The road is the best scool

„Es hat sich alles geaendert“, informierte mich André auf der Stelle. „Ich kann mein Wohnmobil nicht mehr einfach auflassen und weggehen wie frueher. Ich wurde nun schon zwei Mal beklaut. Und ich rede auch mit niemandem mehr ausser mit den Leuten, die ich von frueher kenne.“

Ich uebernachtete bei ihm im Wohnmobil  und trampte am naechsten Tag weiter, da er mir nicht so gerne mit meinem Bus helfen wollte. Am Abend nahm mich eine Frau mit, die ihren Freund besuchte, der auf einem Grundstueck in seinem Campingbus wohnte. Es war eine wunderschoene Gegend mit herrlichem Ausblick. Wir sassen im Freien und assen Sushi, das sie mitgebracht hatte. Zwei junge Leute mit Kleinkind wohnten in einem Haus in unmittelbarer Naehe.

„Zum Uebernachten kannst du waehlen zwischen Zelt und einem Bett im Haus“, lud mich ihr Freund ein.

„Dann nehme ich das Bett im Haus.“

Am naechsten Morgen empfing er mich mit:

„Du hast gut gewaehlt. Es hat heute nacht sogar gefroren.“

Ich erzaehlte ihm dann noch meine Geschichte mit dem Bus und er bot mir seine Hilfe an, allerdings erst in zehn Tagen.

„Du kannst gerne hierbleiben, wenn du willst. Ich fahre jedoch fuer eine Woche weg zu meiner Tochter.“

Ich wusste nicht recht, was tun und entschied mich kurzerhand, weiterzufahren. In der naechsten Stadt suchte ich den englischen Tom auf, aber seine Fensterlaeden waren geschlossen. Am Abend traf ich seinen Nachbarn, der nun nicht mehr in der Pizzeria, sondern in einem der beiden Cafés am Platz arbeitete. Ich fragte nach Tom.

„Der sitzt wohl im Knast. Die Polizei hat ihn abgeholt. Ich habe im Internet nach ihm recherchiert und zunaechst nichts gefunden. Erst als ich seinen Namen umgedreht habe, fand ich eine ganze Reihe von Informationen. Offenbar war er ein gesuchter Mann.“

Ein Mann, der mir am nachmittag schon sagte, ihm wuerde mein Outfit gefallen, lud mich zu sich sowohl zum Abendessen als auch zum Uebernachten ein. Claude erzaehlte mir, dass er jahrelang eine eigene Firma besass und schwer gearbeitet hatte. Aber dann war etwas in seinem Leben passiert, was er nicht verkraftet hat, so dass er alles aufgegeben hatte.

Am naechsten Tag wollte ich schon weiter, da gabelte mich beim Trampen ein mit Hut bekleideter, recht froehlich erscheinender Herr auf und lud mich zu einem Apero-Konzert gleich in der Naehe ein. Der Eintritt war auf Spendenbasis. Man konnte geben, was man wollte, musste jedoch irgendwas beisteuern, wenn auch nur ein paar Cent.

„Ich bin den Jakobsweg gegangen, erzaehlte er mir spontan. Von hier bis Santiago de Compostella. Das war im Jahre 2005.“

Nach dem Konzert lud er mich noch zu sich nach Hause ein.

„Ich wohne mit meinem Sohn zusammen, der aber gerade nicht da ist. Da hast du Platz. Mein Haus ist dein Haus. Ich arbeite in der Altenpflege. Ich betreue pflegebeduerftige Menschen in ihrer Wohnung.“

Wir unterhielten uns lange ueber alle moeglichen Themen.

„Ich bin Kabyle. Die Kabylei ist eine Region in Algerien. Die Araber haben uns so bezeichnet, weil wir den Koran ohne Gegenwehr angenommen haben.“

„Der Mensch ist die Summe seiner Entscheidungen“, war der interessanteste Satz, den er an diesem Abend sagte. Er trank den ganzen Abend an einer Flasche Rum, konnte dann allerdings scheinbar nicht sehr gut schlafen. Am naechsten Morgen setzte  er mich naemlich nach einer Tasse dekoffeiniertem Kaffee vor die Tuer, um seinen Kater zu kurieren. Am Tag zuvor wollte er mit mir noch gross auf Touren gehen… Zwei Tage spaeter traf ich ihn im Supermarkt wieder. Ich wartete an der Kasse auf ihn.

„Ich muss von halb sechs bis halb neun arbeiten. Und was machst du heute abend noch?“

„Ich weiss nicht.“

„Ich gebe dir meinen Schluessel. Du kannst zu mir gehen. Ich komme dann spaeter.“

So ging ich zu ihm und duschte erst einmal. Dann kam ich allerdings auf die weniger gute Idee, sein Netbook zu nehmen, mit dem wir an dem Abend zusammen im Internet waren. Ich schaute nach dem Namen von Tom und fand tatsaechlich eine Zeitungsmeldung von September 2013. Demnach hat er in den achtziger Jahren Kinder sexuell missbraucht. 2007 ging dann eine Frau deswegen vor Gericht. Er hatte sich hier versteckt, aber als er einen Reisepass beantragen wollte, wurden die Behoerden auf ihn aufmerksam. Er wurde zu acht Jahren Gefaengnis verurteilt. Danach schaute ich noch nach anderen Sachen bis mein Gastgeber heimkam und ein Donnerwetter losbrach.

„Das ist privat. Mein privates Laptop. Das haettest du nicht nehmen duerfen. Wie kommst du ueberhaupt dazu, in mein Zimmer zu gehen und es zu nehmen?“

„‚Mein Haus ist dein Haus‘ hast du zu mir gesagt.“

„Ja, das gilt fuer Kueche und Badezimmer. Dass du Duschen kannst und dir einen Kaffee kochen oder etwas essen. Aber nicht fuer meinen privaten Bereich. Jetzt hast du Punkte verloren.“

„Aber letzt hast du mich doch auch das Netbook benutzen lassen.“

„Das ist etwas anderes. Da war ich dabei. Das haettest du echt nicht machen duerfen.“

„Entschuldige mich. Ich sah das nicht als etwas persoenliches und habe auch nicht auf die privaten Sachen geschaut. Ich war nur im Internet. Ich bin verwoehnt von den anderen Orten, an denen ich bin. Dort darf ich ueberall das Internet benutzen.“

Er beruhigte sich dann wieder und erzaehlte, dass er den Herrn, den er versorgte in die Psychiatrie hatte einweisen lassen.

„Es war notwendig. Wegen seiner Krankheit. Er ist sowieso kurz davor, in die Hoelle zu kommen mit dem Kopf, den er hat.“

Als ich am Morgen aufstand, begegnete ich ihm im Flur.

„Ich schlafe noch. Ich bin nicht vor sechs Uhr ins Bett gegangen. Und du gehst dann besser. Ich muss heute alleine sein.“

Ich ging dann zum Surfen in den Park, denn dort gab es Wifi  vom Touristoffice.

„The road is the best scool“ fand ich als Spruch im Internet.

Ich traf dort spaeter einen Araber wieder, den ich schon kannte und mit dem ich ueber meinen Bus sprach.

„Ich wollte letzt ein Duplikat von Autopapieren fuer jemanden ausstellen lassen und sie wollten die technische Kontrolle, die nicht aelter, als sechs Monate ist, sehen.“

„Dann hat sich sowieso alles erledigt. Die technische Kontrolle ist ueber ein Jahr abgelaufen und ich habe auch kein Interesse, eine neue zu machen. Ich moechte eh nicht mehr mit dem Bus fahren.“

„Ja, sie sollen strenger geworden sein. Es ist nicht mehr so leicht wie frueher, durch die technische Kontrolle zukommen. Und wenn man ohne Kontrolle faehrt und wird erwischt, dann nehmen sie einem gleich das Fahrzeug weg und geben es einem erst wieder, wenn man damit zur Kontrolle faehrt.“

Abschliessend meinte er: „Du kannst gerne zu mir kommen zum Duschen oder auch zum Uebernachten, wenn du willst. Ich werde dich nicht draussen schlafen lassen. Ich gehe dann aber nach Hause. “

Er beschrieb mir, wo er wohnte.

„Ich habe keine Klingel, aber das Fenster ist offen. Rufe einfach.“

Ich ging kurze Zeit spaeter wirklich zu ihm und er machte auf. Wir unterhielten und ueber Gott und die Welt.

„Wer an Gott glaubt, kann sich kein Abbild machen, weder von ihm, noch von sonst etwas auf der Welt. Das ist ein Gebot. Viele religioese Gruppen machen das aber, auch die Mormonen,“ pflichtete er bei.

„In der Tat sind die Moslems fast die einzigen, die sich keine Abbilder machen,“ fuegte ich hinzu.

Als Markt war, sprach ich ausnahmsweise mal einen Verkaeufer an und fragte ihn, ob er Hilfe brauche.

„Nein, ich habe genug Zeit, um alles alleine aufzubauen.“

Es stellte sich heraus, dass er Nepalese war.

„Davon gibt es aber nicht viele hier in Frankreich. Du bist der erste, den ich treffe!“

„Ich habe auch noch keinen getroffen.“

„Und wie lange bist du schon hier?“

„Zehn Jahre. Ich bin hergekommen, um franzoesisch zu lernen und geblieben. Und jetzt verkaufe ich hier Sachen aus Nepal.“

„Ich war auch schon in Nepal. Vor vielen Jahren. Es ist mein Lieblingsland auf dieser Erde.“

„Dann wird es Zeit, dass du es wieder besuchst.“

„Ich habe den Annapurna-Trek gemacht.“

„Das ist auch mein liebster Treck, obwohl ich ihn nicht ganz gegangen bin. Nur Teile davon.“

Wir unterhielten uns noch eine ganze Weile ueber dies und das, als auf einmal zwei Polizisten in Zivil auftauchten.

„Kontrolle.“

Sie zeigten beide ihren Ausweis.

„Arbeitet die Dame fuer Sie?“

Sie schauten zu mir.

„Hilft sie Ihnen beim Ausladen?“

„Nein. Wir haben uns nur unterhalten, weil er aus Nepal kommt, wo ich auch schon war.“

„Sie kommen aus Nepal?“

„Ja, ich komme aus Nepal.“

Sie liessen sich seine Papiere zeigen und der eine von beiden meinte zu mir gewandt:

„Sie haben doch geholfen, oder nicht?“

„Nein“, bestaetigte ich noch einmal, worauf er es bewenden liess. Trotzdem fragten sie:

„Und wo wohnen Sie?“

„Ich reise.“

„Da haben wir ja Glueck gehabt, dass du meine Hilfe nicht annehmen wolltest.“

„Kann man wohl sagen. Vor allem, dass wir auch keine Scherze gemacht haben, à la ‚Komm, du hast mir doch geholfen‘. Damit ist echt nicht zu Scherzen. Sie machen ihre Arbeit, aber ich mag sie trotzdem nicht.“

Spaeter ging ich zu einem anderen Stand mit indischen Klamotten, an dem ich den Verkaeufer kannte.

„Na, bist du nicht mehr in der Gemeinschaft? Haben sie Dich zu sehr gekidnappt?“

„Gekidnappt. Ja, genau das war’s.“

„Man kann einen auch mental kidnappen. So wie Sekten.“

 

 

 

 

 

Ein neues Zuhause

Als ich bei Henry, dem oesterreichischen Zigeuner vorbeischaute und ihm mein Leid klagte wegen des Busses ohne Heizung unter Beobachtung der Polizei, meinte auch er: « Probier es doch mal auf dem Campingplatz. Bei Heidi.»

So schaute ich in den naechsten Tagen oefters dort vorbei, aber immer war das Tor geschlossen und ich getraute mich nicht so recht hinein. Eines Tages stand das Tor jedoch offen.

Da auf mein Klingeln an der Haustuer niemand reagierte, versuchte ich es mit Klopfen. Diesmal machte sie auf.

„Hallo Heidi, ich bin Michelle. Ich war im Sommer schon mal kurz hier.“

„Was fuehrt dich zu mir?“

„Ich habe gerade das Problem, meinen Bus jede Woche woandershin fahren zu muessen wegen der Polizei und ausserdem habe ich keine Heizung. Ich wohne bei meinem Freund, aber die Wohnung ist schon fuer einen zu klein, geschweige denn fuer zwei. Ich braeuchte eine Moeglichkeit, mich ein bisschen zurueckzuziehen.“

„Du kannst zwei Wochen hierbleiben. Das ist kein Problem. Nach zwei Wochen muss man die Gemeinde fragen und ihr 17 Euro pro Woche bezahlen. Und ich will auch etwas, aber darueber koennen wir spaeter reden.“

„Ja, o.k.. Zwei Wochen, das ist super.“

„Also, kommst du morgen vorbei?“

„Mach ich.“

Ich ging am naechsten Tag vorbei.

„Komm rein“, begruesste sie mich. „Setz dich. Also, was hast du fuer Beduerfnisse?“

„Ich braeuchte nur Strom fuer die Heizung.“

„Und Wasser? Hast du eine Toilette?“

„Nein.“

„Dann zeig ich dir wie man das Wasser anmacht. Es sind naemlich schon drei Mal im Winter die Rohre gebrochen. Seitdem drehe ich das Wasser aus und lasse die Leitungen auslaufen. Duschen haben wir gerade keine. Der Campingplatz ist ja eigentlich zu.“

„Kein Problem. Ich kann bei meinem Freund duschen.“

„Die Waschmaschine kannst du auch benutzen. Wie lange willst du bleiben?“

„Ein paar Tage. Ich wollte eigentlich verreisen, aber ich brauche noch ein wenig Zeit, um mich darauf vorzubereiten.“

„Dann sagen wir 20 Euro pro Woche.“

„Und wenn ich weniger als eine Woche bleibe?“

„Fuenf Euro pro Tag.“

Mir fiel ein Stein vom Herzen.

„Wunderbar. Es erleichtert mich wirklich, einen Platz fuer mich zu haben.“

Einer der beiden Hunde begann freudig zu bellen und mir seine Pfote aufs Knie zu legen.

„Er freut sich mit mir.“

„Ich bin noch bis zum zehnten des Monats da und dann verreise ich. Was nach dem zehnten ist, weiss ich nicht. Kommst du morgen?“

„Nein, heute noch, jetzt gleich.“

„Dann bis spaeter..“

Als ich von Heidi wegging, war mir, als waere eine schwere Last von mir gefallen. Ich fuehlte mich leicht und beschwingt.

Von Raphael lieh ich mir ein Verlaengerungskabel und fuhr sofort zum Campingplatz. Ich schloss gleich den kleinen Heizluefter an und freute mich, endlich eine Waermequelle im Bus zu haben. Das war doch etwas ganz anderes. Ich brauchte nur so wenig, um gluecklich zu sein.

Einmal schaffte ich es, frueh aufzuwachen und zum Vagabundencafé zu Trampen. Eine Neue empfing mich dort mit:

„Du musst dringend in die mittelalterliche Stadt fahren wegen der Krankenversicherung. Sie gilt jetzt schon seit zwei Monaten, aber du musst eine Bestaetigung abholen. Es ist dringend, am Montag oder Dienstag. Aber du musst vorher anrufen.“

„Ich telefoniere aber nicht.“

„Dann komme vorbei. Wir telefonieren fuer dich. Aber es ist dringend. Am Montag oder Dienstag, o.k. Schon seit drei Wochen liegt die Bestaetigung fuer dich bereit. Wir haben dich gesucht, aber nicht gefunden.“

„Ich werde versuchen, in der Frueh zu Kommen, aber fuer mich ist es das Schwerste von der Welt. Ich habe es schon vorher einmal versucht, aber mich nahm keiner mit und als ich hier war, hattet ihr schon zu.“

„Du kannst klingeln. Wir sind auch spaeter noch da, auch wenn das Café schon zu hat.“

„Whow, nach einem Jahr mal wieder eine Krankenversicherung zu haben, das ist genial.“

Im Anschluss lief ich zum Hypermarkt und kam an einer Kirche vorbei. Ein Mann mit einem grossen Hund sprach mich an: „Sind Sie Pilgerin oder auf Urlaub?“

„Keines von Beidem. Ich wohne in der Gegend.“

„Die Kirche wird gerade restauriert. Sie ist aus dem elften Jahrhundert. Dort unten ist eine wundertaetige Quelle unserer lieben Frau. Das Wasser ist gut fuer die Augen. Man waescht sich mit dem Wasser die Augen und die Haende. Normal wird es nicht getrunken, obwohl es auch Leute gibt, die es trinken. Schon lange pilgern die Menschen hierher, noch lange vor Lourdes. Kennen sie Lourdes?“

„Ja, ich war schon dort.“

„Es kommen Leute aus der ganzen Welt hierher, sogar aus China. Und die Quelle hat schon viele geheilt, aber man muss daran glauben. Und die Kirche wird im Fruehjahr wieder eroeffnet.“

„Also, dann gehe ich mal zur Quelle“.

Ich wusch mir also die Augen und Haende mit dem Wasser und war baff erstaunt. Ich sah die Welt viel klarer und strahlender wie je zuvor. Als ich zur Kirche zurueckkam, war er immer noch dort.

„Die Quelle ist ja wirklich wundertaetig, phantastisch!“

„Man muss nur daran glauben…“

Ich lief ein Stueck weiter und traute meinen Augen nicht: im Gras neben der Strasse lag ganz seelenruhig ein blauer 20-Euro-Schein. Ich hob ihn auf und begutachtete ihn, denn irgendwie konnte ich es kaum glauben. Es waren die Spuren eines daruebergefahrenen Autos darauf, aber sonst war er intakt. Es war genau das, was ich fuer die eine Woche auf dem Campingplatz brauchte! Unglaublich. Noch nie glaube ich, habe ich einen Geldschein auf der Strasse gefunden.

Ich verbrachte viel Zeit auf dem Campingplatz. Ich genoss es, im Camping-Bus zu schlafen und zu sein. Es war meist herrliches Wetter und ich lag viel draussen in der Sonne.

An einem dieser herrlichen Tage packte es mich und ich fuhr mit Raphaels Bus in das naechstgroessere Dorf, wo einer dieser billigen Gebrauchtwarenlaeden war. Ich traf Henry auf der Strasse und nahm ihn mit. Ich kaufte mir eine Hose fuer einen Euro, mehr Geld hatte ich auch gar nicht dabei, wie ich feststellen musste.

„Darf ich dich zum Kaffee einladen?“ fragte mich Henry.

„Ja, gerne. Aber ich wuerde gerne noch ein bisschen spazieren gehen. Du nicht?“

„Du, ich kann mit diesen Schuhen nicht laufen. Sie tun mir weh. Sie sind gerade dafuer gut, ein paar Meter zu laufen, bis zur naechsten Bar zum Beispiel. Ich muss mir ein paar neue Schuhe basteln. Normal mache ich mir meine Sandalen selber: aus Stuecken von Leder und einem Mofaschlauch. Aber ich habe zur Zeit kein Leder. Das ist gar nicht so leicht zu bekommen. Willst du noch einen Kaffee?“

„Nein, bei dem schoenen Wetter wuerde ich lieber noch ein wenig spazieren gehen.“

„Die Gegend an der Quelle des Sturzbaches ist schoen. Warst du da schon?“

„Mehrere Leute haben mir schon davon erzaehlt und dort soll gerade ein Tipi-Dorf sein. Ich glaube, ich fahre dort hin. Das hatte ich schon lange vor. Magst du nicht mitkommen?“

„Ach, nein, ich weiss gar nicht mehr wo genau das ist.“

„Man hat mir den Weg dorthin beschrieben.“

„Es gibt so viele Wege. Nein, ich gehe lieber nach Hause.“

Ich setzte ihn also ab und fuhr den Weg entlang, den man mir beschrieben hatte. Ich fand es auf Anhieb, stellte den Wagen an der Strasse ab, wo eine Erdstrasse zur Quelle abzweigte und lief den Rest zu Fuss. Erst lief ich zur ausgeschilderten Quelle, die schlichtweg an einer Waldlichtung aus der Erde entspringt und dann machte ich mich auf die Suche nach dem Tipi-Dorf, zunaechst jedoch ohne Erfolg. Da kam mir eine junge Frau mit langen verfilzten Rastalocken entgegen. Sie hatte Traenen im Gesicht.

„Hallo, ich komme das Tipi-Dorf besuchen. Man hat mir davon erzaehlt.“

„Ah ja, es ist da hinten, aber es ist kein Demonstrationsobjekt. Wir leben dort.“

„Ich habe Euch Brot mitgebracht, bio.“

„Ach, entschuldige, ich bin schlecht drauf heute. Natuerlich bist du willkommen, uns zu besuchen und eine Tasse Tee bei uns zu trinken. Der Weg geht dort entlang.“

„Ich werd’s schon finden.“

„Und wenn nicht, rufst du.“

Ich fand es jedoch auf Anhieb. Mehrere Tipis standen im Wald am Rande einer Lichtung. Ein paar Leute machten sich draussen zu schaffen, als ich ankam.

„Hallo, ich bin Michelle. Ich wollte euch mal besuchen kommen. Man hat mir von Euch erzaehlt.“

Die Menschen stellten sich nacheinander vor, gaben mir einen Kuss zur Begruessung und hiessen mich willkommen.

„Wir machen gerade Fruehjahrsputz“, klaerte mich einer mit grauen mittellangen Haaren und lederner Fransenjacke auf.

„Es ist Zeit fuer die Sonnenuntergangsmeditation“, meinte ein anderer und lief auf eine Wiese, auf der gerade einer Didjeridoo spielte. Ich folgte ihm und genoss die letzten Sonnenstrahlen.

„Wir gehen auf ein Fest im Dorf unten. Wenn du willst, kannst du hinkommen.“

Sie machten sich fertig, um zu gehen.

„Es gibt erst einen schamanischen Tanz.“

Da kein Platz mehr im ersten Auto frei war, lief ich zu Fuss den Weg runter bis mich ein zweites Auto bis zum Bus mitnahm. Als ich im Dorf ankam, sah ich die ganzen Leute von den Tipis auf der Strasse herumlaufen. Ich traf Gabrielle.

„Es hat noch nicht angefangen, die Leiterin des schamanischen Tanzes ist noch nicht da. Kommst du auch zur Feier?“

„Ich hatte es vor, aber wenn es noch nicht angefangen hat…“

Ich entschloss mich jedoch zurueckzufahren, denn ich wollte noch mit Heidi vom Campingplatz reden, denn die Woche war vorbei. Sie war da, als ich kam.

„Ich habe noch viel zu tun bevor ich reise, und du?“

„Ich habe einen Ausflug gemacht an die Quelle des Sturzbaches.“

„Zum Tipi-Dorf?“

„Zum Tipi-Dorf. Heute abend ist eine Feier im Dorf bei ihnen.“

„Ah, gut zu wissen, falls ich noch ausgehen will. Uebrigens, wenn du willst, kannst du hierbleiben. Wenn du kein Geld hast, auch ohne zu bezahlen. Du kannst auf den Campingplatz aufpassen, waehrend ich verreise.“

„Ja super, wenn das so ist, dann bleibe ich. Es gefaellt mir hier. Es ist so schoen, morgens aufzuwachen und den Himmel zu sehen und die Tuer zu oeffnen und in der Natur zu sein. Jetzt kann ich die Leute verstehen, die Camping machen. “

„Dann bist du meine Stellvertreterin. Wenn jemand kommt fuer eine Nacht, kannst du sie reinlassen. Wenn sie dir sympathisch sind. Mach es nach Gefuehl und wie du willst. Eigentlich ist der Campingplatz ja geschlossen. Du nimmst pro Nacht fuenf Euro.“

Am Abend erzaehlte ich Raphael davon.

„Whow, dann hast du ja einen ganzen Campingplatz fuer dich alleine! Du machst das schon ganz gut.“

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