Born to be free

Ich verbrachte einen Nachmittag im Jugendinfozentrum, wo ich ins Internet gehen konnte und mit einer Mitarbeiterin sprach, die gehbehindert war und den Jakobsweg mit einem Pferd gemacht hat. Es muss allerdings sehr beschwerlich gewesen sein, nach dem, was sie so berichtete. Dann nahm ich den Bus und fuhr zwei Orte weiter. Beim Herumstreifen sah ich eine sympathische Frau an einem Fenster stehen, das ich eigentlich fotografieren wollte und wir begannen, uns zu unterhalten. Sie kam herunter und führte mich durch Gassen, die ich noch nicht kannte und zeigte mir den Botanischen Garten, den ich bisher auch noch nicht entdeckt hatte, obwohl ich schon ein paar Mal für einige Tage in der Stadt gewesen war. Nur zum Übernachten wusste sie keine Lösung.
„Wir selbst leben zu sechst auf fünfzig Quadratmetern. Das ist das einzige, was etwas stört, aber ich bin so dankbar, dass wir seit einem Jahr hier wohnen.“
Ich fragte dann verschiedene Personen, ob sie wüssten wo ich übernachten könnte und schließlich sagten mir ein paar junge Leute, ich solle beim Inder fragen. Und siehe da, ich wurde von den Indern, die einen Schnellimbiss hatten eingeladen, in dem Apartment obendrüber zu übernachten, in dem einer der Beiden wohnte. Ich hatte ein ganzes Zimmer für mich und war glücklich.

 

 

 

Am nächsten Morgen zog ich mit Sack und Pack los und ging in den Botanischen Garten, wo ich ins Gespräch mit einem älteren Pärchen kam, denen ich begeistert von meinem Leben erzählte, worüber sie sich sehr freuten. Dann fand ich in einem Gebäude einen Flyer, in dem jemand von seinem total veränderten Leben durch Jesus Christus erzählte und ich wollte mal zu der Gemeinde gehen, auf der im Flyer hingewiesen wurde. Dabei kam ich in einer sehr interessanten Straße vorbei, in der es ein paar schöne alternative Läden gab.

 

 

 

Ich sprach spontan einen Typen an, der mit seinem Laptop in einem Straßencafé saß. Er arbeitete für einen Verein, der in Schulen Wissen über Bienen an die SchülerInnen verbreitete. Er lud mich zu einem Kaffee ein.
„Wir sind alle auf dem Weg“ sagte er, nachdem ich ihn vom Jakobsweg erzählt hatte, den er auch mal ein Stück weit in Frankreich gegangen war und zwar von Le Puy bis Conques. „Ich habe damals gezeltet. Und hatte sogar einen Kocher dabei, um mir etwas Warmes zu kochen.“
Danach kam ich an einem Second Hand Laden vorbei und kaufte mir einen Bikini, um an den Strand und ins Meer gehen zu können. Die Frau erzählte mir ebenfalls ganz begeistert von der Region, in der sie schon fünfzehn Jahre wohnte. Auf dem Land wären die Leute sehr verschlossen. Man bräuchte viele Jahre, damit sie sich öffneten. „Wenn sie sehen, dass man sein Haus baut und sich über Jahre hin korrekt verhält, dann akzeptieren sie einen irgendwann mal.“
Ich überlegte, wo ich übernachten könne und fragte mal bei der Pilgerherberge nach, obwohl ich ja schon aufgehört hatte zu Pilgern. Ich durfte bleiben, musste meinen Rucksack jedoch im Eingangsbereich stehen lassen wegen der Gefahr von Bettwanzen. Es war noch ein Australier zu Gast.
Er erzählte uns beim Abendessen, er wäre zwei Mal verheiratet gewesen.

„Ich habe nie in meinem Leben etwas bereut. Als ich aufgehört habe, bei der Navy zu arbeiten, habe ich meine erste Frau kennen gelernt und Kinder bekommen.“
Später unterhielt ich mich noch mit einer Kalligraphin, die neben weiteren Menschen einen Stand mit ihrer Kunst im Kreuzgang der Kathedrale hatte.
„Wenn etwas nicht geklappt hat in meinem Leben, dann war es nicht das Richtige oder es war nicht der richtige Zeitpunkt. Das ist doch klar. Du bist einfach ein freier Mensch. Das Ziel deines Lebens ist es, frei zu sein. Wenn dir jemand die Freiheit nehmen will, geht das für dich nicht. Man kann einen freien Vogel nicht in einen Käfig sperren. Und es gibt Käfige aus Gold, die auf Vögel warten, um sie in sie reinzustecken.“
Wir unterhielten uns über den Tod. „Der Tod ist nur eine Passage“, meinte sie.  „Wir machen alle Fehler. Aber Gott ist barmherzig“.

Am nächsten Tag war mein Geburtstag. Unsere Gastgeberin fuhr mit dem Australier und mir zum Strand, um im Meer zu baden. Es war herrlichstes Wetter. Danach fuhren wir zum Leuchtturm, um die herrliche Aussicht zu genießen und anschließend zum Hafen, um dort in einem der kleinen Restaurants einen Kaffee zu trinken. Anschließend gingen wir noch zum besten Eismann der Welt ein Eis essen bevor ich am Abend zum Essen eingeladen wurde. Es war insgesamt ein wundervoller Tag, über den ich selhr glücklich war. Beim Abendessen waren neue Pilger dabei und die Franzosen waren wie immer sehr begeistert, wenn ich von meinem Leben und meiner doch etwas außergewöhnlichen Lebensweise erzählte. Immer wenn ich gerade dabei war, mir zu überlegen, ob ich daran nicht  etwas ändern wollte, da meinten sie, das wäre doch so toll, was ich da für eine Art zu Leben gefunden hätte und das sollte ich doch auf jeden Fall weitermachen! Es war ein älterer Herr aus Paris dabei, der mich zu sich einlud, falls ich mal in der Gegend sei und auch wenn ich etwas bräuchte zum Überwintern. Er war ein Polizist und so wie ich es verstanden hatte bei der Truppe, die bei Demonstrationen im Einsatz waren. Aber das Schöne am Jakobsweg ist ja, dass ganz egal ist, was jeder macht. Alle sind darauf gleich. Hier der Australier mit meiner überaus freundlichen Gastgeberin:

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Worte, die zu mir kamen:

„Reste libre“ – „Bleibe frei“, „indesise“ – „unentschlossen“,
„Vivez votre passion“ – „Leben Sie Ihre Leidenschaft“, „On ne laisse pas un bébé a un coin“ – „Man lässt kein Baby in einer Ecke“, „go where you have never been“ – „Geh wo Du noch niemals warst“, „gloire à nos illustres pionniers „- „Glorie unseren illustren Pionnieren“, „vaincu parfois – soumis jamais“ – „manchmal geschlagen, niemals untergeben“, „for life – Honor and glory“ – „Für das Leben – Ehre und Glorie“, „Stay here and keep cool“ – „bleibe hier und sei cool“, „Break the rules now“- „Breche jetzt die Regeln“, „Heartbreaker“- „Herzensbrecher“, „rules are made to be broken“ – „Regeln sind dazu gemacht, um gebrochen zu werden“,  „don’t worry“ – „keine Sorge“, „stranger, be the unexpected“ – „Fremder, sei der Unerwartete“, „Warning! free Soul!“ – „Warnung! Freie Seele“, „Just Do it“ – „Tu es einfach“, „Do Love“- „Liebe“.

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Die Nichtunterworfene (so wie ich)
Ernest Hemingway
Die Welt ist schön und wert, dass man sich für sie einsetzt.
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Lebe deine Leidenschaft
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Ruhig, es gibt eine Lösung

Am nächsten Tag zog es mich wieder nach Spanien. Ich ging am abend zur Jugendherberge, wo mich ein Mann mit großem Lächeln empfing. Er hätte keinen Platz, aber ich könne in die andere Herberge gehen, die am anderen Ende der Stadt ist. „Ich selbst laufe in einer Stunde runter. Dann können wir zusammen gehen. Es gibt vielleicht sogar einen Bus, der noch zur Herberge fährt“, sagte er.

Ich schrieb ein wenig bis wir zusammen losgingen. Und erzählte ihm von der Gemeinschaft in der Nähe.
„Ich war nur mal kurz für zehn Minuten in der Gemeinschaft, um ein Brot zu kaufen. Ich könnte das nicht, meine Freiheit total aufgeben. Ich bin da wie du“, meinte er. „Morgen früh stehe ich um fünf Uhr auf. Ich habe nämlich noch einen anderen Job. Aber komm morgen Abend nochmal vorbei, dann können wir weiter miteinander reden. Ich kann dich leider nicht zu mir einladen, denn bei mir ist ein riesiges Chaos.“
„Cuidate – estas donde estas“- „Pass auf dich auf – egal wo du bist“ stand auf dem Getränkeautomaten in der Universität, in der ich mir am nächsten Morgen erstmal ein paar Kaffees leistete. Weitere Worte des Tages: „Run Hard, Win BIG“, „Chance to Change“, „Love is a battle „, „Too much luggage“, „inspiring „, „Lost without you“, „Lost“, „please wait here – whatever you think, think the opposite“, „make your Dreams happen“, „don’t care“, „imagine another reality“, „keepers of the faith“, „a different story“, „destiny“, „obey“, „thoughts“, „run“.

An der Strandpromenade sprach ich mit einer Dame, die auf einer Bank saß und gerade dabei war, ihre Kleider zu nähen. Sie hatte nur ihren schwarzen BH an und einen Rock und meinte gleich, ihr Kopf wäre nicht ganz in Ordnung. „Ich habe fünfzehn Kilo abgenommen die letzte Zeit. Jetzt sind meine Kleider zu groß. Ich nähe sie enger.“ Wir unterhielten uns eine ganze Weile. Sie hätte mich gerne zu sich eingeladen, aber sie bekam Besuch von ihrer Enkelin und ihrer Tochter. Ich lief nachdem ich ich von ihr verabschiedet hatte die Strandpromenade entlang und sah diverse Straßenkünstler auf dem Weg.

 

 

 

An der Altstadt angekommen sah ich jemand mit einem T-Shirt und den Worten: “ the big waves try to knock you down „. Kurz danach fühlte ich einen Stich im Herzen. Ich wusste nicht, was tun. Sah Leute, die auf der Straße leben. Dann lächelte mich plötzlich jemand an und sagte : „Hallo!“ Er kannte mich von der Gemeinschaft, in der er letztes Jahr zur gleichen Zeit wie ich zu Besuch gewesen war. Ich erzählte ein bisschen aus meinem Leben und er aus seinem, dann lud mich seine Freundin ein, bei ihnen zu übernachten. Wir kauften noch ein, aber als wir in den Bus stiegen, um zu ihr zu fahren, hatte ich das komische Gefühl, als ob irgendwas nicht stimmen würde. Als wir angekommen waren, machte Sam uns etwas zu Essen und sie fragte mich nach meinem Campingbus, von dem ich ihr erzählt hatte. Ich erinnerte mich an die Situation, die ganz ähnlich war wie jetzt. Ich war damals nämlich, nachdem ich meinen Bus weggegeben hatte zur Gemeinschaft zurück gefahren, obwohl ich ganz deutlich das Gefühl hatte, dass es nicht das richtige gewesen war. Jetzt war es genauso. Ich war mit den Beiden mitgegangen, obwohl ich den Eindruck hatte, dass es nicht das richtige gewesen war.
Wir sprachen viel vom ‚in Löcher fallen‘, weil auch ich wieder in eines gefallen war. Sam zitierte das buddhistische Sprichwort „Du siehst ein Loch in der Straße und fällst hinein und brauchst Ewigkeiten, um wieder hinaus zu kommen….“. Ich weiß nicht, wer meiner werten LeserInnen den Spruch kennt. Ich habe ihn im Internet gesucht, um ihn hier wiederzugeben, aber leider nicht gefunden. Aber es geht darum, dass man immer wieder in die selben Löcher fällt bis man eines Tages eine andere Straße nimmt. Wir sprachen auch vom ‚Sich Verloren-Fühlen‘.
„Wir müssen uns verlieren, um uns zu finden“, meinte meine Gastgeberin. Und:
„Es ist wichtig, die Dinge zu würdigen, die wir haben“. „Interessant, das war auch immer meine Botschaft in den letzten Jahren gewesen, die ich den Leuten vermitteln wollte,“ gab ich zurück.
Es waren auch wieder Botschaften da, dass sich alles zum Besseren wenden kann. „Create your own reality “ zum Beispiel.

Am nächsten Tag gab es einen Kleidertauschmarkt in einem Park in der Nähe, in dem es auch eine Bibliothek zum Thema Umwelt gab. Auf dem Weg dorthin fand ich eine ganze Reihe von Klamotten, die sie netterweise annahmen. Man bekam Gutscheine für die abgegebenen Kleider, für die man sich andere Sachen mitnehmen konnte. Ich suchte mir einiges aus.


„Wer reanimiert Cathy?“ lautete eine Frage im Internet, in dem ich ein wenig surfte, als wir wieder zurückkamen. Und so fühlte ich mich auch. Dass ich eine Reanimation bräuchte.
Ich legte mich hin bis Moni zu mir bedeutete, dass sie mich gerne sprechen würde. „Mir wäre es lieber, wenn Du jetzt in eine Herberge gehst, bevor es mir zu viel wird. Wenn Du allerdings absolut nichts findest, kannst Du wiederkommen.“

So ging ich los. Statt nach Frankreich zurückzufahren, ging ich in Richtung der Jugendherberge, die ganz in der Nähe war. Auf dem Weg stand „cero dinero“ – „null Geld“ und „compatible contigo“ – „kompatibel mit dir“. Ich stand unschlüssig an der Straße, die zur Herberge führte. Da hielt ein Mann an. Er sagte: „Ich beobachte Dich jetzt schon seit zwei Tagen. Wo willst du hin?“

Ich erklärte ihm ein bisschen meine Situation und er fuhr mich den Berg hinauf zur Herberge. Und traf dort auf Deutsche aus dem Osten, mit denen ich erst einmal redete. In meinem Zimmer war ebenfalls ein älteres deutsches Paar, mit denen ich mich lange unterhielt. Die Frau hatte ein Buch von Thích Nhất Hạnh dabei. Sie hätten das Kloster des vietnamesischen buddhistischen Mönches einen Tag lang besucht. Es sei in der Nähe von Bordeaux. „“Für einen Tag kann man einfach hinkommen. Wenn man länger dableiben will, dann muss man sich vorher anmelden.“
Ich las dann noch fast das gesamte Buch von Thích Nhất Hạnh an dem Abend, was mir sehr gut tat, denn es ging auch viel darum, seine Gedanken zu positivieren und seine Eltern mit einzubeziehen.
Es tat mir auch sehr gut, mit den beiden zu reden. Sie hatte scheinbar viel Erfahrung mit dem Familienstellen, dem ich selbst etwas spiespältig gegenüberstand, da ich es vor vielen Jahren ausprobiert hatte und es mir nicht den gewünschten Erfolg gebracht hatte. Es kommt ja aus dem Schamanismus und von meinen Erfahrungen her war Schamanismus so etwa wie Kosmetik. Obwohl mal ein mongolischer Schamane auf einer Veranstaltung sagte: „Jesus war der größte Schamane“, was ich ihm gar nicht absprechen möchte.

Ich spazierte danach durch die Stadt, lief an einem „unverpackt“-Laden vorbei bis ich entdeckte, dass die Bibliothek bis halb neun offen hat, so dass ich sie noch nutzen konnte. Dann kam ich irgendwie auf die Idee zu telefonieren und antwortete auf ein paar Anzeigen von Zimmerangeboten. Mir hatten nämlich ein paar Leute gesagt, ich solle mir doch ein Zimmer nehmen. So rief ich bei verschiedenen Leuten an und ein Zimmer war noch frei, das ich mir anschauen ging. Doch schon davor wurde mir klar, dass es nicht das richtige ist. Es gefiel mir überhaupt nicht und die Leute waren ganz und gar nicht mein Fall. So sprach ich einfach am abend beim Herumlaufen zwei Frauen auf der Straße vor einer Bar an. Da kam ein wunderschön aussehender Typ angesprungen und fragte, ob ich etwas suche zum Übernachten. „Ja“, antwortete ich. „Laden wir sie ein?“ fragte er seine Partnerin. „Laden wir sie ein!“ Er nahm meinen Rucksack und wir liefen zusammen die paar Meter zu ihr nach Hause. Sie wohnten im neunten Stock und führten mich auf den Balkon mit einem wundervollen Blick über die Stadt. Dann räumten sie fast den gesamten Kühlschrank aus und stellten diverses Obst vor mich hin. Am Ende gab es noch Käse mit Brot. Er gab mir ihre Telefonnummer und ich könnte gerne wiederkommen, wenn ich noch länger bliebe, nur am nächsten Morgen hätten sie ein Treffen mit der Familie, deshalb müsse ich früh aufstehen. „Aber wir frühstücken noch zusammen.“ Interessant war, dass sie die Toilette offen ließen, wenn sie sie benutzten. „Wir sind natürlich. Wir machen die Badezimmertür nie zu. Sie ist immer offen.“
Sie weckten mich am Morgen, ich frühstückte mit ihnen, wusch mir meine Haare und ging dann in die Bibliothek nachdem wir uns voneinander verabschiedet hatten. Dann kam im Laufe des Tages:“GO!“, „Was macht du noch hier alleine?“, „Wenn du die Tür zur Hölle erstmal geöffnet hast, musst du ein Opfer bringen“, ein Bild vom Paradies und „es ist gut, sich mit den anderen

 

 

verbunden zu fühlen, auch wenn man 4000 Kilometer entfernt ist“, „Adventure“ – „Abenteuer“, „please, don’t go, I need your love“ – „Bitte gehe nicht, ich brauche deine Liebe“, „rebel – disciples of the road“ – „Rebell – Jünger der Straße“, „Lucky ones“, „Tourist go home“, „Friday is a good day“, „Mi madre merece todo“ – „Meine Mutter verdient alles“, „remember, believe in yourself „, „find me“, „a true love story never ends“,“do not agonize – organize“, „super capricieuse“ – „super eigenwillig“, „Do what you want“, „you are Close to the realization of your dreams“, „stay cool, stay rock“, „choose happiness“, „temple de entusiasme“, „revival“, „Training Forever“, „El viaje perfecto“, „El Equipo perfecto“, „la Adventure perfecta“ – „die perfekte Reise“, „das perfekte Team“, „das perfekte Abenteuer“,“Under Control“.
Ich traeume immer noch von einer Welt ohne Geld. Das merke ich, wenn ich einen Kaffee bestelle und ihn zahlen muss. Wäre doch schön, keiner müsste mehr seinen Kaffee bezahlen. Ich merke, es geht darum, die Dinge zu akzeptieren, die man nicht ändern kann. Es rennen ganz viel Leute mit Totenköpfen umher. Ich erinnere mich, dass in dem Buch von Thích Nhất Hạnh davon die Rede war, nicht auf Zeichen zu achten genau wie es auch im Neuen Testament geschrieben steht…

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Die Gewissheit und Ruhe, wenn man sich beschützt weiss

 

 

Auf dem Weg zurueck

Ich packte es dann, obwohl die beiden offenbar sehr traurig waren, dass ich ging. Wie ueberhaupt ueberall wo ich war mich die Leute gar nicht gehen lassen wollten.

Die zweite Frau, die mich mitnahm, fragte mich nach meinem Leben .

„Sie sind frei! Wir sind ja Sklaven, mit den Kindern, der Arbeit und allem. Das, was Sie leben ist die Freiheit. Ich freue mich, dass ich Sie kennengelernt habe. Da weiss man, dass es auch weitergeht, wenn es mal nicht mehr geht…“

Der naechste war ein netter Herr, der sieben Jahre bei der Fremdenlegion war.

„Tahiti. Da traf ich auch einen Mann, der von der SS war. 1982. Er fragte mich, ob ich Deutscher bin. Ich verstand nicht, warum er zur SS gegangen ist.“

Zum Abschied drueckte er mir einen Fuenf-Euro-Schein in die Hand, um mir was Warmes zu trinken zu kaufen. Ich kam an dem Tag bis genau zur selben Stelle wie letztes Jahr am zweiten Tag. Hier hatte ich mich unterkuehlt, was mir dann eine Erkaeltung bescherte. Ich ging an demselben Platz vorbei und verknackste mir den Fuss, aber es war nicht weiter schlimm. Beim Spaziergang durch die Stadt fand ich ein paar leere Huetten fuer den Weihnachtsmarkt, die offen waren und Leckereien von einer Baeckerei. Dabei traf ich einen aelteren Herrn, der sich ebenfalls damit versorgte. Ich setzte mich in den Bahnhof, um zu schreiben. Draussen lag auf einigen Autos noch Schnee.

Am naechsten Tag kam ich mit einigen laengeren Wartezeiten bis zu einer dieser wirklichen Grosstaedte. In einem Einkaufszentrum fand ich zwar Internet fuer’s ipad, aber keine Toilette. Die waren schon geschlossen. Man schickte mich zum Fastfoodrestaurant. Dort sass eine Farbige vor den Toiletten.

„Konsumieren Sie erst etwas bevor Sie die Toiletten benutzen!“ fuhr sie mich an. Natuerlich weigerte ich mich und ging veraergert davon. Beim Surfen im Internet sprach mich ein Menschenbuerger an, der mir eine Schlafstelle zeigen wollte. Bloss: was er mir anbot war mir zu dreckig und ungemuetlich. Irgendwann verabschiedete ich mich von ihm. Den naechsten traf ich auf der Strasse sitzend an. Er hatte den letzten Zug verpasst und war gezwungen, irgendwo zu uebernachten. Wir schliefen ganz gut in einem Wohnhaus, dessen Tuer offenstand. Wir wachten frueh auf, doch nicht frueh genug, denn zwei Bewohner liefen an uns vorbei zum Parkplatz, fuenf Minuten bevor wir alles zusammengepackt hatten. Er lud mich zum Fruehstueck in ein Café ein, wo wir mehrere Stunden verbrachten.

„Ich wohne seit zehn Jahren in einem Mobil-Home auf einem Campingplatz. Bei uns kommen auch viel Deutsche vorbei.“

Ich bekam zwei riesige Croissants und ein Pain au chocolat. Dazu trank ich sage und schreibe drei koffeinfreie Kaffee. Er trank derweil Weisswein.

Schliesslich pachte ich es dann doch und machte mich weiter auf den Weg. Ich kam gerade an der Ampel an, an der ich letztes Mal losgetrampt war, da machte mir einer ein Zeichen, ich moege zu ihm kommen. Er fuhr ein gutes Stueck weit und liess mich an einer Raststaette raus. Es regnete mittlerweile in Stroemen, genau wie sie es angesagt hatten. Eine junge Frau versuchte ebenfalls, auf der Raststaette zu trampen.

„Ich stehe schon lange. Es geht hier schlecht.“

Ich stellte mich an den anderen Ausgang. Ein paar Marokkaner sprachen mich gleich an.

„Wir koennen dich mitnehmen.“

Sie fuhren in meine fruehere Wahlheimat. So ging ich gleich zu Mehdi, der allerdings nicht aufmachte. Ich wartete am Parkhaus in der Naehe, da es immer noch regnete. Eine Frau gab mir sogar zwei Euro, weil hier normalerweise immer Bettler stehen. Schliesslich kam auch Mehdi. Er freute sich, mich zu sehen. Es war jedoch gerade ein Freund aus Algerien bei ihm zu Besuch, der mich ein wenig nervte. Die Wohnung war fuer drei einfach zu klein. Mehdi war seit ein paar Monaten ohne Arbeit und verbrachte seine Zeit auf der Suche nach Frauen im Internet.

Als ich beim Selbstbedienungsrestaurant vorbeischaute, um zu sehen, ob jemand dort war, den ich kannte, sah ich den iranischen Fensterputzer und setzte mich zu ihm. Er laberte mich Stunden mit seinem ganzen Schmonz voll. Er hatte all sein Geld nach Australien gebracht, wo er gerne hin auswandern wollte.

„Aber jetzt muss ich noch zwei Jahren in Frankreich bleiben, sonst wuerde ich gecatcht wegen Steuerhinterziehung.“

Und das, weil er dort mehr Zinsen bekommt. Er war schon zwei mal fuer sechs Wochen in Australien gewesen; einmal davon, um eine Internetbekanntschaft zu heiraten, was er dann doch nicht tat.

„Gestern habe ich meine Wohnung verkauft. Ich will mir eine Wohnung mieten und Wohngeld beantragen.“

Ich rastete kurzerhand aus.

„Du willst Wohngeld beantragen, wo du dein Geld beiseite geschafft hast, damit du mehr Zinsen bekommst?“

Noch dazu meinte er, sein Ziel waere, eine Frau fuers Leben zu finden und das, wo er mich nicht einmal zu etwas zu trinken eingeladen hat. Er selbst sass ja auf dem Trockenen. Es war jedenfalls alles zu viel fuer mich und wenn ich anfing, ihn zu hinterfragen, nahm er es als Kritik auf.

„Ich habe dich nicht nach deinem Rat gefragt!“

„Warum erzaehlst du mir denn dann das alles?“

Er begann, mich zu beschimpfen, mit welchen Leuten ich verkehre, stand auf und ging. Besser fuer mich, denn ich war echt an meiner Grenze angelangt.

Ich trampte am naechsten Tag weiter, allerdings so spaet, dass ich nicht so weit kam, um Leute zu besuchen, die ich kannte. Mein Fahrer setzte mich in der Naehe des Bahnhofs einer mir kaum bekannten Stadt ab und ich spazierte durchs Stadtzentrum. Irgendwann stiess ich auf eine Gruppe von Strassenmusikern, die gerade vor einem Restaurant spielten. Sie kamen zu mir und spielten ein Lied fuer mich, bevor sie mich einluden, mit ihnen zu kommen. Sie hoerten allerdings bald auf zu spielen und fragten mich, ob ich schon wisse, wo ich schlafe. Ein spanischstaemmiger Typ lud mich zu sich ein.

„Da hast du ein Zimmer fuer dich. Ich lebe in einem Haus. Mein Cousin holt uns ab.“

Wir gingen noch zur Wohnung, in der drei der Musiker wohnten, bis uns der Cousin abholte. Danach holten wir gemeinsam meinen Rucksack, den ich unterwegs hinter einem Gebaeude abgestellt hatte.

„Witzig“, meinte Pablo, „ein Cousin von mir wohnt keine fuenfzig Meter von hier entfernt. Ich habe zwei Cousins hier. Einer ist gerade bei mir und der andere wohnt hier.“

Diego, der auf Arbeitsuche hier war, weil es gerade in Spanien keine Arbeit gibt, erzaehlte mir am naechsten Morgen mehr aus Spanien.

„Viele Menschen verlieren derzeit ihre Haeuser und Wohnungen, weil sie die Hypotheken nicht bezahlen koennen. Ich bin auch dabei, mein Haus zu verlieren. Jetzt wuerde ich auch kein Haus mehr kaufen, sondern lieber eines mieten. Da kann man gehen, wenn man nicht mehr bleiben will. Aber dass man zulaesst, dass die Menschen auf die Strasse gesetzt werden, ist fuer mich unverstaendlich. Der Staat ist fuer die Banken und nicht fuer die Leute. Fuer mich sollten die Menschen an erster Stelle stehen und nicht das Geld. Europa ist fuer mich etwas ganz Schlechtes.“

Pablo kam mit Cowboystiefeln und im Bademantel ins Wohnzimmer. In bezug auf seine Cowboystiefel meinte er:

„Cowboystiefel habe ich schon als Jugendlicher entdeckt und keine anderen Schuhe mehr getragen.“

Ich machte mich derweil in Haus und Garten nuetzlich, wo es Unmengen zu tun gab.

Einmal ging ich mit den Musikern zusammen auf Tour durch die Stadt und sammelte Geld fuer sie ein, aber es machte mir nicht sehr grossen Spass. Sie hielten auch staendig an, um Bier zu besorgen, zu rauchen oder zu trinken. Wie ich erfuhr, waren alle ausser Pablo fuer kuerzer oder laenger im Knast gewesen, aber sie waren trotzdem nett, wenn sie nicht zu viel getrunken hatten. Alle ausser einem Ungarn, der sich grundsaetzlich nichts von Frauen sagen lassen wollte und deshalb in staendigem Konflikt mit mir stand.

Pablo stellte mich jedem als seine Verlobte vor.

„Du kannst bleiben solange du willst. Wenn du willst, dein ganzes Leben“, pflegte er zu sagen. Und: “Ich freue mich, dass du hier bist.“ Ich fuehlte mich auf jeden Fall gleich bei ihm wie zu Hause und mit seinem Cousin verstand ich mich auch so gut, dass er meinte:

„Michelle, ich moechte, dass du bleibst.“

Also blieb ich. Ich verschte einmal, zurueck zu Mehdi zu trampen, da ich meine Regenklamotten bei ihm vergessen hatte, aber weil es regnete, kam ich nicht entsprechend voran und kehrte auf halbem Weg um. Inzwischen hatte ich auch einen gelben Micky Mouse Regenponcho fuer Kinder als Ersatz gefunden.

„Findest du mich lustig?“ fragte Pablo mehrmals.

„Ich finde dich sehr lustig, aber deine Haare wuerden gerne einmal gebuerstet werden, sonst siehst du bald aus wie ein Rasta.“

„Ich bin gerne ungebuerstet. So meinen die Leute, ich waere ein Zigeuner. Es gefaellt mir, wie ein Zigeuner auszusehen. Ich buerste meine Haare nie.“

Als ich einmal mit Pablo kurz zu seinen Musikerfreunden gegangen war, traf ich einen Bekannten von ihnen auf der Strasse, den ich gerade in ihrer Wohnung begruesst hatte.

Er fragte:

„Du bist nicht dageblieben?“

„Nein, sie trinken. Aber du auch nicht?“

„Ich habe eine Freundin. Und man kommt irgendwann an den Punkt, an dem man sich zwischen Bier und seiner Freundin entscheiden muss.“

Am naechsten Tag erzaehlte mir Pablo, dass seine letzte Freundin nicht wollte, dass er mit dem Ungarn spielt.

„Sie wollte nicht, dass ich auf der Strasse spiele. In Bars schon. Und das ist immerhin sechs Monate her. Ich war 32 Jahre mit der Mutter meiner Kinder zusammen.Und ich haette nie gedacht, dass ich eines Tages alleine dastehe.“

Als wir eine Freundin von ihm besuchten, fragte sie nach der Begruessung:

„Was haelst du davon, wenn homosexuelle Paare Kinder haben; das heisst, sie adoptieren duerfen?“

„Darueber habe ich gerade heute nachgedacht. Ich finde es gut. Das waere sehr heilsam fuer alle.“

Spaeter erzaehlte mir Pablo, dass er mit ihr zusammen in der Klinik war.

„Auch sie hatte eine Depression und kam oft in mein Zimmer. Sie hatte einen Wasserkocher, den man nicht benutzen durfte, aber ich hatte meinen Schrank abgeschlossen und so machte ich dort Kaffee fuer alle. Es hielten sich immer viele Leute bei mir auf. Ihr Freund will allerdings nicht, dass sie trinkt, aber wenn er nicht da ist, trinkt sie ein wenig.“

Zu mir gewandt sagte sie:

„Pablo ist mein einziger Freund. Ich rede sonst mit niemandem. Kommt doch nochmal vorbei.“

Als ich ihr erzaehlte, dass ich zur Zeit weder rauche noch trinke, meinte sie:

„In fuenf Jahren bin ich auch so weit wie du.“

Im Internet entdeckte ich die Seiten von Christoph Fasching und begann, sein 40-seitiges Zukunftsszenario zu studieren. Ich war damit vollkommen einverstanden. Es war unglaublich postiv.

Pablo sagte, ich haette ihn geheilt und auch sein Cousin bestaetigte mir, dass es ihm nun viel besser gehe, seit ich da waere. Erstaunlich fuer mich war, dass er auf mich hoerte und Dinge tat, die ich vorgeschlagen hatte, wie zum Beispiel das Auto zu saugen, in dem noch die Fenstersplitter vom letzten Einbruch lagen oder eine Milch fuer uns zu kaufen statt mich zum Kaffee einzuladen… Er fand es gerade toll, dass ich ihm Auftraege gab, was er tun soll.

Eines Abends spielte er mit zwei Magnetkugeln. Sie naeherten sich einander an, um dann zusammenzukleben.

„Wenn beide positiv sind, stossen sie sich ab, aber wenn einer positiv ist und der andere negativ, ziehen sie sich an.“

Einmal besuchten wir zu dritt eine Lehrerkollegin. Sie tranken zusammen eine Flasche Wein und waehrend Diego mit unserer Gastgeberin draussen eine rauchte, ueberredete Pablo ihre Tochter auf charmante Art, dazubleiben.

„Komm, bleibe bei uns. Hoere dir nur ein Lied an, dann lasse ich dich in Ruhe.“

Genauso wie er mich zu allem Moeglichen ueberredete und genau wie viele Eltern ihre Kinder zu Dingen bewegen, die gar nicht deren eigenem Willen entsprechen. Ich sprach spaeter mit ihm ueber die Sache und er verstand mich auch, zumindest zeitweise.

Einen Tag unternahmen wir eine Tour in ein kleines Staedtchen in der Umgebung, wo wir eine seiner Ex-Freundinnen von vor langer Zeit besuchten. Sie war gerade knapp dem Tod entgangen, da sie wohl so etwas wie einen Darmverschluss hatte, der von ihrem Arzt nicht richtig diagnostiziert worden war.

Ich spazierte kurz vor Sonnenuntergang auf den Huegel hinter dem Haus, auf dem mich eine Madonnastatue aus Lourdes erwartete und lief anschliessend noch durch das Dorf. Nachher kam mir Pablo mit dem Auto entgegengefahren.

„Wir haben dich schon mit Taschenlampen gesucht!“

Sie waren mir jedoch nicht boese deswegen.

Fuer mich war es nach fast zwei Wochen bei Pablo an der Zeit, zu gehen. Ich wollte noch in einer Gemeinschaft vorbeischauen, in der es eine Wagenburg geben sollte, wie man mir in Deutschland erzaehlt hatte…

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