Ausprobiert: Waschen mit Efeu von smarticular.net

Habe vor geraumer Zeit eine supertolle fuer mich neue Website entdeckt: smarticular.net.

Auf ihr finden sich unendlich viele grossartige Ideen und Hinweise, Rezepte und Tips wie man ganz einfach wunderbar zukunftsfaehig und vor allem mit weniger Geld leben kann. Ich kam auf die Seite durch den Link auf Deos zum Selbermachen, fand dann jedoch noch viel Interessantere Dinge, da ich die letzten Jahre eigentlich ganz gut ohne Deo ausgekommen bin.

Ausprobiert habe ich jetzt – nachdem ich schon vor längerer Zeit davon gehört habe, – mit Efeu Wäsche zu waschen und es auch als Spülmittel zu benutzen. Das Rezept habe ich in der vereinfachten Form von smarticular übernommen, also nur die Blätter etwas zerkleinert und sie in ein Taschentuch verknotet in die Wäschetrommel getan. Beim Spüli nahm ich Wasser dazu und setzte die etwas zerkleinerten Blätter darin an. Beides ist gut geeignet. Für die weiße Wäsche vielleicht nicht ausschließlich. Da wird man/frau ab und an ein Sauerstoffbleichmittel hinzufügen dürfen damit die Wäsche dauerhaft weiß bleibt wie beim biologischen Waschmittel auch.

Auf jeden Fall gibt es Ideen in Huelle und Fuelle wie wir Dinge aus unserem Alltag einfach anders nutzen koennen, sei es dass wir Dinge essen, die wir nie als essbar empfanden ( frische Ahornblaetter im April als Salat ) oder sie zu Kosmetika, Hygieneprodukten oder Reinigungsmitteln verarbeiten. Oder wir lernen Sachen, die wir gewohnt sind wegzuwerfen fuer andere Zwecke wiederzuverwerten (Avokadokerne zermahlen und dem Muesli hinzufuegen oder eine Haarkur daraus machen); fuer jede/n ist was dabei, das sein oder ihr Herz erfreut. Sogar ein Rezept meines geliebten Kirschenmichels zur Verwendung von trockenem Brot ist neben vielen anderen Rezepten zur Trockenbrotverwertung dabei :). Und auch natuerliche Mittel gegen Wespen, Fliegen und Steckmuecken sind zu finden wie die Idee mit dem rauchenden Kaffeesatz, um die Wespen zu vertreiben…

Frau/man kann auch selber mitschreiben, scheint nicht weiter kompliziert zu sein; also auf in ein Neues Zeitalter!

Weniger erfreuliche Überraschung

Wie gesagt, bin ich mit nur zwei Wagen nach Deutschland gekommen und ließ mich in einer Stadt absetzen, in der ich traditionell eine Freundin entweder als erstes auf meiner Reise nach Deutschland oder als letztes besucht hatte. Bis ich bei ihr ankam, war es schon halb zwölf und da sie auf mein einmaliges Klingeln nicht öffnete, fuhr ich zurück zum Bahnhof. Dort sprach mich ein junger sympathischer Typ an:

„Kann ich Dir helfen?“

„Vielleicht, ich suche einen Schlafplatz. Ich bin gerade angekommen.“

„Ich kenne einen Platz, da kann man immer irgendwo schlafen, wenn du Platte machen willst. Komm, ich fahre mit Dir dort hin. Mit der Nachtlinie. Ich zahle Dir das Ticket. Ich habe da auch schon ab und an geschlafen, wenn ich hier in der Stadt war. Ich wohne nämlich in einem kleinen Dorf außerhalb und heute soll es dort in der Nähe auch einen Schlafplatz für mich geben bei einem Kumpel.“

Wir setzten uns in die letzte Reihe des Nachtbusses. Ich erzählte ihm, wie ich lebe.

„Du erinnerst mich an meine Mutter. Die war auch so drauf wie Du. Sie hat sich am Ende noch trampend bis Frankreich durchgeschlagen. In Südfrankreich ist sie in einen Fluss gegangen, um sich zu waschen  – und dabei ertrunken… Sie war zweiundvierzig Jahre alt. Ich wurde von ihr weggenommen, da war ich acht Jahre alt. Ich kam in eine erzkatholische Pflegefamilie mit fünf Kindern. Aber das war o.k. Ich wohne auch jetzt wieder bei ihnen und mache eine Ausbildung. Da sind geordnete Verhältnisse.“

Ich dachte mir schon, dass er mit mir in genau jenes Viertel fahren würde, in dem ich auch schon im Gästewagen einer Wagenburg übernachtet hatte und so war es dann auch. Er führte mich erstmal in einen der Keller.

„Hier habe ich auch schon geschlafen, da sagt keiner was.“

Es ging jedoch schon nach kürzester Zeit eine der Türen direkt neben uns auf und der Anwohner meinte:

„Eine Nacht ist o.k., aber nicht länger. Wir hatten nämlich schon Mal einen Fall von einem, der im Keller geschlafen hat und am Morgen war er tot. Da haben wir keine Lust drauf.“

Wir gingen uns dann weiter umschauen, mein Begleiter zeigte mir weitere Toiletten und Duschen, die ich noch nicht kannte. Draussen trafen wir einen ganzen Pulk Männer, die zu Bier und Wein um ein Feuer herumsaßen. Wir setzten uns dazu und ich kam mit dem Typ ins Gespräch, den wir gerade im Keller getroffen hatten. Er war auch schon diverse Male auf dem Jakobsweg gewesen, also ein erfahrener Jakobspilger.

„Dieses Jahr bin ich die Strecke von Görlitz aus gegangen. Das ist an der Grenze zu Polen. Echt ein schöner Weg. Den kann ich dir empfehlen.“

Trotz der Sympathien aufgrund des Jakobspilgerns lud er mich nicht etwa in seinen Keller oder sonstwo hin zum Übernachten ein. Im Gegenteil. Er klärte mich auf:

„Die Gästewagen, die früher zur Verfügung standen, sind jetzt allesamt belegt durch die Leute von der Wagenburg, die sie im Frühjahr geräumt haben. Alle ihre Wägen wurden beschlagnahmt und um sie wiederzuhaben, müssen die Leute eine teure Auslöse zahlen. Es war so, dass ihnen ein Platz von der Stadt angeboten wurde, aber er war für sie zu klein und so haben sie ihn abgelehnt. Sie wollten alle zusammenbleiben. Früher, da haben sie mal hier im Viertel gestanden. Da wo jetzt ein Hotel hingebaut wurde. Also, wenn du hier übernachten willst, dann ist ein Keller die beste Option.“

Irgendwie war es mir unangenehm, alleine als Frau nur unter Männern und das noch mitten in der Nacht. So machte ich irgendwann klammheimlich die Flatter, sogar ohne mich von dem netten Begleiter zu verabschieden, der mich hergebracht hatte und der von seinem Wesen her auch gut mein eigener Sohn hätte sein können. Obwohl ich das heimliche Gehen doch bereut hatte. Es war einfach nicht nett von mir, nachdem er so lieb war, mich hierher zu führen. Die Geschichte seiner Mutter hatt mich zu Tränen gerührt.

Eigentlich wollte er am nächsten Tag in der Küche der Wagenburgler vorbeischauen, aber ich habe ihn leider nicht mehr getroffen. Dafür war gerade eine Frau auf der Durchreise in den Süden da. Ich gab ihr gleich eine ganze Reihe von Tips, was sie in Frankreich besuchen könnte. Hippieland natürlich. Und ich traf auch Leute von früher, die mich damals eingeladen hatten, im Gästewagen zu übernachten.

„Es sind nur noch zwei von damals übriggeblieben, die hier in LKWs leben. Die anderen sind alle weg. Aber dafür sind jetzt die Leute von der Wagenburg da, die sie geräumt haben. So ist es eng hier geworden“, erläuterte mir eine Frau, die sich noch an mich erinnerte. Die nette burschikose Frau, die mich das letzte Mal zum Essen eingeladen hatte, als ich damals mir nichts, dir nichts vorbeilief, war weg. Nur der ebenfalls äußerst freundliche Schrauber in seinem uralten Feuerwehrwagen war auch noch da. Er gab mir überhaupt den Tip, doch hier im Keller vor der Kinderkrippe zu schlafen.

„Da hat eine Frau den ganzen letzten Winter übernachtet. Die war ganz unauffällig. Am Abend kam sie und am Morgen war sie wieder weg. Die Kinderkrippe ist ja nur drei Mal die Woche geöffnet.“

Ich schaute mir die Sache an und es war echt schön eingerichtet und sauber – mit Teppichen, Bänken und einer Matratze, die zur allgemeinen Benutzung zur Verfügung stand. Wunderbar. Ich richtete mich dort für die Nacht ein, konnte jedoch aufgrund eines fehlenden Fensters nicht wirklich schlafen. Ohne Kontakt zur Außenwelt war mir das Schlafen schon immer schwer gefallen.

Am nächsten Tag fuhr ich dann zu meiner letzten in dieser Stadt übrig gebliebenen Freundin. Ich klingelte und lief die Treppe hinauf. Ein junger Mann schaute mir vor ihrer Tür entgegen. Ich dachte schon, er sei ein Haussitter, aber weit gefehlt.

„Ich bin der Nachbar. Ich habe das Klingeln gehört. Ihre Bekannte ist vor sechs Wochen gestorben.“

Ich war fassungslos. Ich fragte, ob ich mich bei ihm setzen dürfte und er lud mich zu einem Tee und Spaghetti ein. Er kannte meine Freundin nicht viel, gab mir aber bedeutsame weiterführende Informationen.

„Die Nachbarin gegenüber hat sich sehr um sie gekümmert. Ihr zu Essen gebracht, als sie sich nicht mehr versorgen konnte. Und es gab noch eine andere Nachbarin in der Nähe, die sich ebenfalls viel um sie gesorgt hat.“

„Normal habe ich bei ihr übernachtet, wenn ich hier war.“

„Sie können zur Not hier übernachten, aber ich habe eine Freundin, die noch arbeitet und später zurückkommt. Ich weiss nicht, ob ihr das so recht ist. Aber fragen Sie mal die Nachbarin gegenüber, wenn sie noch zu ihr gehen. Ich weiss, dass sie auch schon andere Leute beherbergt hat.“

So ging ich und klingelte bei der Nachbarin gegenüber. Sie war da und lud mich zu sich ein. Nicht nur für einen Tee, nein, ich durfte gleich ganz dableiben.

„Ich habe hier das Zimmer von meinem Sohn, der ausgezogen ist. Das habe ich ab und an vermietet, aber im Moment nicht. Ich habe nämlich einen afrikanischen Freund, der auswärts arbeitet und er kommt nicht, wenn jemand da ist. So können Sie gerne hierbleiben unter der Bedingung, dass wenn er anruft und sagt, dass er kommt, Sie dann innerhalb einer halben Stunde gehen.“

„Das ist o.k. für mich.“

In der Tat war ich glücklich. Sowieso hatte ich das dringende Bedürfnis, mit Menschen zu sprechen, die mit meiner Freundin die letzte Zeit vor ihrem Tod noch Kontakt hatten.

„Ich habe sie jetzt zwei Jahre nicht mehr gesehen, weil ich das letzte Mal, als ich in Deutschland war, nicht hier Station gemacht habe. Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich bestimmt früher gekommen.“

„Ja, wenn mehr Leute dagewesen wären, um ihr zu helfen, das wäre gut gewesen. Aber auf der anderen Seite sah sie am Ende schon schlimm aus. Sogar ich habe es manchmal nicht mehr ausgehalten und habe jemand anderen gebeten, ihr das Essen zu bringen, das ich gemacht hatte. Ich weiss nicht, was sie hatte. Sie hat darüber nie gesprochen. Ich weiss nur, dass sie in der Tumorbiologie staionär interniert war. Sie hatte sich immer geweigert, zu einem Arzt zu gehen. Ich weiss nicht einmal, ob sie eine Krankenversicherung hatte. Sie hatte ja nie Geld.“

„Ich weiss, das war ihr Problem.“

„Als sie dann immer mehr abbaute, hat eine andere Nachbarin ihr einen guten Arzt besorgt, zu dem sie Vertrauen hatte. Der einzige, zu dem sie Vertrauen hatte. Er kam immer mit dem Fahrrad hierher gefahren. Er fährt in der ganzen Stadt mit dem Fahrrad zu seinen Patienten. Er ist rührend. Er hat sie bis zu Ende betreut. Ich kann Ihnen seine Telefonnummer geben. Er hat noch den Schlüssel zur Wohnung.“

„Das trifft sich ja gut. Ich hatte nämlich ein paar Sachen bei ihr gelassen. Wäre schön, wenn ich die an mich nehmen könnte.“

„Es war noch jemand sehr eng mit ihr befreundet, der auch schon hier gewohnt hat. Er lebt wohl ähnlich sie Sie. Er ist nirgends fest. Im Sommer schläft er draußen in der Natur. Er konnte hier nicht gut schlafen. Deshalb hat er sich dann etwas anderes gesucht.“

„Wäre schön, wenn ich mich mit ihm unterhalten könnte. Ich glaube, vielleicht habe ich ihn bei ihr schon einmal gesehen. Ich erinnere mich nämlich, dass irgendwann mal ein Mann in meinem Alter bei ihr war, als ich zu ihr kam.“

Sie gab mir beide Telefonnummern und am nächsten Tag rief ich beide an, um mich mit ihnen zu verabreden.

Der Arzt kam, als er Zeit hatte vorbei und wir schauten uns gemeinsam in der Wohnung um. Ich öffnete den Kühlschrank, der irgendwann vor längerer Zeit ausgeschaltet worden war und aus dem mir ein ekliger Geruch verdorbener Lebensmittel entgegen strömte. Ich entsorgte alles in einem großen Müllbeutel.

„Es waren zwar schon Mal Leute da, aber keiner hat daran gedacht, den Kühlschrank auszuräumen“, ließ mich der liebe Arzt wissen.

„Kein Problem. Ich mache grundsätzlich die Dinge, die sonst keiner macht oder die keiner machen will. Das ist ganz normal.“

Dann gossen wir noch die Blumen und er suchte sich Bücher heraus, die ihm gefielen, während ich umsonst nach eine blauen Tasche suchte, die ich mal bei ihr gelassen hatte. Sie war jedoch unauffindbar.

„Die Leute haben schon einiges mitgenommen, vor allem Bücher. Einer hat die ganzen anthroposophischen Bücher mitgenommen“, klärte er mich auf. „Wir treffen uns alle nochmal, die mit ihr bekannt oder befreundet waren am Ende des Monats. Wir gehen zusammen auf den Friedhof und dann in einem Lokal in der Nähe was trinken. Da können Sie ja auch hinkommen.“

„Wenn ich noch da bin“.

Ursprünglich hatte ich nicht vor, länger hier in der Stadt zu bleiben.

„Sie hatte eine Baumbestattung, was man ja nicht Grab nennt. Es ist ganz in der Nähe des hinteren Ausgangs am Hauptfriedhof, der nicht weit entfernt von hier ist. Das finden Sie schon.“

Nach einer gewissen Zeit hielt ich es nicht mehr in der Wohnung aus. Ich erinnerte mich daran, dass ich das letzte Mal, als ich bei ihr war, unglaublich starke Kopfschmerzen bekommen hatte und deshalb auch vorzeitig gehen musste. Und jetzt erfuhr ich, dass sie einen Gehirntumor hatte, aber mit niemandem darüber reden wollte.

„Sie hat sich lange geweigert, zu einem Arzt zu gehen und als sie zu mir kam, war es zu spät. Ich hatte sie in die Klinik eingewiesen, um sie untersuchen zu lassen, aber da waren schon Metastasen im ganzen Körper und die Ärzte wollten und konnten nichts mehr tun. Ich bin jeden Tag zu ihr gefahren. Sie konnte nichts mehr Essen und nichts mehr Trinken. Ich habe gesehen, dass sie Durst hatte und habe zu den Ärzten gesagt:

‚Geben sie ihr Wasser. Sie hat Durst‘.

Den vorletzten Tag haben sie ihr noch Wasser gegeben, aber am nächsten Tag kam ich wieder und sie hatte wieder Durst. Ich gab den Ärzten wieder Bescheid.

Da sagte der Arzt zu mir:

‚Wenn die Seele gehen will, dann muss man sie lassen.‘

Ich weiß aber, sie wollte nicht sterben. Sie hatte Hoffnung bis zum Schluss. Noch am letzten Tag. Sie glaubte nicht daran, dass sie sterben muss. Und dann haben sie ihr kein Wasser mehr gegeben – im Grunde ist sie verdurstet.“

Seine Erzählung machte mich betroffen. Im Krankenhaus verdurstet. Erst kürzlich las ich im Internet, dass es heute Usus ist, in Krankenhäusern unheilbare, dem Tod geweihte Patienten verdursten zu lassen. Aber ohne fremde Hilfe wäre sie eh gestorben, von daher. Besser als Todkranke noch ewig lange künstlich am Leben zu erhalten, finde ich, aber das sind alles Gewissensfragen…

Was in den letzten Monaten so passiert ist…

Es wird Zeit Bericht zu erstatten, was die letzten Monate passiert ist, die eigentlich unglaublich schnell vergangen sind. Ich war letzten Sommer dann längere Zeit am Meer, an dem Ort, an dem ich mal einen Winter mit meinem Wagen verbracht hatte und von daher noch Leute kannte, die ich erst mal besuchte.

Das eine war eine Holländerin mit ihrem Freund, die seit 35 Jahren hier wohnte. Da ihre Tochter, die sie 23 Jahre nicht gesehen hatte mit ihren zwei Söhnen im Alter von neun und dreizehn Jahren jetzt bei ihr im Wohnzimmer wohnte, weil sie ihr Gästehaus den Sommer über vermietet hatte, schlief ich im Pavillon auf der Terrasse. Das war eigentlich sehr gemütlich.

Pascale kam dann vorbei und wir lernten, als wir in eine Galerie gingen, eine total nette Künstlerin kennen, die uns einlud, bei ihr zu bleiben. So hatten wir eine wunderschöne Zeit. Ausserdem hatte ich einen Heiler ausfindig gemacht, der einen Bioladen unterhielt und der Pascale eine Reihe von Tipps geben konnte wie sie ihre Fybromyalgie in den Griff bekommen könnte. Er packte gleich ein ganzes Papier aus, auf dem auch die Ursachen der Erkrankung und mögliche Heilmethoden vorgestellt wurden. Pascale fuhr nach einer Woche wieder, da sie Sachen zu Hause zu erledigen hatte, während ich noch eine weitere Woche bei der Künstlerin weilte.

Pascale kam dann noch mal wieder für eine Woche, aber diesmal konnte uns die Künstlerin nicht beherbergen, weil ihre drei süssen Kinder zu Hause und nicht wie vorher bei ihrem Vater waren, so dass wir auf einem schönen Parkplatz im Auto nächtigten, auf dem ich auch damals mit meinem Campingbus gewesen war. Wir lernten einen Franzosen kennen, der gerade unterwegs war und uns fortan begleitete, was ganz gut war, denn es hatte diesmal seltsamerweise unüberwindliche Konflikte zwischen mir und Pascale gegeben, die durch seine Präsenz entschärft wurden. Das war für mich auch wieder so ein Zeichen, dass die Existenz doch immer wieder für einen sorgt und für das, was man braucht.

Dann kam ein englischer Freund, der früher hier auf einem Boot wohnte. Er hatte sich inzwischen ein Grundstück in Italien gekauft und dort ein Haus aus Lehm und Stroh gebaut mit Fenstern und Türen, die er irgendwo aufgelesen hatte. Er zeigte mir Bilder von dem Grundstück in den Bergen und dem total schön runden Haus.

„Das ganze Haus hat mich gerade mal tausendzweihundert Euro gekostet. Das Grundstück ist ein Olivenhain. Und der ganze Platz soll offen sein für alle möglichen Leute.“

Wenn also eine(r) meiner werten LeserInnen mal zu ihm fahren will, gebe ich gerne seine Kontaktdaten weiter…

Er war mit seiner jetzigen Freundin – ebenfalls eine Engländerin – angereist, mit der ich mich blendend verstand und lud mich ein, zu ihm nach Italien zu kommen.

„Du kannst dort auch den Winter verbringen. Ich fahre im Dezember nach England und komme im Januar hierher. Du kannst aber auch hier auf dem Boot wohnen, wenn du willst.“

Seine Freundin erzählte mir beiläufig, als er gerade unterwegs war:

„Im November kommen vier seiner Ex-Freundinnen zu Besuch.“

„Eine wahre Herausforderung. Ich glaube nicht, dass ich das aushalten würde. Da würde ich lieber die Flatter machen für die Zeit lang.“

Er war rührend, denn er besorgte mir – bevor sie wieder abfuhren – sogar einen Petroleumofen auf dem Flohmarkt, damit ich nicht frieren würde, wenn es kälter wird. Den Holzofen hatte er nämlich abmontiert, da die Besitzer des grösseren Bootes, das er benutzen durfte vorbeikommen wollten und er wusste nicht, ob sie mit dem Holzofen einverstanden wären. Sein eigenes winziges Boot lag nebenan. Mit dem war er damals aus England herübergeschippert und dann hier hängen geblieben.

So blieb ich fortan die meiste Zeit im Boot, sogar noch als der Fluss durch anhaltenden heftigen Regen um zwei Meter dreissig innerhalb einiger Stunden anschwoll und ich kaum noch ins Boot gehen konnte, weil der Steg statt waagerecht senkrecht das Boot hinabhing. Als es allerdings zum zweiten Mal aufgrund heftiger Regenfälle zu einem enormen Anstieg des Flusses kam und ich in meiner Vermessenheit noch meinte, da wäre ich ja auf dem Boot am sichersten, fiel ich bei dem Versuch aufs Boot zu gelangen, bis zu den Hüften ins Wasser und hatte meine liebe Mühe wieder aus dem Fluss herauszukommen und meinen kleinen Rucksack vor dem Wasser zu retten. Das Ding war, dass die Erde am Flussufer abgebrochen und weggeschwemmt worden war, so dass ich plötzlich statt Boden nur Wasser unter meinen Füssen hatte. Zum Glück gab es einen Baum, an dem ich mich abstützen konnte, um mich aus dem Wasser herauszuhieven, sonst hätte ich wirklich um Hilfe rufen müssen.

Und das alles, wo gerade eine Woche vorher ein Mann hundert Meter weiter auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses ertrunken war! Und das war nur einer der elf Menschen, die bei diesem Unwetter eine Woche zuvor in der Region das Leben gelassen hatten.

Ich jedenfalls fuhr dann glatschnass und vollkommen verdreckt mit dem Fahrrad zu meiner holländischen Freundin, wo ich mich erst mal duschen durfte und trockene Kleidung geliehen bekam. Essen und Schlafen durfte ich bei ihnen natürlich auch.

Dann erzählte mir mein Bootsnachbar zur Linken, ein Deutschitaliener, dass ihm seine Batterie in der letzten Woche von seinem Boot geklaut worden war und dass er bald woandershin fahren würde, um zu überwintern. Und mein Bootsnachbar zur Rechten, ein Belgier wollte in der nächsten Woche sein Boot verkaufen und nach Belgien zurückgehen, wo seine Freundin auf ihn wartete.

Unter diesen Umständen hatte ich wenig Lust dazubleiben, denn es war im Dunkeln hier in der Natur und ausserhalb der Stadt doch etwas unheimlich. Überhaupt hatte ich eigentlich die ganze Zeit schon nach Deutschland reisen wollen, wie ich das gerne tat bevor es kalt wurde, aber irgendwie klappte das dieses Jahr nicht so recht. Erst am 4. Oktober, am gleichen Tag wie vor zwei Jahren war es endlich soweit. Ich fuhr gerade zum Obst- und Gemüsestand vor, als ich einen Wagen mit Schweizer Kennzeichen dort stehen sah, von dem ich den Fahrer sogar kannte. Er war der Nachbar meiner holländischen Freundin und sie waren gerade dabei, in die Schweiz zurückzufahren. Sie nahmen mich kurzerhand mit und ich war glücklich darüber, denn auf diese Art und Weise kam ich tatsächlich mit nur zwei Autos, Ihrem und einem anderen, mit dem ich von einer Raststätte aus weitertrampte, nach Deutschland!

Reparieren statt Wegwerfen – Repaircafés

Eine neue Bewegung geht um die Welt: Repair Cafés. Hiermit kann der geplanten Obszoleszens entgegengewirkt werden, bei der extra Schwachstellen in Geräte eingebaut werden, an denen sie nach gewisser Zeit kaputtgehen. Der Konsum kann dadurch eingeschränkt und Müll verhindert werden. Denn: wo ein Repair Café angeboten wird, kann jeder mit seinen kaputten Geräten hingehen und bekommt sie von den freiwilligen HelferInnen repariert – soweit es geht.
Die Idee der Repair Cafés Kommt aus den Niederlanden, wo das erste Repair Café im Oktober 2009 in Amsterdam stattfand. Es gibt sogar eine Stiftung mit Namen „Stichting Repair Café“, die lokale Initiativen bei der Einrichtung eines eigenen Reparaturcafés auch mit Logos und Eintrag in das Ortsverzeichnis auf der zentralen Website unterstützt.
Es gibt dort ein zentrales Verzeichnis, das hilft, Repair-Café-Veranstaltungen vor Ort zu finden. Das Konzept hat sich schon in 15 Ländern verbreitet, alleine in Deutschland findet man mitlerweile in 130 Städten Repair Cafés. Auch die deutsche Stiftungsgemeinschaft anstiftung & ertomis unterstützt, berät und vernetzt Reparatur-Initiativen und arbeitet mit Akteuren und Initiativen freier Assoziation und Namensgebung zusammen, die zu einer commons-basierten Kultur der Nachhaltigkeit und des gemeinschaftlichen Selbermachens beitragen wollen.
Heutzutage werden ständig neue Waren produziert, die schnell kaputt gehen und (zumindest ohne Fachwissen) schwer zu reparieren sind. Sie landen normalerweise im Müll und werden neu gekauft. Das beschert uns riesige Mengen an Müll.  Vor allem der Elektroschrott ist für Umwelt und Gesundheit äußerst bedenklich. Die kurze Lebensdauer vieler Industriegegenstände führt damit zu steigendem Rohstoffverbrauch und wachsender Umweltbelastung.
Repair Cafés bieten einen genialen Lösungsansatz: Reparieren statt wegwerfen. Mithilfe von ehrenamtlichen Reparatur-Profis befähigen die Veranstaltungen die Menschen dazu, wieder selbst zu reparieren. Und geben zudem einen Impuls für einen bewussten Umgang mit Konsumgütern. Ein Video zum Thema Repaircafés gibt auch.
In der lokalen Presse wie auch in kostenlosen Wochenzeitungen findet man oft die Hinweise auf ein anstehendes Repaircafé. Wer sich auskennt mit Reparieren kann sich auch selbst zum Mithelfen melden… Insgesamt ein klasse Sache!

Suspended Coffee – Aufgeschobener Kaffee

Eine Idee, von der ich erst vor Kurzem gehört habe, die mir aber unglaublich gut gefällt, ist die mit dem suspended coffee, was zu deutsch weniger schön aufgeschobener Kaffee genannt wird. Ich hatte natürlich erstmal keine Ahnung, was das heisst und machte mich schlau. Es gibt bestimmte Cafés, in denen man, wenn man einen Kaffee trinkt einen zweiten mitbezahlt für jemanden, der ihn sonst nicht trinken würde, weil er nicht genug Geld dazu hat. Ich finde die Idee, die ursprünglich aus Neapel stammt, wo dies schon seit dem Zweiten Weltkrieg praktiziert wird super, denn auch ich bin jemand, die sich (fast) nie in ein Café setzt, außer es läd mich jemand dazu ein. Und das wäre eine Gelegenheit, auch mal ohne direkte Einladung in den Genuss zu kommen.

Die Idee kam auf, weil sich damals viele Neapolitaner keinen Kaffee mehr leisten konnten und da sie meinten, Kaffee trinken sei ein Grundrecht, zahlten reichere Neapolitaner für einen anderen einen Kaffee mit. Wenn man also einen aufgeschobenen Kaffee bestellt, dann bezahlt man zwei: einen für sich und einen für einen bedürftigen Menschen, der sich normal keinen Kaffee leisten würde. Das ist  ein wahrer Akt des Teilens, ohne eine Gegenleistung dafür zu verlangen, einfach aus reiner Menschenliebe heraus. Ein Mensch, der sich normal keine Kaffee leisten würde geht dann einfach in das an das System angeschlossene Café und bekommt dann kostenlos diesen Kaffee zu trinken.

Auf der deutschen Website www.suspendedcoffee.de kann sich jeder über die angeschlossenen Cafés oder Restaurants informieren, die auf einer Liste zusammengestellt sind. Im Moment sind es noch nicht allzu viele, aber Saskia Rüdiger, die sich in Deutschland für die Verbreitung von suspended coffee einsetzt, freut sich über jeden, der die Idee verbreitet. Weshalb ich hier auch drüber schreibe. Denn auch ich würde mich super freuen, mal in solch einem Café einen Kaffee trinken zu können…

Glücklich ohne Geld!

Also, ich möchte Euch gerne das Buch „Glücklich ohne Geld! Wie ich ohne einen Cent besser und ökologischer lebe“ von Raphael Fellmer vorstellen.
Erstmal dazu wie das Buch zu mir kam: Ich habe es kurz nach meiner Ankunft in Deutschland in einem Umsonstladen gefunden und – da es ja mein Thema ist, – gleich an mich genommen. Es ist vom Inhalt her ein superinteressantes Buch, aber ich habe dennoch trotz meines grossen Interesses mehrere Wochen gebraucht, um es gänzlich durchzulesen, was daran liegt, dass ich nicht sehr viel Zeit hatte, ich wirklich jedes Wort lesen wollte und es vom Stoff her schon sehr intensiv ist. Denn Raphael schildert nicht nur seinen Werdegang vom Waldorfschüler zum jahrelangen Konsumverweigerer, sondern er flicht auch geschickt die ganzen Ungeheuerlichkeiten und Misstände des herrschenden Systems in sein Werk ein und belegt sie mit unzähligen Quellen im Anhang.
So erfahren wir von seinen Träumen, die sich im Laufe der Zeit nach und nach realisiert haben: den Traum, im Ausland zu leben und zu reisen, eine Familie zu gründen und geldfrei zu leben. So ergab sich nach der Schule ein Zivildienst in Mexiko, Reisen in Europa und Asien, ein Studium in Den Haag und ein Praktikum in Italien. Es war dann die Einladung zu zwei Hochzeiten in Mexiko, die Raphael dazu brachte, mit zwei Freunden zusammen am 19. Januar 2010 eine Reise über den Atlantik ohne Geld anzutreten. Und sie sollte nicht nur gelingen, sondern auch das Debut sein für sein weiteres Leben ohne Geld, das er jetzt noch weiterführt – mit der kleinen Einschränkung, dass er sich Fahrten zu seinen Auftritten mittlerweile bezahlen lässt, was anfangs nicht der Fall war. Da ist er noch überall hin getrampt.
Was sein Buch so wertvoll macht, sind die vielen Hintergrundinformationen zu Fakten des Weltwirtschaftssystems und einzelner Segmente, die zwar einem aufgeklärten und bewussten Menschen oft bekannt sind, die wir jedoch selten in einer solchen Zusammenstellung finden. Und das ist Raphaels Verdienst, für den wir ihm nur danken können.
Dass er zum Beispiel den Wahnsinn des Fleischkonsums in allen Einzelheiten beschreibt. Er macht darauf aufmerksam, dass die Tierhaltung nicht unerheblich zur Entstehung von Treibhausgasen beiträgt und weist auf den exorbitanten Wasserverbrauch von bis zu 15 000 Litern Wasser pro Kilogramm erzeugtem Fleisch hin. Auch die dauerhafte Vernichtung von Regenwäldern durch Weideflächen und Futtermittelanbau und den damit verbundenen Hunger eines Teils der Weltbevölkerung macht er zum Thema. Er weist insgesamt auf die fatalen Folgen der Wachstumsgesellschaft hin, die die Natur an allen Ecken und Enden zerstört, spricht die umweltschädlichen Folgen des Plastikverbrauchs an, die geplante Obszoleszens als auch den ökologischen Fussabdruck jedes einzelnen, um nur einige Beispiele zu nennen.
Am Ende erfahren wir wie die Internetplattformen Foodsharing und lebensmittelretten.de entstanden, um die Anzahl der weggeworfenen Lebensmittel zu verringern, denn weltweit landen 50 Prozent der produzierten Lebensmittel im Müll. An der Internetplattform foodsharing sind inzwischen 10 000 Mitglieder angeschlossen. LebenmittelretterInnen gibt es inzwischen auch schon an die tausend, die in ganz Deutschland die zum Wegwerfen bestimmten Lebensmittel bei Supermärkten, Bäckerein oder auch Restaurants abholen und an dafür vorgesehenen Verteilstellen abliefern. An vielen Orten in ganz Deutschland gibt es mittlerweile solche Verteilstellen wie ich bei meinem diesjährigen Besuch beglückt festgestellt habe.
Das Buch ist letztes Jahr im Redline Verlag in München erschienen und gibt es zum einen kostenlos im Internet auf der Seite raphaelfellmer.de, kostenlos in Buchform an einer der Verteilstellen, die auf der Seite www.gluecklich-ohne-geld.de zu finden sind, – wenn die Seite abrufbar ist, was bei mir gerade nicht der Fall war – oder für 14 Euro 99 im Buchhandel. Auch die nächsten Veranstaltungstermine mit dem Autor selbst sind auf seiner Internetseite zu finden.
Was mir überhaupt so einfiel, wenn sein Buch vor meiner Nase lag, mit meinem Hintergrund, selbst ein Jahr lang ganz ohne Geld gelebt zu haben: für mich könnte der Titel auch „glücklicher ohne Geld“ heissen, denn das ist für mich immer noch die wirklich absolute Wahrheit! Nichts kommt an ein Leben ohne Geld heran, auch wenn es sehr beschwerlich und bisweilen unbequem ist. Auf der Glücklichkeitsskala steht ein Leben ohne Geld jeder anderen mir bekannten Form (mit viel Geld, mit wenig Geld) immer noch am höchsten!

 

Wir helfen uns gegenseitig

Irgendwie dachte ich, es koenne so nicht weitergehen und ich unternahm einen erneuten Versuch, mir ein Zimmer zu mieten, diesmal eines, das im Internet angeboten war. So trampte ich deswegen eines schoenen Tages in die Stadt. Ich hatte noch ein wenig Zeit und schaute, ob der Marokkaner Said da war, war er aber nicht. So wollte ich auf dem Markt vorbeischauen, wo ich inzwischen mehrere Marktstaendler kannte. Auf dem Weg sah ich auf der anderen Strassenseite eine Frau mit langen braunen Haaren in einer hellgelben Bluse. Wir schauten uns beide an und ich lief ueber den Zebrastreifen zu ihr hinueber. Wir waren keine fuenf Minuten im Gespraech, da lud sie mich zum Mittagessen in ein brasilianisches Restaurant ein, in dem sie sich mit einer Freundin verabredet hatte. Ihre Freundin war ebenfalls sehr nett und wir hatten ein aeusserst anregendes Gespraech ueber alles moegliche. Letztere lebte naemlich auf Guadeloupe und war nur fuer ein paar Wochen in Frankreich zu Besuch. Sie wiederum lud mich ein, mit zum Garten einer Freundin zu kommen, in dem ihr Bruder spaeter arbeitete. Wie sie richtig vermutet hatte, lud er mich ein, bei ihm zu uebernachten. Und nicht nur das: als er hoerte, dass ich mir ein Zimmer anschauen wollte, sagte er: „Ich vermiete dir kostenlos ein Zimmer!“

Ich ging dann trotzdem zu dem Zimmer, das ich mir hatte anschauen wollen, aber die Vermieterin war gerade nicht da, sondern nur ihre Schwester, die gerade in Ferien zu Besuch war. Das Zimmer war o.k., aber mir eigentlich zu teuer. Ich wuerde Hilfen in Anspruch nehmen muessen und davor schreckte ich doch noch zurueck, zumal mir ja Xavier kostenlos ein Zimmer angeboten hatte. Xavier war ueberhaupt eine Figur. Er praktizierte Yoga und machte gerade eine Ausbildung in Biodanza. Ich schlief die Nacht mit seiner Schwester bei ihm.

Es gab gerade ein Filmfestival, auf dem ich Pascale wiedertraf, die Frau ohne Haare, die ich letzt auf dem sonntaeglichen Markt kennengelernt hatte. Wir freuten uns beide, uns wiederzusehen.

„Super, ich habe naemlich gerade aus Versehen deine e-mail geloescht und wollte dich so gerne wiedersehen“, empfing sie mich. Sie lud mich zu sich ein. Ich nahm die Einladung an, weil ich das Gefuehl hatte, dass sie Unterstuetzung braeuchte. Sie lebte mit ihrer sechszehnjaehrigen Tochter im Zentrum der Stadt und war gerade an einem Tiefpunkt angelangt.

„Ich habe die ganze Nacht gebetet hatte, weil es mir so schlecht ging und danach habe ich dich getroffen“, liess sie mich wissen.

Sie hatte kaum noch geschlafen, kaum noch gegessen und war kaum noch aus dem Haus gegangen. Aber als ich da war, ging es relativ schnell wieder bergauf. Ich nahm sie fast jeden Tag mit auf meine Spaziergaenge am Fluss entlang, wo sie vorher noch nie gewesen war. Sie begann wieder zu essen und regelmaessiger zu schlafen und es ging ihr taeglich besser. Sie hatte an einem der naechsten Tage aufgehoert, ihre Medikamente gegen Fybromyalgie zu nehmen, was allerdings nur zehn Tage gut ging, dann liessen sich die Schmerzen nicht mehr aushalten. Auch mir tat es gut, bei ihr zu sein. Es war heilend, denn ich konnte bei ihr sein wie ich bin und musste mich nicht verstellen. Es kam dann eine Katze zu Besuch, die ihre Tochter die Ferien ueber in Pflege genommen hatte, um sich etwas Geld zu verdienen und die fuer Abwechslung sorgte. Pascale meinte, sie muesste auf dem Land wohnen, sie braeuchte Natur um sich herum, aber da ihre Tochter noch ein Jahr hier auf die Schule ging und sie eine aeusserst guenstige Miete hatte, motivierte ich sie, ihre Wohnung vor allem durch Pflanzen umzugestalten. Auch ihr medizinisches Bett, das sie seit einigen Monaten benutzt hatte, liess sie von der Firma, bei der sie es geliehen hatte abholen und sofort war eine angenehmere Atmosphaere in der Wohnung.

Xavier traf ich hin und wieder in der Stadt, als er spazieren ging. Erst redete er gar nicht mehr mit mir, offensichtlich, weil ich sein Angebot des kostenlosen Zimmers abgelehnt hatte. Ich musste all meinen Charme anwenden, damit er sich wieder geehrt fuehlte und mir verzieh. Er sagte auch:

„Man muss erstmal verlieren, um gewinnen zu koennen.“

Auf dem Filmfestival lernte ich auch zwei nette aeltere Frauen kennen, die davon begeistert waren wie ich lebe und die mich beide zu sich einluden. Allerdings wohnten sie einige Kilometer entfernt auf dem Land, so dass ich dann doch nicht zu ihnen ging.

Ich traf auf dem Filmfestival auch die Portugiesin, der ich meinen Campingbus urspruenglich hatte geben wollen und sie erzaehlte mir, dass der Mann des Grundstueckes, auf dem mein Bus stand, ihn schliesslich an jemand anderen weitergegeben hat. Anfangs war sie ziemlich aufgebracht darueber, aber da sie selbst mitlerweile eine Wohnung fuer sich und ihre Tochter gemietet hatte und der andere Interessent, mit dem sie selbst befreundet war, nichts zum Wohnen hatte, nachdem er sich von seiner Freundin getrennt hatte, war sie inzwischen in Frieden damit. Ich selbst dachte an das Sprichwort „Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte“  und fand mich schliesslich mit dem Schicksal meines Busses und mir selbst ab.

Eines Tages traf ich einen Englaender, der seit einiger Zeit ohne Geld in der Gegend lebte. Er hatte sich auf einem Gartengrundstueck aus Plastikplanen und anderen Dingen, die er gefunden hatte einen Unterschlupf gebaut und zeigte mir Fotos davon. Aber der Buergermeister des Ortes war weniger begeistert davon. Jetzt unterhielt er drei Umsonstecken auf drei verschiedenen Maerkten in der Region. Ich half ihm ein wenig mit seinem Stand, der etwas abseits des Marktes war, aber er war einfach extrem mit seiner zusaetzlichen Idee, ohne Oel, das heisst auch ohne Benzin zu leben, obwohl er gerade aus einer anderen Gegend hierhergetrampt war, um dort nach Mitstreitern zu suchen… Auch alle anderen Menschen, die ihn kannten hatten aufgegeben, etwas mit ihm zu machen, weil es keinen Dialog mit ihm gab und er nur monologisierte. Aber seine Idee, auf Maerkten einen Platz mit kostenlos weiterzugebenden Dingen zu kreieren, fand ich sehr gut und die paar Menschen, die vorbeikamen und sich etwas mitnahmen von den Sachen, die er aus dem Umsonstladen geholt hatte, nahmen es auch sehr positiv auf. Ueberhaupt kamen manche Menschen miteinander ins Gespraech, die sich sonst nie kennen gelernt haetten.

Einen anderen Tag traf ich auf dem Filmfestival den Italiener mit dem Campingbus, der mich einmal vor fast zwei Jahren beim Trampen mitgenommen hatte und in einem Lehmhaus im Wald uebernachten liess. Ich war damals auf dem Weg zurueck aus Deutschland und wollte noch einen Abstecher in mir noch nicht bekannte Berge machen (ich habe – glaube ich – darueber berichtet). Ich freute mich sehr, ihn wiederzusehen. Er war nicht mehr in Spanien in der Gemeinschaft, wie er damals vorhatte, sondern arbeitete irgendwo in Frankreich, um ein wenig Geld zu verdienen.

Einmal lief ich eine Strasse entlang, die ich bisher noch nicht kannte und gelangte zum Wertstoffhof. Direkt gegenueber befanden sich mehrere Schrebergaerten. Ich ging hinein und sah eine Gruppe aelterer Maenner weiter hinten und auch einen ganz jungen Mann ganz in der Naehe des Eingangs. Ich sprach den jungen Mann an. Ich erzaehlte ihm, dass ich einen Garten fuer eine Freundin suchte und er gab mir die Kontaktdaten. Nachher sprach er ueber den Wertstoffhof.

„Die Leute laden Sachen ab ohne Ende, aber wir haben nicht das Recht, etwas zu nehmen. Es wird alles weggeworfen… Ich und eine Frau, wir sind die einzigen, die biologisch gaertnern. Erst haben uns die anderen ganz bloed angeschaut, als waeren wir Exoten, aber mittlerweile geht es. Nur machen die Maenner die Frau manchmal bloed an und stellen ihr tausend Fragen, weshalb sie jetzt nur noch morgens kommt.“

Dann sprach er von der Pharmaindustrie, die verbietet, manche Heilpflanzen zu vermarkten und die Patente auf manche Pflanzen angemeldet haben, so dass sie keiner mehr anbauen darf – was vollkommen absurd ist.

„Und zukuenftig wollen sie noch die Gaerten kontrollieren, was darin angebaut wird,“ fiel mir dazu ein.

„Und das alles nur, damit die Saatgutfirmen und die Pharma-Industrie noch mehr Geld verdienen. Und wir alle muessen darunter leiden. Dabei produzieren sie nur Medikamente, die gar nicht wirklich heilen und so viele Nebenwrikungen haben, dass die Menschen zum Teil daran sterben.“

Fuer sein Alter wusste er erstaunlich gut bescheid.

„Am Donnerstag fahre ich weg. Dann kuemmern sich Freunde um meinen Garten.“

Es stellte sich heraus, dass er genau in die Stadt fuhr, zu der ich letzthin eine Mitfahrgelegenheit verpasst hatte. So fragte ich ihn, ob ich mitfahren koennte und er stimmte zu.

Peace Pilgrim

Letzt stoeberte ich auf den Forum-Seiten der Schenker-Bewegung herum, zu denen ich bisher keinen grossen Bezug hatte, obwohl sie in Teilen aehnlich wie ich leben, nur dass sie eben restlos alles, was sie hatten verschenkt haben und ich eben nur mein Zuhause, meinen schoenen und doch recht praktischen Campingbus. Sie treffen sich uebrigens jetzt gerade fuer ein Woche in Dargeluetz, fuer alle, die es interessiert – Infos unter dem Link im blogroll. Dabei stiess ich auf die Website einer Frau, von der ich letztes Jahr schon einmal eine kurze Abhandlung gelesen hatte: Peace Pilgrim. Ich hatte eine zeitlang, als ich in Deutschland war, relativ regelmaessig in einem Umsonstladen mitgeholfen, wo mir eines Tages ein Buch ueber bedeutende Persoenlichkeiten in die Haende fiel, das ich mir spaeter in Ruhe anschaute. Ich war damals schon beeindruckt ueber diese Frau, die ohne Rucksack und nur mit dem Noetigsten bekleidet ueber viele Jahre hinweg von den Fuenfziger bis in die Achziger Jahre ohne Geld zu Fuss durch Amerika gezogen war; nach 25.000 Kilometern hoerte sie auf, ihre gelaufene Strecke zu zaehlen. Auf ihrer Kleidung stand auf der Vorderseite der Name „Peace Pilgrim“, den sie sich gegeben hatte, weil sie so mit zwei Worten ihre Botschaft weitergeben konnte, die darin bestand, die Menschen zu motivieren, den inneren und aeusseren Frieden zu finden. Auf der Rueckseite stand: „25000 Meilen zu Fuss fuer den Frieden“. Sie lief ohne einen Cent in der Tasche und ohne Organisation von Kueste zu Kueste durch die gesamte USA, durch Mexiko und einen Teil von Kanada. „Ich bin ein Pilger, ein Wanderer. Ich werde ein Wanderer bleiben bis die Menschheit den Weg des Friedens gelernt hat; ich werde gehen , bis mir Obdach gewaehrt wird, und ich werde fasten, bis man mir zu Essen gibt“ hiess ihr Geluebde.

Ich habe das Buch fast in zwei Tagen gelesen und war dermassen beeindruckt, dass ich es all meinen Lesern weiterempfehlen moechte; zumal es auf deutsch und kostenlos zu haben ist. Wirklich eine wundervolle und aeusserst inspirierende Lektuere von einer der fuer mich beeindruckendsten Persoenlichkeiten des letzten Jahrhunderts! Zu finden unter den books auf ihrer Website (s. Link im blogroll – entschuldigt, aber ich  kann gerade keine Links innerhalb des Blogeintrags setzen). Und ich finde es umso erstaunlicher, dass ich erst jetzt auf ihre Website gestossen bin…

Sonnenblumen und wilder Spinat

Pierre lud mich dann mit einem Freund von ihm zum Mittagessen in ein chinesisches Restaurant in einer etwas weiter entfernten Stadt ein. Es war sehr lecker. Da mich der Hollaender zum wwoofen auf einem Permakulturbauernhof mit Gaestebetrieb eingeladen hatte, wollte ich eventuell von dort aus dorthin trampen, war mir jedoch nicht sicher. Nie war ich dort in der Gegend gewesen und nie zuvor hatte ich wirklich gewwooft. So hatte ich die beiden Maenner wegfahren lassen, entschied ich mich am Ende nach einiger Bedenkzeit aber doch gegen das Wwoofen. Es passte einfach nicht wirklich fuer mich. So lief ich durch die Stadt und lernte irgendwann jemanden kennen, der mich zum Uebernachten bei sich in einem kleinen Dorf einlud. Er bereitete mir ein leckeres Abendessen aus lauter Rohkost. Daneben lief ein Spiel der Fussballweltmeisterschaft. Am naechsten Morgen wollte ich fast schon frueh gehen, drehte dann aber doch um, weil ich es nicht nett meinem so lieben Gastgeber gegenueber fand. Und dann erst erzaehlte er mir seine wahre Geschichte:

“Normalerweise waere ich schon lange tot. Ich bin als Kind mit Tuberkulose aufgewachsen und meine Lungen waren irgendwann zerstoert. Ich lag einmal zwei Monate im Koma. Sie hatten mich schon abgeschrieben und von den Instrumenten abgehaengt. Ich hatte lange Zeit kein Lebenszeichen von mir gegeben und galt fuer sie als tod. In dem Moment, in dem sie die ueberlebenswichtigen Instrumente abgehaengt hatten, fuhr ich aus dem Koerper und schwebte ueber mir. Ich sah mich von oben. Doch da kam eine Hand aus meinem Koerper und zog mich wieder zurueck. Es war mein Bruder, der auch mein Schutzengel ist. Er wollte nicht, dass ich gehe. In dem Moment, als ich in meinen Koerper zurueckkehrte, bewegte ich mich mit grosser Wucht und die Aerzte sahen, dass ich noch lebte. Einige Zeit spaeter habe ich eine neue Lunge eingesetzt bekommen. Ohne sie waere ich nicht mehr am Leben. Ich habe versucht, den Spender zu ermitteln, aber sie wollen nicht, dass man den Spender kennt und es ist mir auch nicht gelungen, es herauszufinden. Aber ich muss mit Medikamenten leben bis an mein Lebensende.”

Offenbar hatte er auch schon mehrere Leute so wie mich eingeladen- und nicht immer nur positive Erfahrungen gemacht. Aber er wollte weiter das Teilen, was er hat und ich war ihm aeusserst dankbar dafuer. Nach dem Fruehstueck nahm er mich mit zurueck in die Stadt. Ich wusste jdoch gar nicht, wohin ich fahren sollte, zurueckfahren fuehlte sich nicht richtig an und so probierte ich mal eine neue Richtung aus, in der ich noch nicht gewesen war. Eine Frau hielt sofort an und fragte, wo ich hinwolle.

“Ich weiss gar nicht so recht, wo ich hin will,” gab ich ehrlich zu.

“Ich fahre zu meinem Vater. Er wohnt etwa zwanzig Kilometer von hier entfernt. Du kannst mitkommen zum Kaffee trinken.”

Ich kam mit und wurde eingeladen, dort zu bleiben. Ihr 16-jaehriger Sohn war auch dort zu Gast. Es gab einen herrlichen Garten, vier Katzen und eine aeltere deutsche, mit einem Hollaender verheiratete Putzfrau, mit der ich mich kurz unterhielt. Jedoch waren in dem Zimmer, das sie mir angeboten hatten Floehe, die mich zu hauf ansprangen, als ich mich darin einrichten wollte! Am Ende durfte ich in einem anderen Zimmer schlafen (das Flohfrei war) und sie raeucherten den Raum am naechsten Tag mit einer Anti-Floh-Bombe aus.

Ich durfte im Internet surfen solange ich wollte und ging am Fluss spazieren, wo es schoen schattig und weniger heiss war. Dominique kam fast taeglich vorbei und brachte auch mal eine Freundin mit, die gerade Grossmutter geworden war und ansonsten unter Depressionen litt. Sie fuhren das Baby gemeinsam besuchen. Nach ein paar Tagen merkte ich schon, dass mein Besuch dem Vater vielleicht etwas zu viel werden wuerde und Dominique liess auch so etwas anklingen. Ich trampte derweil in die Stadt, um nach einem Badeanzug Ausschau zu halten, fand jedoch nichts im Hiesigen Billigsecondhandladen. Beim Zuruecktrampen jedoch nahm mich ein Bulgare mit, dem ich von meinem Leben erzaehlte und davon, dass ich nicht mehr lange wuerde bleiben koennen wo ich war.

“Du kannst zu mir kommen, wenn du noch ein paar Tage hierbleiben willst.”

“Ja super.”

Ich war gerettet.

Am naechsten Morgen weckte mich Dominique glatt um kurz nach acht und sagte mir, wir muessten schnell gehen, weil ihr Vater sie schon am fruehen Morgen genervt hat.

„Er steht unter Strom. Also dann gehen wir gleich in einer halben, dreiviertel Stunde.“

Sie hatte es eilig. Wir fuhren zusammen mit ihrem Sohn zu ihr. Es war ein kleines Haus im Stadtzentrum. Ich machte erstmal sauber. Sie fuhr am nachmittag zum etwas weiter entfernten Zahnarzt und ich wollte erst mitfahren mit all meinem Sack und Pack, dann ueberlegte ich es mir jedoch anders und blieb in der Stadt. Ich ging erstmal in den Park, wo mich ein Algerier auf einer Bank nach Feuer fragte. Neben ihm sass ein aelterer beleibter Herr, der mir gleich seinen Plastikreif zeigte, den er um den Knoechel trug. Wie ich anfangs nur vermutete und spaeter erfuhr, war er ein Zigeuner.

„Noch vier Tage, dann bin ich frei. Ich bin unter Hausarrest und habe taeglich nur drei Stunden Ausgang – von zwei bis fuenf Uhr. Ich habe zwei Jahre bekommen. Erst vier, dann zwei. Wegen Fahrerflucht. Die Polizei war hinter mir her. Ich bin 1600 Kilometer gefahren bis sie mich gekriegt haben. Ich war sogar im Fernsehen deswegen. Und du? Was machst du hier? Im Urlaub?“

„Ja, immer im Urlaub.“

„Wenn du nicht weisst, wo du schlafen sollst, ich habe eine Wohnung, die ich nicht nutze, weil ich bei meiner Freundin wohne. Wenn du willst, zeige ich sie dir. Es ist gleich in der Naehe,“ lud mich der Algerier ein.

„Ja, o.k.“

„Auf, gehen wir.“

Eine nette junge Frau empfing uns und bot uns einen Kaffee an. Sie erzaehlte, dass sie mehrere Tage fuer den Onkel ihres Freundes gearbeitet hatte, von morgens frueh bis abends spaet und sie hatte gerade einmal zwanzig Euro fuer den ganzen Tag bekommen.

„Das macht zwei Euro die Stunde.“

Waehrend wir uns unterhielten, lief eine Sendung im Fernsehen, die Frauen auf dem Gynaekologenstuhl vor und nach der Entbindung zeigte.

„Frueher gab es so etwas nicht im Fernsehen zu sehen. Das ist ja geschmacklos“, begann ich meinen Unmut zu aeussern.

„Heutzutage zeigen sie alles im Fernsehen. Das ist unglaublich,“ warf die Frau ein, machte aber keinerlei Anstalten, das Geraet abzuschalten oder das Programm zu wechseln.

„Bei uns in Algerien waere so etwas unmoeglich. Da gibt es so was nicht.“

Mir war alles nicht ganz koscher bei den Leuten, denn der Algerier nutzte die ganze Zeit Schimpfwoerter und so zog ich vor, zu verschwinden und zu dem Bulgaren zu fahren. Der Algerier war darueber nicht sehr angetan, denn aus irgendwelchen Gruenden haette er mich wirklich gerne beherbegt, aber das war mir egal. Mir fehlte das Vertrauen. So trampte ich zu Nikolai und wurde von ihm nett empfangen.

Genau wie mein Gastgeber mir erzaehlt hatte, hatte auch ich Probleme mit dem Einschlafen, weil es so warm war, wachte jedoch schon um acht Uhr auf. Er war schon auf die Arbeit gegangen und ich verbrachte fast den ganzen Tag am Computer. Als er nach der Arbeit von einem Zahnarztbesuch zurueck war, fuhren wir zum Vogelschutzgebiet in der Naehe und machten einen wunderschoenen und recht ausgedehnten Spaziergang mit Blick auf verschiedene Wasser- und Landvoegel. Davor hatte ich ihm die Geschichte mit meinem Bus erzaehlt, weil ich ihn vielleicht dazu bewegen wollte, mit mir mein Fahrrad zu holen. Aber nachdem ich fertig war mit meiner Geschichte, winkte er ab.

„Da ist es besser, darauf zu verzichten. Ich selbst will mit solchen Leuten nichts zu tun haben, auch wenn ich dir helfen moechte.“

Die Tage bei Nikolai verbrachte ich fast alle komplett im Internet, waehrend er arbeitete. Das einzige, was ich abgesehen von meinen taeglichen Spaziergaengen sonst noch tat, war die Wohnung fegen, die zum Glueck sehr pflegeleicht war. Dabei brachte ich mal wilden Spinat und ein anderes essbares Kraut mit. Mein Gastgeber freute sich sehr darueber.

“Das ist besser als der Salat, den ich kaufe.”

Dann ging ich mal zum Dumpstern zum Supermarkt, obwohl ich schon zwei Mal nichts gefunden hatte. Sie hatten allerdings eine halbe Stunde laenger offen als gedacht und ein Wagen stand noch vor der Tuer. Ich wartete 20 Minuten nach der Schliessung ab und wurde fuendig. Es gab einige Dosen Erbsen, Nudeln, Mehl und Zucker. Bloss der Geschaeftsfuehrer sah mich, als er herauskam. Ich gruesste nett und er bedeutete mir mit dem Zeigefinger, dass ich das nicht tun darf. So lief ich schwer bepackt zurueck. Sowieso habe ich immer mehr das Gefuehl, dass die grosse Dumpsterzeit vorbei ist. Eine Sonnenblume vom Feld brachte ich auch mit. Nikolai freute sich sehr.

“Ich liebe Sonnenblumen. Das bringt eine ganz andere Atmosphaere in die Wohnung. Und Dumpstern, das habe ich noch nie gemacht. Und was die alles wegschmeissen!”

“Na ja, du hast auch ein Einkommen. Du hast das Dumpstern auch nicht noetig. Das machen Leute, die kein Einkommen haben oder nur ganz wenig Geld. »

“Na, es gibt auch andere Leute, die Containern. Ich habe mal eine Reportage gesehen. Das machen auch viele Studenten – aus Prinzip.”

Ich entdeckte sehr interessante Dinge im Internet wie die slawischen Veden, die 40.000 Jahre alt sein sollen. War mir bisher total unbekannt. Darin war zum Beispiel die Rede davon, dass der Schoepfergott zornig wird, wenn Frauen ihre Kinder nicht austragen. Dass wir arm werden, wenn wir uns nicht finden und uns dann alles genommen wird. Dass wir unser Land nicht verlassen sollen, weil es sonst als Verrat zaehlt. Und dass wir unser Selbst nicht abgeben sollten…

Eines Abends kam ein Onkel von ihm zu Besuch, der im Norden Frankreichs wohnte. Wir unterhielten uns lebhaft.

“Ich kenne einen Mann, der schon drei Mal die ganze Welt umrundet hat. Mit allen moeglichen Verkehrsmitteln: mit dem Flugzeug, per Anhalter, mit Zug und Bus.”

Beeindruckend.

Einmal kochte ich Nudeln fuer uns, weil er anfangs immer gekocht hatte. Beim Essen kamen wir auf Filme zu sprechen, beziehungszeise darauf, dass ich mir nur aeusserst selten einen Film anschaute.

“Aber ein Film, den ich mir doch gerne mal anschauen wuerde, weil er, als er herauskam so viel besprochen war, ist der Film THRIVE – obwohl er umstritten ist.”

Er war ebenfalls interessiert, ihn anzusehen und so schauten wir ihn uns zur Haelfte an. Dann wurde es zu spaet.

Manchmal erzaehlte Nikolai von Bulgarien.

« Sie haben in zehn Jahren alles kaputt gemacht. Die ganze Natur. Und jetzt fahren die Leute mit dicken Autos herum mit Vierradantrieb. Man fragt sich, wie die das machen.”

“Auf Pump.”

“Sicherlich.”

Dann stiess ich auf ein Buch von Armin Rott mit dem Titel “Wenn Gott dein Ziel ist”. Ich notierte mir einige interessante Saetze:

“Denn wir waehlen immer zwischen Liebe und Angst, Wahrheit und Illusion, Gott oder der Welt.”

“Du sollst begreifen, dass du unschuldig bist, egal was in deinem Leben zu geschehen scheint.”

“Alles ist vorherbestimmt, aber wenn man wahre Vergebung uebt, ist es moeglich, Zeitdimensionen zu veraendern und dann ein anderes Ergebnis zu betrachten. Wie in einem Film.” Und:

“Es geht immer wieder um Vergebung – das ist alles. Wenn man sie ausuebt, kommt man am Ende heim zu Gott.”

Kirschkuchen mit Vanillepudding

Am naechsten Morgen wollte ich zuruecktrampen, da hielt ein Mann mit einem unausgebauten Campingbus an, der eine ziemlich weite Strecke fahren wollte.

„Eigentlich wollte ich nur in ein Dorf zwanzig Kilometer entfernt, aber vielleicht fahre ich noch laenger mit.“

„Ich arbeite am Montag in der Naehe der Metropole, deshalb fahre ich zurueck. Hier habe ich in den Weinbergen gearbeitet. Den Bus hier habe ich neu. Erst seit drei Monaten. Aber manchmal habe ich schon die Schnauze voll.“

„So ging es mir auch mit meinem Campingbus. Ich hatte oft die Nase voll. Deswegen habe ich ihn abgegeben, aber danach ging es mir sehr schlecht. Ich fuehlte mich furchtbar. Und das ist noch gar nicht so lange her.“

„Ich war vorher mit dem Fahrrad unterwegs. Die letzten Jahre habe ich mir eine Wohnung mit jemandem geteilt, aber er sitzt die ganze Zeit vor dem Fernseher und raucht und trinkt. Das war nicht angenehm fuer mich. Und jetzt suche ich ein Grundstueck wo ich meinen Bus abstellen kann; zu kaufen oder zu mieten. Viel Geld habe ich jedoch nicht.“

„Heute ist ein Markt auf der Strecke. Da findest du vielleicht Leute, die dir weiterhelfen. Es ist eine schoene Gegend. Ich war einmal fuenf Wochen dort mir meinem Bus.“

„Das ist vielleicht eine Idee. Das ist weniger weit weg wie hier. Ja, ich glaube, ich fahre dort vorbei.“

„O.k., dann komme ich mit.“

Auf dem Markt traf ich gleich eine Spanierin, die ich kannte. Dann kam eine der Frauen aus der Gemeinschaft vorbei.

„Und was ist mit deinem Bus?“

Als ich ihr sagte, nichts waere mit dem Bus, verschwand sie eilends. Eine andere Frau aus der Gemeinschaft, die ich eigentlich sehr mochte, lud mich an ihrem Stand zu einer Tasse Eistee ein und sprach ein paar Worte mit mir.

„Fuehle dich nicht schuldig. Du warst eben nicht bereit.“

„Stimmt. Ich war nicht bereit.“

Dann verschwand sie hinter den Tresen und ich sass ploetzlich ganz alleine am Tisch. Ein anderer der Gruppe fragte: „Und, wo wohnst du?“

„Ich reise“, antwortete ich, woraufhin er sich umdrehte und kein weiteres Wort mehr mit mir wechselte.

Dafuer kam mir mein Fahrer ganz freudig entgegen:

„Ich habe jemanden wiedergetroffen, den ich schon kannte und er hat mir zwei Adressen gegeben, wo ich vielleicht arbeiten kann. Die einen haben einen Bauernhof und suchen jemanden, der auf die Tiere aufpasst, waehrend sie weg sind.“

Beim Gang ueber den Markt fiel mein Blick auf eine Frau mit einem kleinen Turban, die mich dermassen intensiv anschaute, als ob sie mich kannte. Ich sprach sie an. Ab dem Moment blieben wir zusammen. Wir hatten Gespraechsstoff ohne Ende. Eigentlich hatte sie an diesem nachmittag zur Gemeinschaft gehen wollen .

„Mir ging es vor ein paar Tagen so schlecht. Ich bat meine Freunde um Hilfe, aber alle sagten nur, ich solle zum Arzt gehen. Und der hat die Dosis meiner Antidepressiva verdoppelt. Ich wollte naemlich absolut nichts mehr tun. Nicht mehr Aufstehen. Nicht mehr Kochen. Mich nicht mehr Anziehen.“

„Depressionen bekommen wir meistens dann, wenn wir etwas nicht getan haben, was wir tun wollten.“

„Das ist wahr. Auf jeden Fall habe ich schon eine Erkrankung: Fibromyalgie. Ich habe auch alle meine Haare verloren.“

Sie nahm ihren Turban ab und zeigte mir ihre Glatze.

„Gegen die Schmerzen nehme ich Morphin.“

„Fuer mich entstehen Krankheiten, weil wir etwas anders nicht lernen konnten und sie sind dazu da, uns zu helfen, auch wenn es noch so schmerzhaft ist. Aber ich kenne eine Supertherapie, mit der man fast alle Krankheiten heilen kann, man darf jedoch keine oder kaum Medikamente nehmen. Das ist Amaroli. Urintherapie.“

„Ich habe schon davon gehoert. Aber im Moment nehme ich mehrere Medikamente. Da geht das nicht. Letztens auf jeden Fall, als es mir so schlecht ging, habe ich die Gemeinschaft angerufen und mit ihnen geredet. Sie waren fuer mich wie ein Rettungsanker. Im Gegensatz zu meinen Freunden waren sie fuer mich da, hoerten mir zu und hatten etwas dazu zu sagen. Alleine, dass es sie gibt, gab mir Hoffnung. Und heute nachmittag wollte ich zu ihnen gehen wie gestern schon und habe es nicht getan. Gestern kam mir etwas anderes dazwischen und heute habe ich mit dir geredet, aber ich sollte sie vielleicht anrufen, um mich bei ihnen zu entschuldigen.“

Sie telefonierte mit ihnen und anschliessend fuhr sie doch noch dorthin. Ich lief dann zu dem aussergewoehnlichen Automechaniker, den ich von meinem laengeren Aufenthalt in der Region her kannte. Aussergewoehnlich deshalb, weil er das Pendel befragte, bevor er jemandem half. Er freute sich ueber mein Kommen und erzaehlte mir die Neuigkeiten.

„Ich hatte zwei Schlaganfaelle im letzten Jahr, aber es ging gut aus. Und statt den Medikamenten, die sie mir verschrieben haben, nehme ich eine sibirische Heilpflanze. Denn die Schulmedizin ist klasse darin, chronisch Kranke zu produzieren, die den Rest ihres Lebens Medikamente brauchen. Und hier auf meinem Grundstueck wohnen jetzt zwei Leute, die vorher drei Jahre lang in einem Tipidorf gelebt haben, einer in einem Tipi, der andere in einer Jurte.“

„Einer davon hat mich heute begruesst. Ich kenne ihn aus Hippieland. Er hat mich animiert, zu dir zu kommen.“

„Vor Kurzem hat mir jemand einen Wohnwagen geschenkt. Komm, ich zeige ihn dir. Er muss erstmal gereinigt werden, aber dann kann er jemandem dienen, der vorbeikommt. Du kannst heute erstmal in der Jurte schlafen. Der Bewohner ist zur Zeit nicht da.“

Wir assen zusammen zu abend und ich naechtigte wunderbar in der Jurte. Was fuer ein schoenes Gefuehl, mit der Natur verbunden zu sein! Am naechsten Tag machte ich mich daran, den Wohnwagen zu saeubern. Mir wurde sogar angeboten, darin zu wohnen, aber irgendwie schien es nicht das richtige fuer mich zu sein. Trotzdem richtete ich ihn so her, dass jemand darin schlafen konnte. Es fehlten naemlich mehrere Matrazen, um ein Bett zu bereiten, aber ich fand frisch ausrangierte Wohnwagenmatrazen im naechsten Dorf neben dem Muellcontainer und brachte sie mit dem Fahrrad in zwei Schueben herbei. Auch eine ganze Tuete voll mit Tellern, Glaesern und Toepfen nahm ich mit, um den Wohnwagen fuer wen auch immer einzurichten. Am fruehen abend fuhr ich taeglich ins naechste Dorf, weil ich dort Internet empfing. Gleich beim ersten Mal sprach mich ein netter aelterer Herr an.

„Wollen Sie etwas essen? Ich habe noch eine indische Spezialitaet uebrig von gestern vom Markt. Ich habe nicht alles verkauft. Ich mache ihnen eines warm.“

„Ja, gerne.“

Kurze Zeit spaeter kam er mit einem leckeren frittierten Teilchen und einem eiskalten Tchaitee zurueck.

„Ich habe vierzig Jahre in Indien gelebt. Ich war mit drei indischen Frauen verheiratet und habe insgesamt sieben Kinder. Aber jetzt gerade habe ich mich von der dritten Inderin scheiden lassen. Sie wohnt genau neben mir und manchmal macht sie mir Stress. Gestern abend zum Beispiel. Und es ist immer wegen Geld. In Indien habe ich auch eine zeitlang in einer Gemeinschaft gelebt, aber ich habe denen zu oft die Wahrheit gesagt und die wollten sie nicht hoeren. Ich habe Geld verdient und sie wuenschten, dass ich es mit allen teile, aber das wollte ich nicht. Sie konnten doch selbst arbeiten. Sie meinten auch, ich sei zu indisch geworden. Drei Monate nachdem ich eine Inderin geheiratet habe, haben sie mich rausgeschmissen.“

Dann kamen die Nachbarn direkt gegenueber der Bank, auf der ich sass vorbei und brachten uns zwei Stueck Kirschkuchen. Mit Vanillepudding. Was fuer eine Freude!

„Ich glaube, sie nutzt Euren Internetanschluss,“ liess der Nachbar sie wissen. Sie hatten absolut nichts dagegen.

„Sie koennen aber auch gerne meinen Anschluss benutzen, falls dieser hier mal nicht geht.“

Er verschwand in seinem Haus und kam mit einem Zettel und einer fast endloslangen Zahlen-Buchstabenkombination zurueck, die ich gleich eingab, als wir vor seinem schnuggeligen Haus mit unendlich vielen Pflanzen vor der Tuer standen.

„Es hat geklappt!“

Im Anschluss fuhr ich noch mit dem Fahrrad in der Gegend herum und entdeckte am Ortsausgang einige Kirschbaeume voller wunderbarer Fruechte, fuer die sich bisher keiner zu interessieren scheinte. Ich pflueckte gleich eine halbe Tuete voll und so hatten wir die naechsten Tage Kirschen zum Essen.

An einem Abend kam eine Frau zu Besuch, die ihr Wohnmobil auf Oel umruesten wollte und die in einer weiter entfernten Grosstadt wohnte. Zwei Leute hatten mir unabhaengig voneinander von einer Gegend in der Naehe dieser Grosstadt erzaehlt, so dass ich vage den Eindruck hatte, ich sollte mich dort vielleicht mal umschauen. Sie wollte am naechsten Morgen vor neun Uhr losfahren und ich ueberlegte, dass ich vielleicht mitfahren wollte, sagte aber nichts, da ich sowieso alles immer erst am Tag selber entscheiden konnte. Doch als ich ihren Motor frueh morgens hoerte, als sie im Begriff war wegzufahren, hatte ich es doch bereut, nichts gesagt zu haben. Es war noch nicht einmal acht Uhr. Und ich war sicher, aufzuwachen, wenn es denn sein sollte, dass ich mitfahre. Aber weil sie beide sehr leise gewesen waren, war ich nicht vorher aufgewacht. Ab dem Zeitpunkt ging mir staendig im Kopf herum, dass ich vielleicht haette weg sein sollen und gar nicht mehr da wo ich war. Es war ein komisches Gefuehl.

Am nachmittag kam ein Bekannter von Pierre vorbei und blieb auch noch zum Abendessen.

„Die letzten fuenf Jahre bin ich immer mehr abgerutscht, aber jetzt moechte ich mein Leben neu ausrichten. Ich habe vor, mit liegenden Fahrraedern zu handeln. Die Liebe zu ihnen habe ich vor einiger Zeit entdeckt und es ist viel einfacher mit ihnen zu fahren wie mit einem normalen Fahrrad. Man verliert naemlich nur 30% der Energie, um gegen den Wind anzustrampeln statt 80% wie mit dem normalen Fahrrad. Als ich das erste Mal einen Tag mit dem liegenden Fahrrad gefahren bin, kam ich 120 Kilometer weit. Und das, wo ich gemuetlich mittag gegessen habe.“

Irgendwann wechselten wir dann das Thema.

„Es gibt einen buddhistischen Lama in Sibirien, der ist 162 Jahre alt.“

Ein paar Tage spaeter fand ich die Bestaetigung im Internet.

„Und wisst Ihr, wer die groesste Biomarktkette Frankreichs gekauft hat?“ fragte uns Pierre.

„Die groesste und bekannteste Gentechnik- und Saatgutfirma Amerikas.“

Der Bekannte wusste schon bescheid.

„Und eine grosse Biofirma, die Brotaufstriche wie Mandel oder Erdnusscremes und so was macht, kauften sie auch.“

„Wie war das moeglich, dass es an sie verkauft wurde?“ fragte ich perplex.

„Es gab Zwischenhaendler. Und Bio ist gar nicht mehr bio. Die Biofelder in Spanien werden mit Kuehlwasser von Atomkraftwerken versorgt.“

„Dass bio nicht mehr bio ist, das hat mir schon vor langer Zeit jemand gesagt. Alles an Bioprodukten aus dem Supermarkt wird naemlich bestrahlt.“

 

 

 

error

Hat Dir der Inhalt gefallen? Teile ihn gerne :)

RSS
Follow by Email
YouTube
Instagram
Telegram
WhatsApp