Habe da noch etwas Interessantes gefunden auf der Seite www.kritisches-netzwerk.de, die mir auch recht lesenswert erscheint, ein Buch, das zumindest von seinem Inhalt her vielversprechend ist, aber macht Euch selbst ein Bild:
Überdruss im Überfluss. Vom Ende der Konsumkultur
Autor: Peter Marwitz
Verlag: UNRAST Verlag (Bücher der Kritik), 48155 Münster – zur Verlagsseite
ISBN-13: 978-3-89771-125-9
1. Auflage Oktober 2013, broschiert, 76 Seiten, 7,80€
Unser gesamtes Wirtschaftssystem fußt darauf, dass wir als Konsument_innen kaufen und verbrauchen, koste es, was es wolle. Unterstützt von Marketing, Reklame und medialer Berieselung wird ein Kreislauf in Gang gehalten, der inzwischen längst an seine Grenzen gekommen ist und droht, unsere Lebensgrundlagen zu vernichten. Ressourcenverschwendung, Umweltzerstörung und Müllberge sind nur einige der Probleme, die mit dem Konsumismus einhergehen.
Peter Marwitz beschreibt die Mechanismen, mit denen Unternehmen den Konsum ankurbeln, darunter Reklame und schleichende Unterwanderung journalistischer Inhalte durch Public Relations, Advertorials und Product Placement. Auch die Rolle der Medien bei der Aufrechterhaltung des schönen Scheins der glitzernden Warenwelt wird näher durchleuchtet und hinterfragt.
Außerdem werden Auswege aus dem Konsumenten-Hamsterrad gezeigt – alternative Konsumformen und nachhaltiges Verhalten, von Reparaturcafés und Tauschringen bis hin zu Transition Towns und Widerstand gegen die Reklamebeschallung durch Adbusting und Culture Jamming.
Denn die Zeit ist reif für ein Umdenken.
Der Autor Peter Marwitz dürfte allen Lesern unserer Seite als Freund, gelegentlicher Beitragsschreiber und Kooperationspartner des Kritischen Netzwerks bekannt sein. Peter Marwitz, Jahrgang 1968, studierte Informatik und Betriebswirtschaft und arbeitet als selbständiger Webdesigner und Buchlayouter in Kiel. Seit 2008 betreibt er den konsum- und reklamekritischen Blog
► Inhaltsverzeichnis:
Einleitung: Konsum? Kritik?
1. Das grundlegende Problem: unser Waren‘kreislauf‘
Umweltzerstörung bei Rohstoffabbau, Produktion, Vertrieb, Entsorgung
Ressourcenverbrauch
Ausbeutung des Menschen
Politik und Lobbyismus
Abhängigkeit von den Finanzmärkten
Marktmachtzentration
Das KonsumentInnen-Hamsterrad
Anhäufung von Dingen
Verschuldung
Müll und Entsorgung
2. Konzernkritik
Aldi, Lidl & Co.: Wie teuer ‚billig‘ wirklich ist
Nestlé: Abhängigkeit als Prinzip
3. Das Zeitalter des Konsumismus
Eine kurze Geschichte der Konsumkritik
Der eindimensionale Mensch
Haben oder Sein
Die Gesellschaft des Spektakels
‚Der gute Konsument‘
Die (Un-)Kultur des Kommerzes
Geplante Obsoleszenz: Die Wegwerfgesellschaft
Reklame: Lügen und Verführen
Das Zusammenspiel von Medien und Werbung
Fernsehen: Kommerz ist Programm
Public Relations, Product Placement und Advertorials: Gekaufte Wahrheiten
Markenfetischismus: Der markierte Mensch
4. Die KonsumentInnen wachen auf
Politischer, nachhaltiger, strategischer Konsum: LOHAS & Co.
Konsumverzicht: LOVOS & MinimalistInnen
Vegetarismus & Veganismus
Alternativen zum Kauf- und Wegwerfwahn
Reparaturcafés
Bücherschränke/Give-Boxen/Verschenknetzwerke
Second-Hand-Läden/Flohmärkte
Upcycling
Kleidertauschpartys/Klamottentauschläden
Tauschringe
Komplementäre/regionale Währungen
Car-Sharing/Mitfahrgelegenheiten
Land-Sharing
Couchsurfing
Foodsharing
Containern
Leihen
Genossenschaften/Mitgliederläden/Wirtschaftsgemeinschaften
Transition Towns
Adbusting und Culture Jamming: Widerstand gegen die Warenmaschine
5. Kritik der Kritik
6. Ausblick: Cradle-to-Cradle, Postwachstumsökonomie und mehr
7. Zwölf Faustregeln für einen sinnvolleren Konsum
Literatur
Filme
Artikel
Linktipps
► Leseprobe: Einleitung: Konsum? Kritik?
Jeder von uns tut es. Jeden Tag. Selbst im Schlaf. Konsumieren. Sei es, dass die Brieftasche gezückt wird, um mit den neuesten Modetrends zu gehen, oder dass nebenher der Stromzähler für all unsere High-Tech-Geräte durchtickert – in der heutigen Industriegesellschaft ist man automatisch VerbraucherIn, KonsumentIn.
Viele Leute denken gar nicht sonderlich über ihr eigenes Konsumverhalten nach, sondern lassen sich von Moden und Hypes treiben, von Schnäppchenangeboten im Supermarkt oder Reklame in den Medien. Die Werbung verspricht Glück und Zufriedenheit, wenn man nur zum richtigen Produkt greift. Die KonsumentInnen haben deshalb wie selbstverständlich ihre Lieblingsmarken, denen sie vertrauen und folgen. Sie sind aber auch preissensibel und haben ein bemerkenswert kurzes Gedächtnis, wenn es um die Schattenseiten der glitzernden Warenwelt geht. Ihnen geht es um die schnelle und einfache Befriedigung ihrer (vermeintlichen) Bedürfnisse, darum, etwas für das Ego zu tun und mithilfe zahlreicher industriell hergestellter Massenprodukte die eigene (vermeintliche) Individualität zur Schau zu stellen. Ja, richtig, so etwas nennt man paradox.
Aber es ist auch eine neue Entwicklung zu beobachten: Obwohl die Mehrzahl der KonsumentInnen nach wie vor ignorant ist gegenüber den Folgen des eigenen Kaufverhaltens, stoßen sich immer mehr Menschen daran, wie ihre Produkte hergestellt werden – aufgeschreckt durch die vielen Lebensmittelskandale (von EHEC bis Pferdefleisch), durch kritische Berichte über die Arbeitsbedingungen bei Discountern wie Aldi und Lidl oder die großangelegte Steuervermeidung von Großkonzernen wie Starbucks und IKEA. Die KonsumentInnen wollen wissen, welche oft fatalen Auswirkungen die Herstellung der Dinge hat, mit denen sie sich umgeben, und sie achten vermehrt darauf, dass ihr Konsum einen möglichst geringen sozialen und ökologischen Schaden anrichtet. Der sogenannte ‚bewusste’, ‚kritische’, ‚nachhaltige’ oder ‚politische’ Konsum ist seit einiger Zeit, auch abseits der Öko- oder linken Szene, ein zunehmend beachtetes Thema. Und wie in diesem Wirtschaftssystem üblich, hat sich inzwischen ein eigener Markt dafür herausgebildet mit entsprechend neuen Marken und Trends…
Wieso ist all das nun überhaupt ein Problem? Weshalb muss man Konsum, in dem Ausmaß, wie er heutzutage fast weltweit betrieben wird, kritisch sehen? Es geht ja nicht darum als Spaßbremse und Spielverderber aufzutreten, wenn man die grellbunte Fassade der Werbe- und Markenwelt hinterfragt. Die Vielzahl negativer Auswirkungen, die das hemmungslose Kaufen und Wegwerfen – Kern und Motor der Marktwirtschaft – mit sich bringt, ist jedoch nicht mehr zu übersehen. Zu ihnen gehören beispielsweise die immense Ressourcenverschwendung für Marketingkampagnen für im Prinzip überflüssige Waren. Zu schnell werden neue Produkte durch wieder neue Modelle ersetzt. Es geht auch um Umweltverschmutzung und das Zerstören ganzer Lebensräume für Mensch und Tier, um die wachsende Abhängigkeit der Medien und der Politik von einigen großen Konzernen, um die zunehmende Verschuldung der KonsumentInnen, um die Durchdringung des Alltags mit kommerziellen Inhalten, um den Ausverkauf öffentlicher Güter und Räume und vieles mehr.
In diesem Buch werde ich die grundlegenden Probleme der Konsumfixierung näher betrachten und dabei einen kleinen Überblick überden gegenwärtigen Zustand der Konsumgesellschaft geben. Damit es nicht zu deprimierend wird, werde ich anschließend auch einige Strategien aufzeigen, wie man dem Hamsterrad entkommen kann, wie man sich gegen das Dauerbombardement von Kaufaufforderungen zur Wehr setzen und den Unternehmen die Stirn bieten kann – kurz, welche Möglichkeiten man als KonsumentIn hat, sich dem Wahnsinn zu entziehen.
Eine generelle Anmerkung noch: Natürlich bin ich mir bewusst, dass Konsumkritik nur ein Teil einer grundsätzlichen Systemkritik sein kann und dass veränderte Konsummuster nicht das Allheilmittel für die Probleme dieser Welt sind. Aber für manche Menschen kann das kritische Hinterfragen des eigenen Kaufverhaltens ein Anfang sein, sich Gedanken über den Zustand unserer Gesellschaft zu machen. Konsumkritik bietet die Möglichkeit, ganz konkret im eigenen Alltag ein paar erste Schritte in die richtige Richtung zu gehen, statt mit dem eigenen Geld den politischen Gegner zu füttern.
► Leseprobe / Auszug aus Kapitel 1. Das grundlegende Problem: unser Waren›kreislauf‹
Eine Warnung vorweg: Die folgende Schilderung des Wirtschaftssystems in den heutigen Industriestaaten ist nur ein stark vereinfachter, auf wenige wesentliche Punkte reduzierter Überblick, den ich allerdings für hilfreich und sinnvoll halte, um das Thema Konsumkritik nicht im luftleeren Raum zu behandeln. Denn die vielen Probleme, die der (individuelle) übersteigerte Konsum mit sich bringt, fußen vor allem auf dem Waren›kreislauf‹, den wir als Marktwirtschaft kennen und dessen Grundstruktur viele neuralgische Punkte aufweist. Das heißt, uns sollte immer bewusst sein, dass jeder Kauf genau dieses System stärkt und damit auch dessen negative Auswirkungen fördert.
Kennt ihr »The Story of Stuff Project«, diese von der amerikanischen Aktivistin Annie Leonard ins Leben gerufene Initiative, die mit Hilfe von kleinen animierten Filmen über Missstände des Kapitalismus aufklärt und die Menschen zum Umdenken anregt? In ihrem allerersten Clip – eben »The Story of Stuff« (Die Geschichte vom Zeugs) – stellt sie sehr anschaulich dar, wie das Ganze prinzipiell funktioniert.
Wie ist der Wirtschaftskreislauf also aufgebaut? Es beginnt mit der Ressourcengewinnung, dem Abbau der Rohstoffe, die die Grundlage der Produkte bilden. Diese werden dann in die Produktionsstätten transportiert und unter Einsatz von Energie und Arbeitskraft entstehen Waren. Anschließend werden die Waren in den (Einzel-)Handel eingespeist. An dieser Stelle kommen nun die KonsumentInnen ins Spiel –sie kaufen, u. a. animiert durch Medien und Reklame, die Produkte und tragen sie nach Hause, wo sie zu den anderen Produkten wandern, die dort bereits herumliegen. Hat ein Produkt ausgedient, weil es kaputt ist oder die VerbraucherInnen lieber etwas Neues haben möchten, wandert es auf den Müll, in die Verbrennung oder wird (zu einem geringen Teil) recycelt.
So weit, so gut – eigentlich sieht das alles recht nett und durchdacht aus. Und zweifellos hat uns dieses System einiges an Fortschritt, Annehmlichkeiten und Komfort gebracht. Aber zu welchem Preis? Denn entlang der gesamten Wertschöpfungs- und Verbrauchskette tut sich eine Vielzahl von Schwierigkeiten auf:
Umweltzerstörung bei Rohstoffabbau, Produktion, Vertrieb
Wer schon einmal Bilder vom Nigerdelta gesehen hat, in dem Shell seit Jahrzehnten Erdöl fördert, weiß, was der Abbau von Rohstoffen für die Umwelt, für Tiere und Menschen vor Ort, bedeutet: Vergiftete Landschaften, verdreckte Flüsse, erodierte Böden, gerodete Wälder, all dies sind Folgen unserer Jagd nach Ressourcen sowie der industriellen Produktion und Landwirtschaft. Denn auch in den Produktionsstätten fallen Umweltgifte an, für den Gütertransport werden regelmäßig neue Straßen gebaut und Unmengen an Energie verbraucht.
Ressourcenverbrauch
Mit der Produktion und dem Konsum von Waren geht der Verbrauch von Ressourcen einher. Ist dies bei nachwachsenden Rohstoffen nicht notwendigerweise (aber trotzdem oft) ein Problem, so werden für unseren Konsumstil aber auch Unmengen an nicht nachwachsenden Rohstoffen vergeudet. Sei es nun Erdöl für Benzin oder Plastik, Kohle zur Energiegewinnung oder Coltan für Handys & Co. – mittlerweile hat das menschliche Wirtschaften solche Dimensionen angenommen, dass wir mehrere Planeten bräuchten, um die Gier nach Ressourcen zu stillen. Dummerweise haben wir, sofern die Raumfahrt nicht gewaltige Fortschritte macht, nur diesen einen Planeten Erde zur Verfügung. Wegwerfgüter, der Konsum von Dingen, die wir gar nicht wirklich brauchen und ein Übermaß an Verpackung tragen zum unnötigen Verbrauch von begrenzten Ressourcen bei.
Ausbeutung des Menschen
Für die Warenproduktion ist neben Rohstoffen noch eine andere Ressource von Bedeutung – nämlich die Menschen; besser gesagt: ihre Arbeitskraft. Spätestens seit bekannt wurde, dass Markenhersteller wie Nike ihre Kleidung in sogenannten Sweatshops in Asien fertigen lassen, ist die Ausbeutung von Menschen für unsere Konsumgüter im öffentlichen Bewusstsein angekommen. Die Hersteller weichen auf Fabriken in ärmeren Ländern aus, um Lohnkosten zu sparen und Arbeitsschutzrichtlinien zu umgehen. Aber man muss gar nicht so weit schauen, um vergleichbar unwürdige Zustände zu finden – Discounterketten wie Lidl oder KiK stehen wegen ihres Umgangs mit MitarbeiterInnen ebenfalls seit einigen Jahren im Kreuzfeuer der Kritik. Die Bildung von Betriebsräten wurde verhindert, MitarbeiterInnen überwacht, private Daten über die Beschäftigten gesammelt und die Mindestanforderungen von Siegeln umgangen. Dass es sich nicht um eine neue Entwicklung handelt, bezeugen die Ergebnisse einer Untersuchung über die Ausbeutung politischer Gefangener in der DDR. Bereits in den 70er und 80er Jahren ließ IKEA Möbelteile von Strafgefangenen produzieren, für Quelle und Neckermann wurden Bettwäsche und Fotoapparate hergestellt. […..]