit denen ich mich lange unterhielt. Die Frau hatte ein Buch von Thích Nhất Hạnh dabei. Sie hätten das Kloster des vietnamesischen buddhistischen Mönches einen Tag lang besucht. Es sei in der Nähe von Bordeaux. „“Für einen Tag kann man einfach hinkommen. Wenn man länger dableiben will, dann muss man sich vorher anmelden.“
Ich las dann noch fast das gesamte Buch von Thích Nhất Hạnh an dem Abend, was mir sehr gut tat, denn es ging auch viel darum, seine Gedanken zu positivieren und seine Eltern mit einzubeziehen.
Es tat mir auch sehr gut, mit den beiden zu reden. Sie hatte scheinbar viel Erfahrung mit dem Familienstellen, dem ich selbst etwas spiespältig gegenüberstand, da ich es vor vielen Jahren ausprobiert hatte und es mir nicht den gewünschten Erfolg gebracht hatte. Es kommt ja aus dem Schamanismus und von meinen Erfahrungen her war Schamanismus so etwa wie Kosmetik. Obwohl mal ein mongolischer Schamane auf einer Veranstaltung sagte: „Jesus war der größte Schamane“, was ich ihm gar nicht absprechen möchte.
Ich spazierte danach durch die Stadt, lief an einem „unverpackt“-Laden vorbei bis ich entdeckte, dass die Bibliothek bis halb neun offen hat, so dass ich sie noch nutzen konnte. Dann kam ich irgendwie auf die Idee zu telefonieren und antwortete auf ein paar Anzeigen von Zimmerangeboten. Mir hatten nämlich ein paar Leute gesagt, ich solle mir doch ein Zimmer nehmen. So rief ich bei verschiedenen Leuten an und ein Zimmer war noch frei, das ich mir anschauen ging. Doch schon davor wurde mir klar, dass es nicht das richtige ist. Es gefiel mir überhaupt nicht und die Leute waren ganz und gar nicht mein Fall. So sprach ich einfach am abend beim Herumlaufen zwei Frauen auf der Straße vor einer Bar an. Da kam ein wunderschön aussehender Typ angesprungen und fragte, ob ich etwas suche zum Übernachten. „Ja“, antwortete ich. „Laden wir sie ein?“ fragte er seine Partnerin. „Laden wir sie ein!“ Er nahm meinen Rucksack und wir liefen zusammen die paar Meter zu ihr nach Hause. Sie wohnten im neunten Stock und führten mich auf den Balkon mit einem wundervollen Blick über die Stadt. Dann räumten sie fast den gesamten Kühlschrank aus und stellten diverses Obst vor mich hin. Am Ende gab es noch Käse mit Brot. Er gab mir ihre Telefonnummer und ich könnte gerne wiederkommen, wenn ich noch länger bliebe, nur am nächsten Morgen hätten sie ein Treffen mit der Familie, deshalb müsse ich früh aufstehen. „Aber wir frühstücken noch zusammen.“ Interessant war, dass sie die Toilette offen ließen, wenn sie sie benutzten. „Wir sind natürlich. Wir machen die Badezimmertür nie zu. Sie ist immer offen.“
Sie weckten mich am Morgen, ich frühstückte mit ihnen, wusch mir meine Haare und ging dann in die Bibliothek nachdem wir uns voneinander verabschiedet hatten. Dann kam im Laufe des Tages:“GO!“, „Was macht du noch hier alleine?“, „Wenn du die Tür zur Hölle erstmal geöffnet hast, musst du ein Opfer bringen“, ein Bild vom Paradies und „es ist gut, sich mit den anderen
verbunden zu fühlen, auch wenn man 4000 Kilometer entfernt ist“, „Adventure“ – „Abenteuer“, „please, don’t go, I need your love“ – „Bitte gehe nicht, ich brauche deine Liebe“, „rebel – disciples of the road“ – „Rebell – Jünger der Straße“, „Lucky ones“, „Tourist go home“, „Friday is a good day“, „Mi madre merece todo“ – „Meine Mutter verdient alles“, „remember, believe in yourself „, „find me“, „a true love story never ends“,“do not agonize – organize“, „super capricieuse“ – „super eigenwillig“, „Do what you want“, „you are Close to the realization of your dreams“, „stay cool, stay rock“, „choose happiness“, „temple de entusiasme“, „revival“, „Training Forever“, „El viaje perfecto“, „El Equipo perfecto“, „la Adventure perfecta“ – „die perfekte Reise“, „das perfekte Team“, „das perfekte Abenteuer“,“Under Control“.
Ich traeume immer noch von einer Welt ohne Geld. Das merke ich, wenn ich einen Kaffee bestelle und ihn zahlen muss. Wäre doch schön, keiner müsste mehr seinen Kaffee bezahlen. Ich merke, es geht darum, die Dinge zu akzeptieren, die man nicht ändern kann. Es rennen ganz viel Leute mit Totenköpfen umher. Ich erinnere mich, dass in dem Buch von Thích Nhất Hạnh davon die Rede war, nicht auf Zeichen zu achten genau wie es auch im Neuen Testament geschrieben steht…