Zu Besuch in Deutschland

Schon sehr lange habe ich nicht mehr über mein Leben geschrieben, obwohl es aufregend war wie eh und je. Der Grund war hauptsächlich der Mangel an Leserinnen und Lesern, der bewirkte, dass sich der Aufwand nicht lohnte, noch dazu, weil ich ja oft auch kein Internet zur Verfügung habe und wenn, dann nur mit meinem iPad und damit kam ich bisher schreibtechnisch nicht so gut zurecht. Aber die Ereignisse der letzten Tage oder besser Wochen sind einfach so phantastisch, dass ich sie nicht unterschlagen kann.

Der Vollständigkeit halber möchte ich dann doch noch das letzte Jahr kurz Revue passieren lassen. Nachdem ich in Deutschland angekommen war und erfuhr, dass eine mir teure Freundin verstorben war, hatte mich ihre überaus nette Nachbarin eingeladen, bei ihr zu bleiben zur Kondition, dass ich Innerhalb einer halben Stunde gehe, falls ihr Freund kommt, der gerade in einer anderen Stadt arbeitete. So hatte ich also beste Bedingungen und es traf sich, dass ich ganze vier Monate bei ihr blieb. Und nur einmal kam es vor, dass ich tatsächlich innerhalb kurzer Zeit gehen musste, es war also vollkommen ok.

Ich hatte mit einem Freund meiner verstorbenen Freundin Kontakt aufgenommen und festgestellt, dass er ähnlich wie ich lebe, nur mit etwas mehr Geld. Er hatte auch schon länger keine Wohnung mehr und lebte als Konvivialist wie ich ja auch, nur dass er noch Geld bezahlte wo er blieb und ich nicht. Das heißt, ich beteilige mich bloß an den Unkosten, während er noch Miete bezahlt. Durch ihn lernte ich noch andere nette Leute kennen, allen voran eine Frau Mitte Fünfzig, die seit vier Jahren in einem kleinen französischen Campingbus lebte. Sie stand unweit der Stadt auf einem Campingplatz und ab und an fuhr ich mit einem geliehenen Fahrrad zu ihr. Sie war auch schon zu Gast in der Gemeinschaft, in der ich einige Zeit verbracht und vergeblich versucht hatte Teil zu werden und so hatten wir ständig Gesprächsstoff. Sie tröstete mich darüber hinweg, dass es mir mal wieder nicht gelungen war, mein Leben zu ändern und auf einen anderen Zug aufzuspringen. Sie selbst hatte sich vor vielen Jahren dagegen entschieden, Teil der Gemeinschaft zu werden und fand das auch ganz gut so.

Ich habe dann drei Monate ein Praktikum bei einem Freien Radiosender gemacht und wie es dazu kam, ist auch wieder so eine Geschichte. Ich hatte nämlich eines Abends beim Containern lauter Flachmänner gefunden. Ich glaube, so heißen die kleinen Fläschchen mit hochprozentigem Alkohol. Da ich ja selbst sowas nicht konsumiere, wollte ich sie an gerne an den Mann bringen. Es war schon dunkel, da sah ich an einer Straßenecke einen Typen auf einem Sofa sitzen mit lauter Möbeln um ihn herum.

„Ich besetze hier die Straßenecke, denn ich möchte gerne in diesem Haus hier wohnen.“ Ich bot ihm einen Flachmänner an, den er in Sekundenschnelle ausgetrunken hatte. Es gesellte sich dann noch ein weiterer Mann zu uns, der etwas gemäßigter war in seinen Ansichten wie der Strassenbesetzer und mit dem man wenigstens noch halbwegs vernünftig reden konnte. Auch er freute sich über was Trinkbares. Und just bei diesem Meeting erzählte der Strassenbesetzer vom Radio, wo er ab und an mal Sendung machen würde. Ich ließ mir erklären wo das Radio ist und ging an einem der darauf folgenden Tage mal hin, rein aus Interesse. Und da hing ein Zettel an der Tür, dass es bald wieder ein Praktikum gäbe für drei Monate. Und falls Interesse bestehe,  gäbe es ein Vortreffen an dem und dem Tag. Das erste Infotrefften war schon vorbei, aber vom zweiten und letzten notierte ich mir Uhrzeit und Datum. Und just kurz vorher fiel mir der Zettel in die Hand und ich ging hin, um Genaueres zu erfahren. Am Anfang waren wir nur zu zweit, aber dann stießen noch zwei weitere Praktikanten dazu, so dass wir bald zu viert waren. Ich nahm also am Praktikum Teil, obwohl es sich immer so anfühlte, als wäre ich dazu gekommen wie die Jungfrau zum Kind. Vor allem gelang mir auch, es durchzuziehen. Das war schon ein wahres Wunder, denn seit Jahren hatte ich nichts mehr dergleichen gemacht.

Wir bekamen eine Fortbildung nach der anderen und durften dann gleich eine einstündige Sendung zusammen machen. Das war am Anfang ganz schön schwer. Vor der ersten Sendung saß ich bis vier Uhr nachts im Studio, denn nachdem man uns jeden Schritt einmal gezeigt hatte, durften wir schon alles selber machen; es war wie ins kalte Wasser geschmissen zu werden.  Aber es wurde wöchentlich besser. Wir durften kleine Beiträge machen von Dingen, die uns selbst interessieren, also Vorschläge einbringen und dann umsetzen, natürlich alles im Rahmen der Vorgaben.

Dadurch dass ich so lange in Deutschland war, lernte ich auch viele neue Initiativen kennen, die sich in der letzten Zeit gebildet hatten. Ziemlich bald hatte mit jemand ein besetztes Haus gezeigt, in dem es nicht nur einen Umsonstläden gab, sondern auch einen Verteiler von Foodsharing. Ich lernte später noch weitere Verteilstellen kennen, aber der am besetzten Haus war mir der liebste. Er war zentral gelegen und es kamen fast jeden Abend drei Mal Leute mit den Restbeständen von verschiedenen Bäckereien vorbei, um belegte Brötchen und Brot vorbeizubringen. So gab es bestimmte Zeiten, an denen man nicht nur schnell noch etwas leckeres Essbares bekam, sondern auch noch ein paar Leute traf. Mit einem der Leute, die regelmäßig kamen, freundete ich mich langsam an, denn wir hatten den selben Nachhauseweg und liefen öfters gemeinsam zurück. Er war schon gut über sechzig. Einmal nahm ich ihn mit zum Dumpstern beim Supermarkt bei ihm um die Ecke. Das war für ihn neu und eine Entdeckung. Er war schlichtweg begeistert.

An Weihnachten hatten wir zwei Wochen Sendepause und ich fuhr Freunde besuchen. Es hatte sich eine günstige Mitfahrgelegenheit ergeben. Als ich ankam war gerade ein Fest im Umsonstladen, wo ich gleich ein paar Leute traf, die ich kannte. Die Wiedersehensfreude war groß. Ich blieb sogar noch eine Woche länger, weil es so schön war und die Freundin, bei der ich weilte ihren Geburtstag später feierte. Grund genug, zu bleiben. Zumal es einen neuen Raum in der Stadt gab, den ein frisch verliebtes Pärchen kreiert hatte, von dem ich mit den männlichen Teil vom Umsonstladen her kannte. Sie hatten einen Verein gegründet  und einen Raum gemietet, in dem man einfach sein konnte und sich einbringen konnte wie man wollte. Die Leute brachten etwas zu Essen mit, um gemeinsam zu kochen, machten Musik oder was ihnen sonst so einfiel, wenn es nicht ein konkretes Programm gab. Einmal gab es eine Dichterlesung und ich las aus meinem Buch „Vom Leben ohne Geld: Der Vagabundenblog“ vor. Es machte sehr viel Spaß und die Leute lachten.

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