Du musst dein Leben ändern

So stand es letzt in grossen Lettern an einem Schaufenster just als ich vom Containern um die Ecke bog und mit Freude Gemüse gefunden hatte. Wenn ich beim Essen bin, blicke ich sowieso wieder auf das grosse CHANGE-Plakat, über das ich schon geschrieben habe, nachdem ich nach zwei Monaten wieder in meine Heimat zurückgekehrt bin zu meinen netten Gastgebern, die mich auch weiterhin beherbergen.

Wenn es heisst verändern, dann fragt man/frau sich zwangsläufig was? Also zum einen geht es natürlich darum, uns liebgewonnene Verhaltensweisen aufzugeben. Also bei mir geht das vielleicht unter anderem um das Containern und auch sonst um das Sammeln von Dingen, die mir so über den Weg laufen und die ich noch als nützlich für irgendwen oder irgendwas ansehe. „Das Müllsammeln ist die Droge armer Leute“ heisst es. Und Ihr habt bestimmt auch schon von den Menschen gehört, die wegen Vermüllung eine Räumungsklage ins Haus geflattert bekommen. So erzählte mir ein Freund, es gäbe auch noch konkret nur das Sammeln von Zeitungen und Zeitschriften, das so genannte Cluttering neben dem Messie-Syndrom. Wie dem auch sei, diese wunderbar beglückende Tätigkeit des Lebensmittel- und Sonstwasrettens ist ja keine wirklich gesellschaftsfähige und weithin anerkannte oder gewürdigte Lebensform, außer in gewissen immerhin immer größer werdenden Kreisen. Noch dazu ist es leider in Deutschland strafbar, weil der Müll in diesem armen Lande ja immer noch jemandem gehört. Selbst am Müll halten die Leute noch fest, das ist für mich das größte Armutszeugnis, das man jemandem ausstellen kann. In Frankreich ist Müll Allgemeingut und das ist auch gut so. Sowieso erkenne ich Frankreich inzwischen mehr denn je als das gelobte Land für mich. Ich sag’s Euch. Vor allem für eine Vagabundenseele ist dort gut gesorgt, was das Vagabundieren so angenehm macht, obwohl ich das eigentlich ja nur noch selten tue. In Deutschland macht das keinen wirklichen Spaß. Da gibt es nicht jeden Abend von Oktober bis März in allen größeren Städten eine Suppe und belegte Sandwiches, die von den Bäckereien abgeholt wurden. Und überall den Notruf für den Fall, dass man eine Übernachtung braucht. Überall im ganzen Land konnte man in Frankreich kostenlos eine Nummer anrufen und wurde mit einer Zentrale verbunden, die einem nach der Nennung des eigenen Namens wohlgemerkt mitteilt, wo man/frau sich hinbegegen kann, um kostenlos übernachten zu können. Vor allem vollkommen unbürokratisch. Das lobe ich mir am meisten. Man nennt einfach nur seinen Namen. Braucht dafür keine Papiere vorzeigen. In Deutschland weiss ich nicht mal wie das genau funktioniert, so kompliziert ist das. Zum Glück bin ich ja auch weiterhin eigentlich immer eingeladen, weshalb ich so etwas nicht in Anspruch nehmen muss, aber trotzdem. Genau, das ist wohl das nächste, was ich vielleicht ändern könnte. Meine Lebensform des mit anderen Mitlebens. Obwohl es so schön ist und mir so gut gefällt. Ich finde es schön, mit Menschen zusammen zu sein, vor allem wegen des Austauschs. Aber es hat natürlich auch Nachteile.

Wenn man mir kommt mit Leben ändern, dann denke ich, ich war so glücklich all die Jahre. Soooo glücklich. Ja, die ganze Lebensform hatte sich deshalb etabliert und gehalten, weil ich damit so glücklich war. Ich habe einfach irgendwann festgestellt, dass man am glücklichsten ist, wenn man nichts hat. Dann ist man über jedes klitzekleine Etwas dankbar. Alles kommt irgendwie wie aus dem Nichts heraus. Es ist phantastisch. So phantastisch, dass schwer fällt, davon abzulassen. Aber ganz ehrlich: diese Botschaft, das Leben zu ändern kam schon öfter. Genauer gesagt ab dem Jahreswechsel 2012/2013, genauer ab dem 21. Dezember 2012. Da versuchten schon Leute, mich davon zu überzeugen, doch Geld zu beantragen. Doch ich hielt fest an meiner „Gott oder Geld“-Philosophie. Es hatte sich ja alles so gut eingespielt. Und ich war wie gesagt glücklich. Es ist wahr, dass man ohne Geld glücklich ist, wenn man es freiwillig so gewählt hat. Das ist ganz einfach zu erklären: jedermann und jedefrau freut sich, wenn er oder sie etwas geschenkt bekommt oder sonst irgendwie umsonst erhält. Da freut man sich. Insofern man die richtige Haltung hat. Es gibt ja auch die Haltung, dass was nichts gekostet hat, nichts Wert ist. Das ist eine andere, in unserer Welt weit verbreitete Haltung.

Na ja, mir ist eben alles – wie mal jemand treffend bezeichnete – zugefallen. Die Einladungen zum Übernachten, das Essen, einfach alles, was ich brauchte. Aber langsam glaube ich, ich bin vielleicht nicht deshalb auf die Welt gekommen, um für immer und ewig so zu leben, obwohl ich mir selber zugestehe, dass ich schon eine gewisse Perfektion erreicht habe im wenig Geld verbrauchen. Also zumindest kann ich jedem und jeder sagen, dass man/frau ohne oder mit ganz wenig Geld leben kann und wenn jemand das Gegenteil behauptet, stimmt das nicht. Natürlich sind wir von anderen Menschen abhängig. Das sind wir immer.

Ein paar Dinge haben sich dieses Jahr schon geändert (man/frau muss alles positv sehen): ich habe mir eine neue Brille zugelegt und sehe nun klarer (ehrlich gesagt sehe ich nun, wenn ich keine Brille aufhabe, wie schlecht ich eigentlich sehe), ich habe mir nach Jahren wieder eine Geldkarte besorgt (sic!), also mein Konto reaktiviert, ich benutze wieder ab und an ein Telefon, um zu kommunizieren (whow!), also unternehme kleine Schritte, um mich aus meiner extrem marginalisierten Position nicht nur am Rande, sondern schon außerhalb der Gesellschaft wieder etwas in die Gesellschaft hineinzubegeben. Lustig finde ich dann, wenn in Zeitschriften Artikel erscheinen über eine Woche ohne Smartphone oder so was, nachdem ich zehn Jahre – noch dazu sehr glücklich – ohne Handy gelebt habe… Also, es lebe die Veränderung! Wenn auch in klitzekleinen Schritten. So mache ich auch wieder Termine oder Verabredungen, nach fast einem Jahrzehnt ohne und merke wie es ist, von einem Termin zum anderen zu gehen wie das Otto-Normalverbraucher so machen und schon fühlt sich für mich mein Leben viel normaler an. Lustig. Ja, ich lebte wirklich vollkommen außerhalb der normalen Welt. In meiner ganz phantastischen Wunderwelt eben.

Change, aber was ?

„Mit Abwarten und Teetrinken lassen sich keine Krisenherde löschen“ steht so oder so ähnlich gerade an manchen Bushaltestellen in der Stadt, in der ich mich gerade aufhalte. „Change“ steht in großen Lettern auf einem Plakat beim Blick aus dem Fenster. Ändern, verändern, was verändern und vor allem wie?

Das gleiche „change“ war auch im Dezember des Jahres 2012 an allen Ecken und Enden zu sehen. Wir glaubten an eine große globale Veränderung, wir glaubten dass jetzt – endlich – das große Friedensreich entsteht, von dem wir innerlich träumen. Das Land, in dem Liebe und Harmonie herrscht, in dem das Lamm neben dem Löwen liegt, das goldene Zeitalter wie es uns nicht nur in der Bibel prophezeit wurde, sondern auch in den Prophezeihungen anderer Völker.

Doch 2012 war eine Enttäuschung für viele, die daran geglaubt haben, dass sich etwas schlagartig ändert. Zwar sind die Energien insgesamt anders, zwar entstehen immer mehr neue und zukunftsweisende Projekte für eine andere und bessere Welt, aber noch sind sie nur bruchstückhaft und punktuell. Noch hat kein grundlegender Bewusstseinswandel in der Bevölkerung eingesetzt. Noch läuft das alte Spiel weiter; das System ist das Gleiche bis heute. Wir werden belogen und (um unser Leben) betrogen, damit einige wenige noch mehr Zahlen auf ihrem Konto stehen haben. Dafür werden unsere Lebensgrundlagen vernichtet, alles zerstört und vergiftet, egal wo man hinschaut. Ist das noch normal? Und kaum einer macht oder sagt was dagegen, auch ich selbst schließe mich da ein. Es ist schon fast, als würde eine unsichtbare Kraft das verhindern. Und wenn man/frau was sagt, dann kommt „Wir können nicht die Welt ändern, sondern nur uns selbst“ als Botschaft. Also nichts im Außen ändern, sondern uns selbst.

Dann ziehen wir aus, uns selbst zu ändern – in die weite Welt. Und stellen Jahre später wiederum fest, dass es uns trotz starkem Willen nicht gelungen ist, uns selbst zu verändern. Wir haben alles versucht. Und sind immer noch die gleichen.

Dieser Text ist also der nächste Versuch, etwas anders zu machen wie bisher. Etwas dadurch zu verändern, indem wir es benennen, indem wir uns mitteilen, indem wir eine Brücke bauen. Ich selbst mache gerade einen Strich unter die letzten Jahre meines Lebens und schaue, was dabei herausgekommen ist. Ein phantastisches Leben voller Abenteuer. So würde ich es zusammenfassen. Die letzten Monate war ich etwa tausend Kilometer auf Jakobswegen unterwegs, fast ohne Geld, d.h. Geld nur für die Ausrüstung und fürs Fahrrad, das ich die Hälfte des Weges neben mir herschob. Das Fahrrad, ein Zelt, Decken und anderes wurde mir geschenkt. Dank sei Gott. Ohne Geld zu Leben ist für mich immer wieder das Non plus ultra, das Beste überhaupt. Es ist das höchste Glück, das ich eigentlich allen Menschen auf dieser Erde wünsche.

Es wird uns ja immer weisgemacht, Geld mache glücklich. Ich Selbst habe wiederholt das Gegenteil erlebt. Am glücklichsten bin ich, wenn ich kein Geld zum Leben brauche. Wenn ich alles, was ich brauche so erhalte. Es hat was damit zu tun, in der Gnade Gottes zu leben. Es hat etwas damit zu tun, dankbar zu sein für jedes kleine bisschen, was man erhält. Sich zu freuen. Über alles. Über Menschen, die uns einladen, gutes Essen, ein bereicherndes Gespräch. Die Liebe, die uns entgegengebracht wird, das Vertrauen. Das ist tiefe Menschlichkeit.

Es ist das Gegenteil von dem, was die von uns legitimierten Machthaber mit uns Vorhaben: das Bargeld einstellen, einen Mikrochip implementieren, mit dem nur noch gekauft und verkauft werden kann. Das wird unsere Zukunft sein – wie in der Apokalypse beschrieben. Ich Lebe so wie ich lebe eigentlich schon in der Zukunft. Um den Menschen zu zeigen, dass es auch anders geht. Ich bin der Beweis.

Und doch wird mir immer klarer, dass es zumindest heute ein schweres Leben ist. Und wegen den ganzen Einschränkungen, die es derzeit noch bei Geldempfängern gibt, halte ich das bedingungslose Grundeinkommen für die beste Lösung, gemeinsam eine zukunftsfähige Gesellschaft aufzubauen.

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